Hans Arps Gedicht „ins bodenlose…“

HANS ARP

ins bodenlose
den kopf nach unten
die beine nach oben
stürzt er ins bodenlose
dorthin woher er gekommen ist.

er hat keine ehre mehr im leibe
beißt keinen biß mehr in einen imbiß
erwidert keinen gruß
und hält nicht an selbst wenn man ihn anbetet.

den kopf nach unten
die beine nach oben
stürzt er ins bodenlose
dorthin woher er gekommen ist.

wie eine behaarte Schüssel
wie ein vierbeiniger säugestuhl
wie ein tauber echostamm
halb voll halb leer.

den kopf nach unten
die beine nach oben
stürzt er ins bodenlose
dorthin woher er gekommen ist.

1950er Jahre

aus: Hans Arp: Gesammelte Gedichte I. Gedichte 1903–1939. Hrsg. v. Marguerite Arp-Hagenbach. Arche Verlag, Zürich 1963

 

Konnotation

Es schlugen schon immer (mindestens) zwei poetische Herzen in der Brust des sprachverrückten Surrealisten Hans Arp (1886–1966): Das eine schlug im Takt der wortakrobatischen Dynamisierungen, die Arp in seinen „automatischen“ Dichtungen vornahm und die eine turbulente Mixtur aus „altertümlichen Klängen, Jahrmarktslatein, verwirrenden Onomatopoesien und Wortspasmen“ ergab – und das andere folgte der eher konventionellen Rhythmik eines existenzialistischen Sprechens.
In diesem Gedicht aus dem Spätwerk Arps werden die beiden gegensätzlichen Strömungen im turbulenten Wortfluss des Autors vereinigt: Auf eine philosophisch-fatalistische Litanei folgt in der nächsten Strophe wieder eine assoziativ überschießende Folge von Worterfindungen und grotesken Vergleichen. Dass es in allen Werkphasen eine starke lyrische Affinität zum „Bodenlosen“ gab, offenbart der Vergleich mit dem Gedicht „Herr Je das Nichts ist bodenlos“ (vgl. Lyrikkalender vom 19.1.2009).

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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