PETER HUCHEL
Unter der blanken Hacke des Monds
Unter der blanken Hacke des Monds
werde ich sterben,
ohne das Alphabet der Blitze
gelernt zu haben.
Im Wasserzeichen der Nacht
die Kindheit der Mythen,
nicht zu entziffern.
Unwissend
stürz ich hinab,
zu den Knochen der Füchse geworfen.
1971/72
aus: Peter Huchel: Gedichte, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1989
„Ihre Gedichte sind mir ein Heiligtum geworden“, schrieb im Dezember 1955 ein junger DDR-Schriftsteller an den Lyriker Peter Huchel (1903–1981) – und sprach damit für viele Autoren seiner Generation. Huchel, der Dichter der Naturmagie, wurde berühmt durch seine politische und ästhetische Unbotmäßigkeit als Redakteur der Literaturzeitschrift Sinn und Form. Nach seiner erzwungenen Demission bei Sinn und Form im Sommer 1962 lebte er in seiner kleinen Villa in Wilhelmshorst bei Potsdam acht Jahre lang im inneren Exil.
In den nach 1960 entstandenen Gedichten Huchels finden wir eine Poetik des Verhängnisses, die in die beschworenen Landschaften Zeichen des Unheimlichen einschreibt. Der 1971 aus der DDR Exilierte hält Zwiesprache mit dem Schweigen und entwirft kryptische Diagnosen des Scheiterns. In dem um 1971/72 entstandenen Gedicht „Unter der blanken Hacke des Monds“ ist aus dem Lieblingsbild der Romantik, dem Mond, ein gewalttätiges Zeichen geworden. Der Urtext der Natur ist für das Ich nicht mehr zu entziffern. Was bleibt, ist Todesgewissheit.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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