SILKE SCHEUERMANN
Nicht im Zoo
Wann war das als der Leopard in mein Leben
trat Oder anders gefragt wann sah ich ihn
erstmals da stehen
sich strecken und zack
dem Löwen zuwinken
der nicht weit entfernt an die Siedlung der
Hochhäuser
lehnt Das Gesicht in der Sonne und wissend
wie schnell er war wie vollkommen
neu Herr dieser Landschaft
Kommt mir wie gestern vor als ich zu zählen
begann
Zack
zack
zack
aus: Das Gedicht. Heft 14. Hrsg. von Anton G. Leitner, Weßling bei München 2006
Dem Löwengebrüll der Jungmänner, die sich in Vorstadtsiedlungen mit kraftmeierischen Posen in Szene setzen und dort ihre Unwiderstehlichkeit zur Geltung bringen wollen, hat die 1973 geborene Dichterin Silke Scheuermann eine heitere lyrische Reminiszenz gewidmet. Hier zeigt sich die Dichterin, die man als eine zarte Wiedergängerin der großen Ingeborg Bachmann beschrieben hat, einmal von einer anderen, einer komischen Seite.
Wenn der Leopard und der Löwe hier nach Art einer Tierparabel als Konkurrenten auftreten, dann geht es auch um erotische Rivalität: Denn beide buhlen offenbar um die Gunst einer Schönen, die hier als lyrisches Subjekt auftritt. Die Zeit der Pubertät war die Zeit der schnellen Blicke und schlichten Mythologien, in der man den Problemen der Lebenswelt mit einfachen Lösungen beikommen wollte: „Zack zack“.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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