PETER HÄRTLING
Gedicht mit Mond
Du legst die Hände um den Mond,
damit ich ihn nicht seh.
Wer, frag ich, wer hat wen geschont
und wer tat wann wem weh?
Der Zweifel reißt die Türe auf.
Wer, fragst du, wer wird gehn?
Da weiß ich nun die Antwort drauf:
Ich hab den Mond gesehn.
1960er Jahre
aus: Peter Härtling: Ausgewählte Gedichte 1953–1979. Luchterhand Verlag, Darmstadt/Neuwied 1979
Die romantische Poesie hat den Mond seit je als verlässlichsten Himmelskörper gefeiert: als auratische Erscheinung, begütigendes Gestirn und trostbereiten Hausgenossen. Auch für den Erzähler und Dichter Peter Härtling (geb. 1933) ist der Mond ein sehr vertrauter Partner, der entscheidende Zeichen zu setzen weiß. So entsteht ein liedhaftes, regelmäßig gereimtes Gedicht über das Ende einer Liebe.
Wie das lunatische Zeichen zu deuten ist, das hier vom lyrischen Subjekt empfangen worden ist, lässt sich schwer sagen. Da ist zunächst die Verbergung des Mondes durch ein Du, das gegenüber dem lyrischen Subjekt des Gedichts offenbar auf Distanz gegangen ist. Eine Trennung steht bevor oder ist schon vollzogen; nun bilanziert man die Verletzungen, die nach dem Ende des Einverständnisses zurückgeblieben sind. Am Schluß öffnet sich aber für das Ich des Gedichts eine neue Perspektive – der zuvor durch das Du verdeckte Mond wird sichtbar.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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