Wilhelm Busch’ Gedicht „Bös und Gut“

WILHELM BUSCH

Bös und Gut

Wie kam ich nur aus jenem Frieden
Ins Weltgetös?
Was einst vereint, hat sich geschieden,
Und das ist bös.

Nun bin ich nicht geneigt zum Geben,
Nun heißt es: Nimm!
Ja, ich muß töten, um zu leben,
Und das ist schlimm.

Doch eine Sehnsucht blieb zurücke,
Die niemals ruht.
Sie zieht mich heim zum alten Glücke,
Und das ist gut.

um 1900

 

Konnotation

Es gibt neben Wilhelm Busch (1832–1908) kaum einen Autor im Vorfeld der literarischen Moderne, der mit so finsterer Desillusionierungskunst eine Chronik der wölfischen Natur des Menschen angelegt hat. Der Mensch, so kann man den Bildergeschichten und Gedichten Buschs entnehmen, ist ein unverbesserliches, asoziales und grausames Wesen, das sich allenfalls dann korrigiert, wenn es um die Verfeinerung der eigenen Gemeinheit geht.
Im nachgelassenen Band Schein und Sein (1909), der die nach 1899 entstandenen Gedichte Buschs versammelt, hat der Dichter anthropologische Reflexionen untergebracht. Aus der friedlichen Urmaterie und dem Ungeschiedenen heraus, so suggeriert das Gedicht, gerät der Mensch hier ins „Weltgetös“, in dem sich die Individualitäten und Partikularinteressen im blutigen Schlagabtausch gegenübertreten. Am Ende steht der Regressionswunsch des Menschen – die Sehnsucht nach einer Heimkehr ins Ur-Eine.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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