SCHAFE UND STERNE
Schafe und Sterne: die Nacht
Hält sie zusammen, ein Hund
Ist der Wind auf lautlosen Pfoten,
Er streift die Akazien, ein Hirt
Sitzt unter ihnen seit zweitausend Jahren,
Sieht in die lehmbraunen Wasser,
Denkt an die Türken,
Sieht der Armenier
Häuser am Hang, sieht sie steigen
Über die Treppen
Hoch in die Nacht.
Schafe und Sterne sind seine Gedanken,
Tief in den Taschen
Sucht er sie zwischen Knoblauch
Und grauem Tabak.
Schafe und Sterne
Treibt er zusammen in seinen Gedanken
Führt sie und lenkt sie,
Kennt ihre Zeichen,
Sieht ihre nächtliche Runde
Rings um die Stadt.
Schafe und Sterne,
Wesire und Zaren,
Gejagte und Jäger.
Einst Partisanen, sie kamen,
Er teilte das, was er hatte, mit ihnen.
Wochenlang blieben sie weg in den Bergen,
Unten im Tal sah er Autokolonnen,
Sah ihre Spuren: Erschossne, Gehängte,
Sah in den Fluß, wie er anschwoll und mitnahm
Tote und Totes, Geröll aus den Bergen.
Schafe und Sterne sind ihm geblieben.
Schafe und Sterne. Wer unterscheidet
Schafe und Sterne, wenns dunkelt. Die Nacht
Schleicht sich ins Tal,
Reißt sich die Schafe,
Reißt sich die Sterne.
Schafe und Sterne.
Schafe und Sterne:
Am Himmel ein Widder,
Er senkt seine Hörner,
Stößt, stößt ins Leere.
Der Wind ist ein Hund
Und jagt hinterher.
Und der Fluß ist Wesir,
Ist Zar und SS und hält Standrecht.
Schafe und Sterne sind ihm geblieben,
Er sitzt und er sieht sie,
Er hält sie zusammen.
Roland Rittig: Mit unverstellter Stimme
Ich schreibe, Heft 4, 1976
Einzelheiten über den provozierten PARTEIAUSSCHLUSS (oder Parteiaustritt?) Heinz Czechowskis vor einiger Zeit: Die Begründung, er neige jetzt doch mehr dem „Herrnhutertum“ zu; außerdem störe ihn das „operettenhafte Gebaren Honeckers“ – allseitiges Nicken der Kommission angeblich, das geringere Übel, klar! Schon der „Eintritt“ damals als Jüngling habe auf dem Irrtum beruht, Brecht wäre Mitglied der Partei… Ich hoffe, daß dieses Wunderbare nicht erfunden ist.
Adolf Endler: Nebbich. Eine deutsche Karriere, Wallstein Verlag, 2005
Richard A. Zipster: DDR-Literatur im Tauwetter Stellungnahmen
Jens Bisky: Vom Nichts begleitet
Süddeutsche Zeitung, 7.2.2005
Beatrix Langner: Schreiben im eigenen Schatten
Neue Zürcher Zeitung, 7.2.2005
Hans-Dieter Schütt: Rückwende
Neues Deutschland, 7.2.2005
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