Richard Pietraß: Binzer Schatzbrief

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Richard Pietraß: Binzer Schatzbrief

Pietraß/Leber-Binzer Schatzbrief

LEBENSRAUM

Der Vorhang fällt, die Kerze engt das Zimmer.
Was uns die Welt war, schließt sich dunkel zu.
Fern wacht der Bleitod unterm Sternenflimmer.
Das Doppellid des Fensters schneidet Ruh.

Du wirst zum Raum, in dem ich mich entfalte
Sobald der Tagesstaub mich nicht mehr frißt.
Sowie ich dich in kurzen Armen halte
Begreife ich, wie tief der Graben ist

Der dich von mir trennt, außer Sekunden
Da zwischen uns der Funken springt;
Bitter die Erleuchtung und so spät gefunden
Daß Leben nur im Schrei gelingt.

Du bist die Zelle, der ich mich verdichte
zu einem Kern den weichen Erdenkloß.
Du bist die Nuß, der Weltriß, den ich dichte.
Einzig deine Enge macht mich groß.

 

 

 

Eine imaginäre Postkarte an Richard Pietraß

Auf der Rückseite: Das Phantom des Königsberger Schlosses
Auf der Vorderseite: Gruß von Olga Martynova

Lieber Richard, weißt Du noch, wie wir dastanden – das Phantom des Schlosses über uns, die (fremde, nicht unsere, jeweils des Vaters) Erinnerung an das Gebäude in uns, die Leere, die das Gebäude hinterließ – zu unseren Füßen.

Das Phantom von Königsberg – ein weggesprengtes Gebäude, hing über der Stadt, spiegelte sich in der Pregel.

Der bestirnte Himmel schwieg wie ein Himmel das zu tun pflegt, es war am hellen Tag, doch in dieser Stadt bleibt der Himmel immer bestirnt. Wir gingen dann zu Kants Grab hinunter.

All das ist seltsam. Jeder tut, was er kann. Mein Vater in Königsberg (und sogar im Schloss) – unter Beschuss. Dein Vater in Königsberg – und packt seine Siebensachen. Wir stehen dort (und in Kaliningrad) nach einer Ewigkeit. Die Pregel fließt. Wir dichten.

Meinen Gruß zum Sechzigsten
Deine Olga

Olga Martynova

 

 

Richard Pietraß Lesung und Gespräch mit Sebastian Kleinschmidt am 27.3.2018 im Haus für Poesie

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Jan Wagner: Lob des Spreewals
Der Tagesspiegel, 11.6.2016

Stefan Sprenger: Dass der Mensch der Stil sein möge
Sprache im technischen Zeitalter, Heft 218, Juni 2016

Fakten und Vermutungen zum Autor + DAS&D +
Übersetzungen 1 & 2 + KLG 1 & 2
Porträtgalerie:  Galerie Foto Gezett + deutsche FOTOTHEK
shi 詩 yan 言 kou 口

 

Das Pietraß _______ Aus einem Bestiarium Literaricum, aufgefunden im Archiv des Museo Rhinum; übersetzt von Peter Böthig

 

Bild von Juliane Duda mit den Übermalungen von C.M.P. Schleime und den Texten von Andreas Koziol aus seinem Bestiarium Literaricum. Hier „Der Pietraß“.

 

Richard Pietraß liest am 4.5.2018 für planetlyrik.de die 3 Gedichte „Hundewiese“, „Klausur“ und „Amok“.

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