August Stramms Gedicht „Frage“

AUGUST STRAMM

Frage

Und
Stämme schlanken weiten Himmel
Und
Herzen schwanken brüten Schmerz
Und
Halme hauchen welle Stürme
Und
Schweigen schrickt
Und
Beugt und geht
Und
Gehen Gehen
Wege Ziele Richtung
Und
Gehen Gehen
Liebe Leben Tod
Und
Gehen Gehen
Endlos wellen Stürme
Und
Gehen Gehen
Endlos halmt
Das
Nichts.

1914/15

 

Konnotation

Als er mit seinem Staccato-Stil die neue „Wortkunst“-Poetik der expressionistischen Zeitschrift Der Sturm begründen half zeigten sich die tonangebenden Kritiker begeistert: „Er hämmert Hauptsachen ins Hirn.“ August Stramm (1874–1915), der Postinspektor aus Münster, hatte sich über Nacht in den futuristischen Syntax-Zerstörer und Wortballungs-Künstler der deutschen Lyrik verwandelt.
Zwei Bewegungen prallen hier aufeinander: der atemlose einsilbige Vers und die etwas geräumigere Zeile. Dann aber vollzieht sich eine Beschleunigung, bis nur noch Substantive und dann nur noch Verben der Bewegung aneinandergereiht werden. Das Gedicht findet sich in dem nachgelassenen Zyklus „Tropfblut“, der die zwischen November 1914 und April 1915 entstandenen Kriegsgedichte bündelt. Und am Ende der dicht gepressten Substantive steht die Vision der Vernichtung: „Das / Nichts.“

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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