JÖRG FAUSER
Schlecht fürs Geschäft
Ah, heute fehlte mir völlig die Puste
für das Quentchen Wahnsinn,
das bescheidene Maß Rausch
ohne das wir lebendig vereist
und begraben sind,
ich lief rum
sah nichts
fand die Sonne grausig
die Jahreszeit albern
das Bier trist
Bäume gespenstisch, Menschen
mit ihren Gesichtern, ihrem
Geseire schlicht
fatal,
ficken hilft auch nichts,
schreiben ist wie Spuren
ins Spülwasser ritzen,
ein einziger Blick
in die Gegend genügt:
lächerlich, ein
Nirwana
für
Nieten.
1975
aus: Jörg Fauser: Trotzki, Goethe und das Glück. Alexander Verlag, Berlin 2005
Man hat den Schriftsteller Jörg Fauser (1944–1987) zu einem Asphaltdichter stilisiert, der in Nachfolge der amerikanischen Beat-Generation mit seinen Gedichten und Romanen die Ränder der westlichen kapitalistischen Welt ins Zentrum rückt. Damit ging eine Verklärung Fausers einher, die ihn zu einer Ikone des Undergrounds erhob, obwohl der 1987 bei einem rätselhaften Verkehrsunfall gestorbene Fauser selbst eine ganz andere Position bezog, jenseits auratischer Vorstellungen von Autorschaft.
Die Schnoddrigkeit und Melancholie eines gesellschaftlich Depravierten tritt einem in diesem Gedicht entgegen. Wir bewegen uns durch eine sinnentleerte Welt, Mensch und Umgebung sind gleichermaßen beschädigte Figuren in einer gespenstischen Szenerie, aus der es nicht mal einen illusorischen Ausbruch mehr gibt. Kein Rausch ermöglicht einen Ausweg, nicht einmal mehr das Schreiben. Mit einer fortwischenden Geste distanziert sich das Subjekt des Gedichts endgültig davon: Für wen soll man auch schreiben, für Nieten etwa?
Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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