KLAR
Klar ist – nach uns kommt nicht die grosse Flut
und auch die grosse Dürre nicht. Vermutlich wird in einer
Welt, wo die Gerechtigkeit regiert, sogar das Klima
ausgeglichen sein. Vier Jahreszeiten, wechselweise
anvertraut einem Choleriker, Sanguiniker, Phlegmatiker
und Melancholiker – ein jeder für drei Monde an der Macht.
Das ist unter enzyklopädischem Aspekt
gar nicht so wenig. Wohl könnten
Wind- und Wetterlaunen die Reformer ernstlich
irritieren, der Gott des Handels aber
würde die Nachfrage nach wollenen Sachen,
englischen Regenschirmen und Mänteln
begrüssen – seine ärgsten Feinde sind gestopfte Socken
und gewendete Jacketts. Der Regen vorm Fenster
begünstigt solchen Zugang zur Natur
und zur Materie ganz allgemein: er ist besonders ökonomisch.
Deshalb fehlt in der Verfassung das Wort «Regen»
und auch das Barometer kommt nicht vor
– so wenig wie all jene, die sich nächtens,
gleich Alkibiades,
über ein Garnknäuel beugen
oder die im Vorraum zum Goldenen Zeitalter
gelangweilt ein Modemagazin zerlesen.
aaaaaaaaaa(1994; aus dem Russischen)
aus: Felix Philipp Ingold: Gegengabe
zusammengetragen aus kritischen, poetischen und privaten Feldern
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