S
SCHLUSS SÜHNE
SCHAM,
(vgl. FEUER) |
»Schuld und Sühne« – unter diesem Titel hat Gogol jenes seiner sieben Leben verbracht, das später von Dostojewskij in einen Kriminalroman umgearbeitet und, dem Geschmack der Zeit entsprechend, mit einem melodramatischen Schluß versehen wurde. Gogols ungeheuerliche Schuld residierte, so glaubte der Autor zu wissen, in seiner Kunst, und folglich konnte die Sühne einzig durch konsequenten Kunsthaß, der letztlich zum Freitod des Autors führen mußte, geleistet erden. In Gogols Katechismus findet sich denn auch die folgende Empfehlung (»an einen kurzsichtigen Freund«): »Bete zu Gott, daß dir irgendein unerträgliches Mißgeschick zustoße; daß sich ein Mensch finde, der dich tief beleidigt und vor aller Augen derart bloßstellt, daß du nicht mehr weißt, wo du dich vor Scham verstecken sollst, und auf einen Schlag alle empfindlichsten Saiten deiner Eigenliebe zerreißt …« – »Naja, Bruder, du hast eben den Teufel zustande gebracht! Darum beeilst du dich so (und bedrängst mich erst recht!), meine Vergangenheit zu verleugnen und deinen literarischen Weg als Irrgang zu blockieren. Mein Schuldgefühl ist nämlich aus dem Bewußtsein der Macht der dir innewohnenden magischen Impulse entstanden. Da aber ich die Heiligkeit (welche allein diese furchtbare Teufelskunst in das erlösende Licht der Auferstehung – klar? – verwandeln konnte) nicht erreichte, war dir, dem Autor, die Hölle gewiß…« |
aus: Felix Philipp Ingold: Haupts Werk Das Leben
Ein Koordinatenbuch vom vorläufig letzten bis zum ersten Kapitel.
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