PETER RÜHMKORF
Einfach werden – radikal
Kompliziert, das war einmal.
Weil,… Subtilität
kaum ein Leser noch versteht.
2005/06
aus: Peter Rühmkorf: Paradiesvogelschiß. Rowohlt:Verlag, Reinbek 2008
In seinem letzten Gedichtband Paradiesvogelschiß (2008) hat der wohl größte ironische Reimkünstler des späten 20. Jahrhunderts, Peter Rühmkorf (1929–2008) einige hundert „Einfallsquanten“ und „Lyriden“ verarbeitet. Dabei handelt es sich nicht um eine Kollektion genial geschliffener Fragmente, sondern eher um die Spruchsammlung eines von der Vergänglichkeit durchdrungenen Dichters, der nicht mehr alles auf die Goldwaage legen möchte. Auch auf die Gefahr hin, „noch ein paar weitere Zentimeter unter Niveau (zu) gehen“, verordnet sich Rühmkorf hier eine Poetik der absoluten Simplizität.
Diese Verheißung lyrischer Schlichtheit gehört indes zu den Finten und Täuschungsmanövern eines Autors, der in seine Volksliedstrophen stets dialektische Volten und auch unbotmäßige politische Pointen einzuschmuggeln vermochte. Gegen Ende seines Lebens erteilt sich der Dichter die Lizenz, den Triumph der Kunst über zunehmend widrige Lebensumstände in kalauernder Heiterkeit zu zelebrieren.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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