Nora Gomringers Gedicht „Haut und Hülle“

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NORA GOMRINGER

Haut und Hülle

Hat das Wort eine Haut
Genommen von einem schnellen Tier
Gezogen über die Milch
Gesogen in einen Leib
Gesenkt in die Magengrube
Löwen darin, satt und still.

2008

aus: Nora Gomringer: Klimaforschung. Voland & Quist Verlag, Dresden 2008

 

Konnotation

In einer überwiegend männlich geprägten Poetry Slam-Szene ist die 1980 in Neunkirchen/Saar geborene Nora Gomringer, die Tochter des experimentellen Poeten Eugen Gomringer, eine glänzende Ausnahme: In ihren Texten, die sich nicht allein als Spoken Word verstehen, kommt Sprache zu gleichen Teilen als geschriebenes wie als performtes Wort zu Geltung. Dementsprechend lassen sich in ihren vier Gedichtbüchern Sprechpartituren wie leisen Tönen folgende Gedichte vernehmen.
Aufgefasst werden kann dieses Gedicht als semiotisches Spiel, dessen zentrale Begriffe „Haut“ und „Hülle“ auf einen wechselnden Wortleib hinter jeder Zeile verweisen. Spielerisch „verschlingt“ das Gedicht so ein Bedeutetes nach dem anderen, bis „satt und still“ das Gedicht endet. Wie ineinandergeschobene Schachteln erweist sich das Gedicht scheinbar als Bedeutungsträger in Bedeutungsträgern, als letztlich nur willkürlich zu stoppende, endlose Verschachtelung.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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