BERTOLT BRECHT
Drittes Lied des Glücksgotts
Als die Braut ihr Bier getrunken
Gingen wir hinaus. Der Hof lag nächtlich.
Hinterm Abtritt hat’s gestunken
Doch die Wollust war beträchtlich.
Als wir wieder drinnen saßen
In der Menge, alt und jung
Sang ich: Unterm grünen Rasen
Ist zu wenig Abwechslung.
1943
aus: Bertolt Brecht: Die Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2000
In seinem Journal vom 20.7.1943 hielt Bertolt Brecht (1898–1956) den Plan zu seinem lyrischen Zyklus „Lieder des Glücksgotts“ fest: „… ein ganz und gar materialistisches Werk, preisend das gute Leben (in doppelter Bedeutung). Essen, Trinken, Wohnen, Schlafen, Lieben, Arbeiten, Denken, die großen Genüsse.“ Dabei hat Brecht von allen „großen“ Vergnügungen stets der derben erotischen Sensation die schönsten „Lieder“ gewidmet.
Brechts „drittes Lied“ wird 1945 zum Material für die geplante Oper „Die Reisen des Glücksgotts“, die jedoch nie realisiert wird. So bleiben die zwei Strophen das prägnanteste Exempel für die poetischen Leitmotive des Dichters: der robuste sexuelle Akt und die Benennung des vergänglichen Glücks. Nach der Erfahrung kurzfristiger „Wollust“ wird zwar ihre Flüchtigkeit drastisch ins Bild gesetzt. Der Hedonist beharrt dagegen auf Diesseitigkeit: Auf Grabesruhe kann er verzichten.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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