Ulrike Draesner: Zu Ulrike Draesners Gedicht „paprika mamrika“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Zu Ulrike Draesners Gedicht „paprika mamrika“ aus Ulrike Draesner: Heimliche Helden

 

 

 

 

ULRIKE DRAESNER

paprika mamrika

seit drei tagen kann sie das r und
wie sagte sie „paprika“ nach der kita
„mamrika“ wir lachten liefen riefen
ros: fahrradkringer kaufen zur berohnung
währte sie statt rosa rirryfee eine braue
mit maus danach saßen wir im café
sie aß cheesecake wir spierten „große“
sprich machten konversation unter
schaukernden pratanen war sie doch im theater
der rote drache mit den nicht mehl
glünen augen… und erzährte von feuer
und schreichen, herrrich war
das reben in diesem herbst

 

Sprachgefährten

Es läuft leicht, lief wie von selbst auf sein Ende zu. Es ist ein Tandemgedicht – entstanden im Gefolge eines anderen Gedichts. Im Englischen gibt es für dieses Nachfolgen bei Schiffen den schönen Ausdruck „wake“ – „in the wake of“ im Aufwachen und in der Wirbel- und Wortschleppe eines anderen Sprachgefährts. In diesem anderen, ersten Gedicht konnte das Kind kein „r“. „paprika mamrika“ antwortet darauf am Kindergartentürchen: übermütig und mit Sprachüberschuss. Ja, das Gedicht verdankt sich einem Erlebnis, das es benennt – das aufging, eine Weile andauerte, mich umfing – und wieder in sich zurücklief, gerann (über Tage) und zusammenschnurrte in die Form dieser Verse. Sommer 2010, Platanen. Zu Hause notiert? Noch an jenem Tag? Auf Papier beziehungsweise in die Tastatur? Als Prosa zunächst, die aber ihre Brüche mitbrachte, ihren Rhythmus, ihre Tandems „r“ und „l“, Tochter und Mamrika, Fahrrad und Klingel, Körper und Laut. Mit dem „r“ beherrschte meine Tochter das letzte Phonem des Deutschen, das ihr noch gefehlt hatte, nun war sie kein Infans mehr: die rechte Zeit, um Erwachsene zu spielen (und wer weiß, wie lange man das auch später noch tut). Weil es vielleicht so ist: wir lernen Vokabeln, ohne sie zu verstehen, erst dann füllen sie sich mit Geschmack – jener Mischung aus Ich und Welt, die man später Erinnerung und Erlebnis nennt. Dabei mischen „schreiche“ sich ein, das einzige falsch-falsche Wort des Gedichts, selbst ein Laut-Streich, schwankend zwischen Schrei, Schlichen und Streichen. Weil Sprache ihr Eigenleben führt: uns Streiche spielt, indem sie uns in ihren Formen erscheinen lässt. Glünel Dlache mit den loten Augen! So spielen wir dich. Genießelisch.

Ulrike Draesneraus Marcel Reich-Ranicki (Hrsg.): Frankfurter Anthologie. Achtunddreißigster Band, Insel Verlag, 2015

1 Antwort : Ulrike Draesner: Zu Ulrike Draesners Gedicht „paprika mamrika“”

  1. Redaktion sagt:

    Korrespondenz als Dichter
    Brief an Ulrike Draesner

    Ulrike Draesner ist eine sehr gute Gegenwartspoetin. Ihr schrieb ich mit 24 Jahren. Ich behandelte in dem Brief, da sie studierte Philosophin ist, die Tetralogie. Es ist mein Wahrheitsmodell. Eine Dialektik, der eine zweite entgegengestellt wird. Ich muss erklären: Dialektik ist der Mittelweg von Yin und Yang. Also gut und böse und daraus das Mittelstück… Dies dachte schon Lao Tse. Aus eins wird zwei und daraus drei. Ich dachte mir: Wenn ich etwas abwäge zwischen Ja und nein, also Jein… Dann gibt mir zu diesem Jein Gott von oben einen Denkanstoß, in dem er mir zu meinem Denken ein Gegenteil entgegenbringt. Das heißt: Ich handele und es handelt etwas gegen mich, damit ich mich wehren muss um weiter zu existieren… Das klingt nicht einfach… Lesetipp: Tao Te King von Lao Tse oder etwas von Hegel… In der Philosophie ist oft über die Wahrheit gewähnt worden.. Das Ganze erkläre ich auch in diesem Brief: Viel Spaß

    Betreff: Tetralogie des dichterischen Geists

    Sehr verehrte Frau Draesner

    hiermit möchte ich mich bei Ihnen als unbekannter Autor vorstellen, Ihnen meine Hochachtung aussprechen und Ihnen von meinem Bestreben nach einer neuen Gedankenwelt im Dichterischen erzählen.
Mir geht es darum, eine Welt der Poesie zu erschaffen, die nicht nur dialektisch, sondern vierstimmig im Denken des Wesens erscheint.
Ich gehe wie Paul Riceur subjektiv davon aus, dass es etwas über uns gibt, ein dialektisches Wesen, das uns nicht täuscht, wie Descartes meinte, sondern unserer Dialektik ein Gegenstück hingegenstellt.
Eine Harmonie erreichbar und fassbar zu machen gelingt kaum in meinem System, nicht dass Gott uns täuschen oder ärgern möchte, nein, er will nur keinen Stillstand erzeugen. Beweisbar wäre dies, wenn man die Reaktionen von Dingen, die aufeinander wirken, im Komplexen beobachtet und auf einer Möglichkeit des Zufalls, nicht des Schicksals, erkennt, dass Wahrheit ein paradoxes widersinniges Element in unserem Leben ist.
Beweisbar wäre dies wohl aber nur, wenn Gott dies zuließe und Kapazitäten von Rechnern die Menschen erfassen, ihr Zueinander, ihr Nebeneinander, ihr Übereinander, denn die Dialektik Gottes spiegelt sich für mich in der Politik, im Gespräch mit den Eltern, in allem. 
Es ist, wie wenn man etwas suchen will und es nicht finden kann, und in dem Moment, in dem man aufhört es zu suchen, findet man es. 
Ich weiß, wie gesagt, es ist subjektiv und die Begrifflichkeit der Tetralogie gibt es beispielsweise, bei Jung oder bei Hegel, vielleicht weitaus früher.
 Mir geht es darum, ein Experiment anzustreben: Die Synthese aus zwei Synthesen, eine vollführte vierstimmige, vielleicht quadrophonische Dichtung, die mit zwei Synthesen arbeitet, ähnlich wie das Verhältnis Gott-Mensch, oder eigentlich Gott-Gott als Mensch und Mensch, Dichter und Dichter.
 Ich weiß, Sie haben Philosophie studiert, und ich bin sehr begeistert von Ihren Dichtungen – Sie schreiben sicherlich schon weit über 14 Jahre, ich erst vier, doch meine Begabung liegt in einer schnellen Entwicklung, die auf eine ungewöhnlichen Assoziationsfähigkeit beruht – Schizophrenie, Drogen in früheren Jahren, Engelstrompeten, die ich nahm, haben mich zu dem Dichter gemacht, der ich bin.
 Trotz alledem möchte ich Sie bitten, meinen Gedankengang, der Sie sicher erfreut, als Philosophin zu durchdenken und mit mir armer Dichterseele ein Poem zu schreiben, das tetralogisch erscheint.
Es wäre mein größter Wunsch, mit einer Poetin wie Ihnen, die so experimentell und wissenschaftlich engagiert ist, die auch andere Dichter in den Gedächnisschleifen, ähnlich wie ich, verarbeitet, zu schreiben.
 Ich geb zu, ich habe schon Dinge geschrieben, die ich durch Sie lernte und find Ihre goldige Metaphorik sehr liebenswürdig in einer Welt, die vor Negationen mehr und mehr verwirrt ist.
    Ich las über Sie in den horen, dass auch Sie z.B. Supertramp als wiederkehrende Melodie in Dichtungen, allgemein Musik in Versen als untermalendes Instrument benutzen: ich auch. Falls es die Idee schon gibt, ein gespaltenes Gedicht zu schreiben, welches sich einer unterbewussten Wahrheit nähert, so sage ich Sie und auch ich sind nicht die, die das probiert haben…
    Ich würde mich auch über eine Absage freuen, und ich denke bei dem Ganzen über eine Internetaktion nach, vielleicht wenn man sich speziell hierfür eine Adresse anlegt…?
    Auch muss ich noch hinzufügen, das ich in Kaiserslautern eine Literaturzeitschrift eröffnen will und auch an einer Gedicht-CD mit befreundeten Musikern arbeite, ein Hörspiel und eine szenische Lesung im Fernsehen sind geplant..
    Es gibt als Dichter immer etwas zu tun.
    Ich empfehle ihnen als untermalendes musikalisches Instrument „Prelude for the gulls“ (King Crimson Islands), Space odditity, Love over gold, childhoods end (Pink Floyd obscured by clouds), sowie ganz wichtig, aber das wissen Sie, The Wall 2. Schallplatte 1. Seite komplett und, ums göttlich zu machen, U2 one love.
    Aber das ist eigentlich unnötig, dass ich das sage, Sie wissen das viel besser als ich!
    Übrigens, ich bin 24 Jahre, Autolackierer, habe nie studiert und nur die Fachhochschulreife.
    Mit freundlichsten Grüßen

    Uwe Kraus, wochenblatt-reporter.de 12.10.2020

    https://www.wochenblatt-reporter.de/kaiserslautern/c-ausgehen-geniessen/brief-an-ulrike-draesner_a235237

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