RICHARD LEISING
Vom schnellen Mann
Karl Kahn weg.
Geschwinder Mann und
Sonstwo. Er ist
Nirgends, also kann
Kahn nicht gegangen sein, aber
Er ist doch weg
Gegangen, denn seht
Ihr unter euch noch K. Kahn?
Nein, nicht hier, ja
Die schnellen Männer. Wohin
Kann ein Karl K. Schon
Hin gehen? der kann
Nur fort gehen euch, ruft
Nicht. Er ist euch
1980er Jahre
aus: Richard Leising: Gebrochen deutsch. Langewiesche-Brandt, Ebenhausen 1990
In dreißig Jahren literarischer Produktion hat der Dichter Richard Leising (1934–1997), ein Arbeitersohn aus Chemnitz, kaum mehr als vierzig Gedichte geschrieben. An verschiedenen Orten in der DDR hatte er sich in Theaterarbeit versucht und lange an seiner Hoffnung auf die Weiterentwicklung des Sozialismus festgehalten. Aber sein Land interessierte sich nicht für seine Ideen, so blieb er enttäuscht zurück mit einem „Herzen voll / Fröhlicher Kälte“. Erst nach dem Ende der DDR konnte er 1990 einen ersten eigenständigen Gedichtband veröffentlichen.
Bereits das erste Gedicht in Gebrochen deutsch (1990) handelt vom unwiderruflichen Verschwinden eines „schnellen Mannes“. Leising, der im Land geblieben, aber dort vollkommen isoliert war, spricht aus der Perspektive eines anonymen „Wir“ über einen Weggegangenen. Die lakonisch verschränkten Verse enden mit einer desillusionierenden Pointe: Denn wieder hat sich ein Mensch aus dem Kollektiv verabschiedet und sich fürs Fortgehen entschieden, er ist „hin“ für jede Art von Utopie.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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