Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Poesie und Poetik des Namens (Teil 14)

Poesie und Poetik des Namens
Beispiele, Analysen, Kommentare

Teil 13 siehe hier

François Villon, zu Lebzeiten eher als notorischer Raubgeselle denn als genialischer Poet bekannt, gehörte auch zu Ossip Mandelstams bevorzugten Autoren – die Zusammenführung der beiden durch Paul Celan ist also durchaus plausibel, und sie wird komplettiert durch den jüdischen Emigranten und sozialen Outcast Heinrich Heine, der das Motto zur Celan’schen «Gauner und Ganovenweise» beiträgt. Was die vier «Feme-Poeten» abgesehen von ihrem literarischen Rang verband, war ihr fatales Aussenseitertum, waren Verfolgung, Flucht, Exil; im Gedicht heisst es dazu:

Damals, als es noch Galgen gab,
da, nicht wahr, gab es
ein Oben.

                                …

Krumm war der Weg, den ich ging,
krumm war er, ja,
denn, ja,
er war gerade.

                               …

Da hätten wir, da hätten wir.
Denn es blühte der Mandelbaum.
Mandelbaum. Bandelmaum.

Mandeltraum, Trandelmaum.
Und auch der Machandelbaum.
Chandelbaum.

Heia.
Aum.

                               …

Aber,
aber er bäumt sich, der Baum. Er,
auch er
steht gegen
die Pest.

Mandelstam mutiert hier zum Mandelbaum, auch zum märchenhaften Machandelbaum und er wird sprachspielerisch mehrfach abgewandelt, bis er nur noch «Baum» und «Aum» ist, «steht» und sich «bäumt». Celan rückt ihn somit in den Vordergrund und weist ihn, den Verachteten und Verfolgten, als «Aufständischen» aus – unter den hier involvierten Protagonisten (Villon, Heine, Celan selbst) ist Mandelstam der Primus inter pares, obwohl sein Name an keiner Stelle integral genannt wird.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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