ERICH ARENDT
Toter Neger
Er wußte nichts von allem; weshalb Krieg?
Und ließ sich wehrlos mit dem Stahlhelm schmücken.
Erfühlte nur, da er aufs Fallreep stieg:
Die Kolben stießen gnadenlos in seinen Rücken.
Die Pyrenäen noch, die blauverhüllten Hänge,
verwandelten sich heimlich in sein Rif.
Doch aus dem Traum, der schön wie Buschgesänge,
stieg schwarz die Angst, wie damals vor dem Schiff.
Als alle dann ins leergebrannte Wasserbett
wie Tiere flohn, zerbrach der Himmel laut.
Er aber war schon tot – es kreisten Eisenvögel oben –
und hielt noch Tage wie zum Schutz den Arm erhoben.
Doch dunkler, immer dunkler wurde seine Haut
und, wie der Abendhimmel überm Kral einst, violett.
nach 1939
aus: Erich Arendt: Das zweifingrige Lachen. Ausgewählte Gedichte 1921–1980. Hrsg. v. Gregor Laschen. Claassen Verlag, Düsseldorf 1981
Die Literaturgeschichte verzeichnet Erich Arendt (1903–1984) als den sprachmagischen Solitär und „Hermetiker“ der DDR-Lyrik. Wer freilich seine frühen Dichtungen studiert, wird auf lyrische Texte stoßen, die in plastischer Direktheit geschichtliche Elementarereignisse wie den Spanischen Bürgerkrieg thematisieren und dabei auf klassische Gedichtformen zurückgreifen. Arendt hatte 1926 als Expressionist und kommunistischer Aktivist im Umfeld der Zeitschrift Sturm zu schreiben begonnen. 1933 emigrierte er zunächst in die Schweiz, später nach Spanien und wanderte schließlich nach Kolumbien aus. In der Zeit des Exils entstand auch das Sonett über einen toten Soldaten.
Arendt benennt hier in umstandsloser Drastik die inhumane Realität von Kriegs-Strategien. Der schwarze Soldat erscheint als Opfer einer gewaltsamen Rekrutierung, er geht unter in einem Inferno, das alle Fragen nach Sinn und Zweck des Schreckens abweist. In expressionistisch glühenden Farben wird eine apokalyptische Szenerie ausgemalt, in der alle menschlichen Verhaltensformen der Vernichtung preisgegeben sind.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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