PETER HACKS
Versöhnungschor
Die Hölle ist ein schöner Ort.
Grad wie im Himmel lebt man dort.
Nach heutiger Erkenntnis
Wars nur ein Mißverständnis,
Was bisher uns entzweit.
Nur Laune herrscht und Frieden
Dort oben und hienieden.
Wir sind nicht mehr verschieden.
O brave neue Zeit.
Freundschaft.
Die Hölle ist ein schöner Ort.
Grad wie im Himmel lebt man dort.
nach 1970
aus: Peter Hacks: Hacks Werke in fünfzehn Bänden, Bd. 1 – Die Gedichte. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2003
Es gehörte zu den Lieblingsbeschäftigungen des Dichters und überzeugten Kommunisten Peter Hacks (1927–2003), aus populären Kunstformen und antiken Mythen neue ästhetische Funken zu schlagen. So hat die literarische Lästerzunge Hacks 1995 eine Operette des französischen Komponisten Jacques Offenbach (1819–1880) über „Orpheus in der Unterwelt“ in ein Feuerwerk aus Ironien und Parodien verwandelt.
Was die religiöse Tradition als extremen Gegensatz begreift: die Sphären von Himmel und Hölle, erscheint in Hacks’ Lied in harmonischem Gleichklang. Man darf das als boshafte Sottise gegen die kapitalistische Weltordnung dechiffrieren, die alle Klassengegensätze aufgehoben wähnt. In seiner schönen poetischen Frevelei mokiert sich Hacks über den naiven Jubel angesichts der „braven neuen Zeit“ nach dem Ende des Kommunismus.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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