Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – «Tempel im Gehör» (Teil 2)

«Tempel im Gehör»
Rilkes Wiederkehr im Internet

Teil 1 siehe hier

Auch wenn bei Rilke die Aussage (Mitteilung) des Gedichts durchaus ihre Bedeutung hat, bleibt sie doch meistens in Allgemeinheiten, Unbestimmtheiten, Mehrdeutigkeiten befangen, tendiert oftmals zu weissagender, kaum noch fassbarer Wortmagie und ist deshalb vielfältig interpretierbar. Bei reduziertem Erkenntniswert gewinnt das Gedicht jedoch merklich an Stimmungsgehalt, indem es direkt an das Gehör appelliert – die Worte sind dann nicht mehr primär Informationsträger, sondern Klangkörper, die als solche ihre Wirkung tun, beschwörend, beschwichtigend, tröstend und bisweilen (zumindest in esoterischer Hinsicht) geradezu heilend. Von Einfühlung zu reden, mag begrifflich obsolet sein, im Fall Rilkes ist es durchaus berechtigt und entspricht weiterhin der gängigen Lesart seiner Gedichte: Wer sie aufnimmt, tritt gewissermassen in sie ein, macht sie sich zueigen und nutzt sie als Medien der Welterfassung und eines immer nur ungefähren Weltverständnisses.
Von daher erklärt sich die bemerkenswerte Tatsache, dass auch zahlreiche schwache, klischeehafte, kitschige oder religiös verbrämte Formulierungen die positive Gesamtwirkung von Rilkes Lyrik kaum beeinträchtigen – ihre «Musikalität» überbietet bei weitem ihre begriffliche Bedeutung, ihr Sprachmaterial wird gleichsam selbsttragend, ihre «Wahrheit» geht im Klang auf, lässt sie zu einem «Tempel im Gehör» werden.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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