Tomaž Šalamun: Wal

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Tomaž Šalamun: Wal

Šalamun-Wal

LICHTES GEWÖLB

Mit deiner leisen, schlanken Hand löschst du Sterne.
Meinen Namen verschenkst du wie die Biene Honig.
Beiß mich! Du legst Feuer an meine Augen. Das ferne
Meer der Büffel in der aschigen, grünen
Luft. Der Duft ist austauschbar, ich nicht.
Ans Kreuz bin ich geschlagen und verschwende
dein Obst. Schau: jeder Tropen meiner
Erinnerung ist der Puls der Wölbung, die jetzt noch
zu einem Wunder geronnen ist, damit der Himmel lebt.
Das Tier sinkt, bricht zusammen, ist getroffen.
du schüttelst den weißen Flaum der Lichtchen ab und
die Inschrift auf deiner Brust leuchtet nicht auf,
für niemanden. In deinem stillen, weichen
Mund hast du Feuer an meinen Hals gelegt.

 

 

 

Šalamuns erster Lyrikband

erschien 1966 im Untergrund und begründete damals die moderne slowenische Lyrik nach dem Krieg. Diesem Buch folgten inzwischen weitere 24 Gedichtbände, Übersetzungen ins Serbokroatische, Polnische, Italienische und Amerikanische. 1972 auch die bisher einzige Übertragung ins Deutsche.

Droschl Verlag, Klappentext, 1990

 

Zeitgenössische slowenische Poesie

– Hinweis auf einige Neuerscheinungen. –

Obwohl Slowenien politisch ins Scheinwerferlicht gerückt ist, läßt die Kenntnis der slowenischen Literatur (und Kultur insgesamt) bei uns immer noch zu wünschen übrig. Wer sich indes informieren will, hat dazu durchaus Gelegenheit, zumal sich einige österreichische Verlage mit Hilfe talentierter Übersetzer seit Jahren tatkräftig für die Verbreitung dieser Literatur einsetzen. – Anzuzeigen sind drei bemerkenswerte Lyrikbände: Gedichte von Dane Zajc und Tomaž Šalamun in der Übertragung von Fabjan Hafner und neuere Lyrik des Kärntnerslowenen Gustav Januš, nachgedichtet von Peter Handke.

(…)

Anders als Dane Zajc hat der 1941 geborene, in Ljubljana lebende Tomaž Šalamun den Krieg nicht als bewußtes Trauma erlebt. Šalamun, einer der produktivsten und provokativsten Nachkriegslyriker, verschrieb sich in seinen ersten Gedichtbänden einem Neoavantgardismus pseudodadaistischer Prägung, der Hippie-Mentalität aufnahm, und machte sich zudem als Konzept- und Environment-Künstler einen Namen. Die Öffnung nach Westen blieb ein konstantes Anliegen Šalamuns, der nicht nur längere Zeit in den USA, in Frankreich und Italien weilte, sondern auch als Übersetzer von W.C. Williams, Wallace Stevens, Apollinaire u.a. hervortrat. Seine slowenischen Leser überraschte der Dichter durch immer neue Metamorphosen, Stilwechsel. modische Arrangements, was zu seiner großen Popularität vor allem bei der Jugend beitrug.
Wal, eine von Fabjan Hafner sorgfältig betreute zweisprachige Gedichtausgabe, zeigt die verschiedenen Facetten dieses hochbegabten Verwandlungskünstlers, der kein Hehl daraus macht, daß er „dafür geschaffen [ist] zu scheinen“. Šalamuns lyrische Bekenntnisse sind ebenso entwaffnend-skandalös wie sein narzißtischer Grandiositätswahn („Ich bin Gott“, „Ich bin ein ewiger Geysir“); Ironie und freche Direktheit kennzeichnen das geborene „enfant terrible“. In seinen jüngsten Gedichtbänden hätschelt Šalamun allerdings ein obszönes, seltsam schwüles Pathos, das um Lust und Verbrechen kreist, das den liebenden Körper in pseudoreligiöser Verbrämung zum gekreuzigten stilisiert und eine sentimental-brutale Sinnlichkeit zelebriert:

In riesigen Seidenbonbons bin
ich, zärtlich und zäh. Nebel schieb ich dir in den
Atem, Atem in den Gotteskopf in meinem Garten, Hirsch.

Zwischen Ernst und Unernst läßt sich kaum noch unterscheiden, die Irritation kann gelegentlich in Ekel umschlagen. Damit rechnet Šalamun, „kaltblütig und gnadenlos“. „Jeder echte Dichter ist ein Ungeheuer“, verkündet er galant und entläßt uns mit den Zeilen:

Alles ist da nur zum Gebrauch
und für unseren Spiegel.
Er liebt uns, verbraucht uns,
nährt uns.
Das Leben ist ein Rauschen.
Die weiße Birke weidet ihre Rasse.
Alles ist furchtbar.

Ilma Rakusa, Neue Zürcher Zeitung, 12.9.1991

 

 

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Nachruf auf Tomaž Šalamun: NZZ

 

Tomaž ŠalamunLunch Poems an der University of California, Berkeley, 5.2.2009.

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