JOACHIM RINGELNATZ
Bumerang
War einmal ein Bumerang;
War ein Weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum noch stundenlang
Wartete auf Bumerang.
Um 1920
Die so genannte „Reynold’sche Zahl“ war dem Meister-Humoristen und Knittelreim-Künstler Hans Bötticher alias Joachim Ringelnatz (1883–1934) sicherlich unbekannt, als er sein berühmtes Gedicht über den fehlerhaften Flug eines Bumerangs verfasste. Mit dieser ominösen „Reynoldschen Zahl“ hätten sich nämlich ideale Luftströmungsverhältnisse für das Sportgerät berechnen lassen. Es entsteht jedoch ein lakonischer lyrischer Report über das Misslingen.
Das um 1920 entstandene „Bumerang“-Gedicht steht innerhalb eines Zyklus von „Turngedichten“, in dem allerlei groteske Leibesübungen von unterschiedlichsten Helden und Anti-Helden vorgeführt werden. Der „Felgeaufschwung“ und das „Keulenschwingen“ werden hier ebenso heiter und ironisch thematisiert wie der „Fußballwahn“ und der „Ringkampf“. Was dem Bumerang als Wortgestalt und lautlich-rhythmische Fügung im Gedicht gelingt, bleibt ihm in der Fabel des Gedichts versagt: die Wiederkehr.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
Schreibe einen Kommentar