ARNO HOLZ
An die Conventionellen
Ihr habt genug mein armes Hirn gebüttelt,
Ich käu nicht wieder wie das liebe Vieh;
längst hab ich von den Schuhen ihn geschüttelt,
Den grauen Schulstaub eurer Poesie!
Ich hab mich umgesehn in meinem Volke
Und meiner Zeit bis tief ins Herz geschaut
Und nächtlich ist aus dunkler Wetterwolke
Ein heilig Feuer in mein Lied gethaut.
Nun ruf ich zu des Himmels goldnen Kronen:
Dreimal verflucht sei jegliche Dressur!
Zum Teufel eure kindischen Schablonen!
Ich bin ein Mensch, ich bin ein Stück Natur!
1886
So konsequent „modern“, wie sich der selbst ernannte Literaturrevolutionär Arno Holz (1863–1929) gerne sah, war der Dichter in seinen Anfängen keineswegs. Er folgte den ausgetretenen Trampelpfaden des Goethe-Epigonen Emanuel Geibel (1815–1884) und bediente sich auch in den vollmundigsten Polemiken gegen die Vertreter der „Convention“ traditioneller Reimformen. Seine „Lieder eines Modernen“, wie er sein 1886 publiziertes Buch der Zeit im Untertitel nannte, waren rhetorisch aufgeregt, aber poetisch brav.
Einige Jahre nach dem Buch der Zeit propagierte Holz die berühmte Programmformel des Naturalismus: „Kunst = Natur – x“. Erst danach entwickelte er auch poetologisch die „Revolution der Lyrik“, die er 1899 verkündete und mit einer neuartigen Versstruktur, der um eine Mittelachse schwingenden Langzeile auch formal mit Leben erfüllte.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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