Antons liebste Wort-Spiel-Verse

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch Antons liebste Wort-Spiel-Verse

Antons liebste Wort-Spiel-Verse

WOHER & WIE WEITER

nirgendwoher – nirgendwohin
genausoviel wie: daher – dorthin
ebensoviel wie: dorther – hinfort

werde ich verloren gehen, oder verlustig
schreibe ich die gedichte, oder die gedichte mich
höre ich die geräusche, oder die geräusche mich; ist
aaaaasie

die poesie: versetzt fühle ich mich
aaaaaaaaaaverloren bin ich
aaaaa& aufgehoben

das entsetzen zieht sich hin
dranbleiben muß ich schon

Bert Papenfuß

 

 

 

Wie kommt es zu einem Buch für Kinder,

das einem selbst beim Vorlesen immer wieder Spaß macht?

Neben den Schönsten Märchen der Welt für 365 und 1 Tag, ausgesucht von Lisa Tetzner, waren es vor allem Verse und Reime, die mit der Sprache ihr respektlos übermütiges Spiel treiben, die Enkel Anton und mich allmorgendlich zusammenführten. Kinder haben Vergnügen an den Zungenbrechern von Fischers Fritz, an Morgensterns nicht ganz geheueren Galgenliedern mit den Spukgestalten von Palmström und Korf. Anton sagte schon im zarten Alter von 2 Jahren, den Weihnachtsmann-Opa durchschauend, kein Weihnachtssprüchlein, sondern Jandls Verse von „ottos mops“ auf.
Er hat mich schließlich angeregt, eine Auswahl von Vers-Wort-Spielen zu treffen – Stücke, die er auswendig kennt, aber auch solche, die ihm – er ist inzwischen 12 und über Kinderverse erhaben – bisher unbekannt waren, wie die phantastischen Einfälle in Hans Arps Wortträumen, die ich irgendwann mit Begeisterung entdeckt hatte.
Antons spontane und mitunter skurrile Zeichnungen – oft Entwürfe zu Spielszenen für seinen „Game-boy“ – schienen mir wie zu solchen Versen gemacht. Einige entstanden direkt zu Texten in diesem Buch.
Vater Martin stellte Worte und Bilder unter Antons kritischem Blick zusammen. Kunststück, in dem sich nun drei Generationen bei Versen begegnen – wie sich Poeten aus früherer und heutiger Zeit treffen, denen es Spaß machte, die Wörter zu verwechseln und zu verwandeln, die Bilder auf den Kopf zu stellen und durcheinanderzuwirbeln.
Für uns AEltere(n) und alle möglichen Kinder und Enkelkinder, heißen sie nun Anton oder…

Gerhard Wolf, Vorwort

 

Inhalt

Dieser Band versammelt die schönsten Wortspielgedichte und -verse, illustriert mit den spontanen und skurrilen Zeichnungen des Enkels von Christa Wolf. Ein Buch zum Lesen und Vorlesen.

Kinder lieben die Zungenbrecher von „Fischers Fritz“, lieben „Doppelmoppel“, „eile mit feile“ und Morgensterns Palmström und Korf. Solche Wortspielreime und -gedichte haben Christa und Gerhard Wolf ihrem Enkel Anton oft vorgelesen.
Nun hat Gerhard Wolf seine und Antons Lieblingsverse gesammelt: von Hans Arp, Wilhelm Busch, Hans Magnus Enzensberger, Ernst Jandl, Christian Morgenstern, Friederike Mayröcker, Bert Papenfuß, Kurt Schwitters und vielen anderen, und Anton hat seine Zeichnungen beigesteuert. Ergebnis dieser generationsübergreifenden Zusammenarbeit: ein wunderschönes Buch für Kinder, das auch Erwachsenen beim Vorlesen immer wieder Spaß macht.

Suhrkamp Verlag, Ankündigung
(Bezieht sich auf eine andere Ausgabe)

 

Wenn der Hippe hoppt und der Hoppende hip-hopt

Gerhard Wolf, Schrift stellender Gatte der ihm es gleichtuenden aber gleichwohl weitaus bekannteren Christa Wolf, und Großvater des mittlerweile zwölfjährigen Anton, macht sich auf dem Altenteil seines publizistischen Lebensweges die Wörter selbst zum Geschenk. In diesem Jahr erschien im Insel-Verlag seine Wortakrobaten-Auswahl Antons liebste Wort-Spiel-Verse mit der programmatischen Überschrift abhanden mit der hand – abfußen mit dem fuß. Wolf, wie er im Vorwort selbst sagt, hat sich nach jahrlanger Vorlesearbeit am Bettrand seines Enkels von dessen Vorliebe für schrägste Wortspielerei begeistern lassen und sich auf die Suche nach mehr gemacht. Und er fand – und wir sagen: Danke!
Zu dem Gefundenen zählen neben alten deutschen Kinderversen, welche in dieser Edition ganz wie neu erscheinen, natürlich die Großen des Kleingeschriebenen: Arp, Busch, Fried, Mayröcker, Morgenstern, Ringelnatz und natürlich Jandl. Um nur einige zu nennen. Dem möglichen Einwand, dass also mal wieder nur mit den üblichen Verdächtigen das Papier beschrieben wird, soll sofort widersprochen werden! Zum einen versammelt Wolf auch andere, wenn auch unbekanntere Glücklich-Irre des Worte-Werfens und zum anderen, gibt es, ganz pragmatisch gesehen, so eine Auswahl noch nicht. Ebenso, als künstlerisches Bonmot und damit als etwas ganz Besonderes, darf auch Enkel Anton sich verewigen. Skurrile und geniale Zeichnungen von Kinderhand, welche manchmal an Gameboy-Abstraktionen erinnern, runden hier wahrlich nichts ab, sondern tragen mit dazu bei, das Buch zu dem zu machen, was es ist: etwas Schönem.
Jedem noch so kleinen Wortspiel hat Wolfs Enkel witzige, absurde aber immer zum Lächeln und Nachdenken bringende Zeichnungen und kleine Gemälde beigefügt.
Ganz wesentlich zum Erfolg dieses Bandes trägt aber auch die typografische- und Layout-Leistung von Antons Vater, Martin Hoffmann, bei. Die Schrifttypen des ganzen Bandes sind in dunklem Waldgrün und modern leuchtendem Orange gehalten. Das gesamte Layout besticht durch seine sparsame, reduzierte und deutliche Textgestaltung. Diese Beschränkung auf nur zwei Farben beim Schriftbild ist eine gute Reduktion, weil sie dadurch den Text als das Entscheidende verdeutlicht. Keine Schnörkel, dafür Klarheit und kein Zuviel an Eigendarstellung lassen nicht nur dem Text den ganzen Raum, den ein so ein kleinformatiges Blatt Papier geben kann, sondern bieten auch die Möglichkeit, Antons Kunstwerken, als das eigentliche Komplement zu den Texten wirken zu lassen.
Die beiden wesentlichen und die Qualität illustrierenden Aspekte dieses Bandes sind eindeutig eine sorgsame Textauswahl, die sinnige Präsentation sowie die gesamte Gestaltung.
Und gänzlich ohne Einschränkung darf man sagen, dass dies auf perfekte Weise gelungen ist. Dem ganzen Band ist die Sorgsamkeit, die Bedachtheit und vor allem die persönliche Freude bei der Erstellung anzumerken und diese greift auf den Leser über. Erfreulich zu erwähnen ist auch, dass sich am Ende des Büchleins eine alphabetische Bibliographie befindet, mit kurzen biographischen Notizen zu den diversen ausgewählten Autoren.
Schlussendlich: Vielleicht mag ja so mancher Deutschlehrer diesen Band für sich entdecken, die Freude beim Lesen der Zeilen neu spüren und das Experiment wagen, seinen pubertätsgeschüttelten Sprösslingen, welche sonst der Kunst – nun ja, sagen wir mal – distanziert gegenüberstehen, einige Zeilen vorzulesen. Oder sie statt schwarzer Milch und klagenden Klavieren eben mal diese Verse selber lesen zu lassen und das Glück zu genießen, dass hoffentlich so mancher merkt, dass die deutsche Sprache nicht nur öde Tragödien und sperrige Prosa zu bieten hat, sondern locker und noch weitaus „phatter“ ist, als so manches Wortungeheuer-Gestammel aus Berliner Ghettos.

Daniel Heinrichs, amazon.de, 18.11.2007

(Die Rezension bezieht sich auf eine andere Ausgabe)

Ich, Opa und die Worte

Als Kind liebte ich die Sommer. Wir fuhren nach Mecklenburg, so lange es ging, wo ich den ganzen Tag über die Felder streifen, angeln oder im Garten sitzen und lesen konnte. Aber jeder Morgen auf dem Land begann damit, dass ich und meine Schwester zu meinem Opa ins Bett krabbelten, um uns vorlesen zu lassen. Meistens waren es Märchen und oft auch Gedichte, von denen mich die wortverspielten ganz besonders faszinierten. Morgenstern und Jandl waren meine Lieblinge. Aber das weiß Gerhard alles.
Selbst lesen gelernt habe ich mit Tierbüchern, die ich schon vorher liebte. Gemeinsam alte Farbtafel-Nachschlagewerke anzuschauen gehört zu den wenigen Erinnerungen, die ich an meinen anderen Opa habe. Damit waren Bücher für mich zuallererst Information, Geschichten, Daten – Inhalt.
Was Gerhard vielleicht nicht weiß, ist, wie sehr er dafür verantwortlich ist, dass sich das verändert hat. Die Gedichte, die er uns vorlas, ebenso wie die kleinen Sprüche, die er zu allen möglichen Gelegenheiten auf den Lippen hatte. Schlagerfetzen, Schüttelreime und kleine Witze füllten im Sommer das Haus. Heute noch denke ich jedes Jahr zu Ostern an die Nonnen und wie sie heulen, in ihren Klöstern. Dieser Spaß an der Sprache selbst, der nicht an Inhalt gebunden war, sondern aus Klang und Bild und Miß-Verständnis der Worte entstand, faszinierte mich. Mein Interesse an Sprache als solcher hat seitdem angehalten, ich habe einige Sprachen gelernt und Übersetzen ist zu meinem Steckenpferd und Forschungsthema an der Uni geworden.
Inhalt und Sprache sind dabei für mich fast untrennbar. Ich schätze Kenzaburo Oe, weil er komplexe Sprache lesbar halten kann, um vielschichtige Figuren und Handlungen zu entwickeln. Vom ersten Satz an weiß man, dass seine Texte Substanz haben. Ich habe große Freude an Terry Pratchett, der mit leichtfüßigem Wortwitz die vierte Wand aufbricht, während er seine skurrile, komische Fantasywelt entwirft, und meide Clemens J. Setz, weil – so leid’s mir tut – der Inhalt nicht halten kann, was die Sprache versucht.
Ob das auch ohne die morgendlichen Gedichte so gekommen wäre? Wer weiß. Fest steht: Den Spaß an der Sprache habe ich bei Gerhard kennengelernt.

Anton Wolf aus Friedrich Dieckmann (Hrsg.): Stimmen der Freunde. Gerhard Wolf zum 85. Geburtstag, verlag für berlin-brandenburg, 2014

 

 

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