ROR WOLF
vorstellung der beteiligten
waldmann tritt heraus aus dem kontor
und er stellt uns die personen vor.
rechts, am rande, sehen wir den scheich.
seine hand ist weich, der scheich ist reich.
neben ihm, die hand am telefon,
nummer zwei: wir sehen den baron.
nummer drei, der graf, bei dem man sieht,
daß er schläft, der graf, er rührt kein glied.
neben ihm, direkt an dem klavier,
der direktor, spielend, nummer vier.
links die gräfin, fünftens, lang und schlank,
sechstens die baronin, und im schrank
steht der fremde, siebtens, schwarz maskiert.
waldmann hat das alles arrangiert.
waldmann stellt sich nun noch in die mitte.
das sind die personen, sagt er: bitte.
nach 1970
aus: Ror Wolf: Aussichten auf neue Erlebnisse. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt a.M. 1996
Das erste Buch, das den fintenreichen Geschichtenerzähler, Collagisten und Dichter Ror Wolf (geb. 1932) fasziniert und geprägt hat, waren die boshaften Bildergeschichten von Wilhelm Busch (1832–1908). Wie Busch selbst mutet auch Wolf seinen Figuren allerlei kuriose Heimsuchungen, tragikomische Niederlagen und unerwartete Schicksalswendungen zu. Einer der standhaftesten Anti-Helden Wolfs ist „Hans Waldmann“, dem der Autor über dreißig Jahre lang in insgesamt vier großen lyrischen Zyklen gefolgt ist.
Die fantastischen Abenteuer, die Hans Waldmann zu bestehen hat, haben eine komische und eine makaber-grauenvolle Seite. In den lyrischen Waldmann-Anekdoten, die in den 1970er Jahren entstanden und in klassische Reime eingebunden sind, überwiegen wie im vorliegenden Gedicht die Nonsens-Anteile. In Pfeifers Reisen (2007), dem jüngsten Gedichtband Ror Wolfs, dominiert dagegen die Schwermut.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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