Karl Krolows Gedicht „Kehrreim“

KARL KROLOW

Kehrreim

Du scherzt mit mir und lachst. Du siehst mich an.
Ich hab dich lieb, weil ich nicht anders kann.

Du schweigst, als ob dein Übermut besann
sich nun. – Weil ich nicht anders kann,

antwortest du. Und du umarmst mich dann,
flüsterst, weil ich nicht anders kann,

hab ich dich lieb. Und sagst noch: Mann,
ich lieb dich so. Die Liebe sieht dich an.

1988

aus: Karl Krolow: Gesammelte Gedichte 4. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1997

 

Konnotation

Gedichte zu schreiben, war für Karl Krolow (1915–1999), den Meister aller Gedichtformen, ein Lebenselixier, jeden Tag setzte er sich hin. Er war keiner, der lange auf den Musenkuß warten wollte, sondern ein solider, formbewußter Handwerker, dessen Verse immer auch von leiser Ironie getragen waren. In der Musik wird der Kehrreim Refrain genannt. Krolow nutzt in seinem bezaubernden Liebesgedicht die Wiederholung identischer Zeilen aus dem Kehrreim: so entsteht ein privater Reigen des Liebens und Geliebtwerdens in nur acht Zeilen.
Das hat man selten, daß ein Dichter in so scheinbar leicht dahingesagten Worten ein Ich und ein Du einander ihre Liebe bekunden lässt. Aber die Liebe bleibt doch geheimnisvoll draußen und „sieht dich an“. Als sei die Idee der Liebe, verstanden im ursprünglichen platonischen Sinn, noch etwas anderes als das Sich-Lieben des Paares. Gesprochen wird hier von der fast metaphysischen Unausweichlichkeit des Liebens. Es ist zweifellos ein glückliches, an sich und seiner Liebe festhaltendes Ich, das sich mit Freude seinem Schicksal fügt.

Volker Sielaff (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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