GÜNTER EICH

En attendant

Am Dienstag stellten wir noch
die Abfälle vors Haus,
am Mittwoch
boten wir das Haus an,
am Donnerstag uns,
aber die Müllabfuhr
ließ uns aus.
So bleiben wir und hoffen
auf bessere Wochen und
die Bestechlichkeit der Träger

1966

aus: Günter Eich: Gesammelte Werke, Band 1: Die Gedichte. Die Maulwürfe. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1991

 

Konnotation

Es ist keine erwartungsfrohe Wartezeit, in der sich die Protagonisten im Gedicht von Günter Eich (1907–1972) eingerichtet haben. Man wartet („En attendant“) auf die eigene Entsorgung, nachdem man zuvor der Selbstbehauptung abgeschworen und auf das Recht auf Existenz verzichtet hat. Lapidar notiert der Dichter als Unheils-Chronist den Ablauf der Ereignisse, die totale Unterwerfung des Kollektivsubjekts unter eine fremde Macht scheint unabwendbar. Die Reste an Hoffnung, die den Wartenden bleiben, sind an die Korrumpierbarkeit der Mächtigen geknüpft.
In seiner späten Lyrik hatte sich der als Naturmystiker gestartete Eich immer mehr auf eine Poetik des Fatalismus zurückgezogen, die er in oft kryptische, bis zum Äußersten verknappte und schwer dechiffrierbare Gedichte umsetzte. Eichs Helden sind Ausgestoßene, in keine Ordnung mehr integrierbar, aus den gesellschaftlichen Zentren verbannt in eine oft selbstgewählte Abgeschiedenheit. Das 1966, im Jahr des Gedichtbands Anlässe und Steingärten entstandene Gedicht, stammt aus dem Nachlass des Autors.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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