– Zu Luis Lunas Gedicht „Der Regen ersticht die Dächer. …“ aus Luis Luna: Unwetter. –
LUIS LUNA
Der Regen ersticht die Dächer. Zwischen den Gitterstäben eine Brut Sperlinge. Man hört das Zwitschern der Vögel durch den Regen hindurch. Rundum droht der Asbest einzustürzen oder bloßgelegt zu werden. Die Vögel suchen noch immer Unterschlupf in sich langsam bewegenden Gliedern. Die Aussicht auf diese Begegnung, auf die Vorstellung, am Türrahmen zu lehnen oder am weichen Lehm des Hauses, das du anschaust. Du weißt, sein zersplittertes Holz ist die Seele derer, die sich hinlegen und dem Wiegenlied der Tiere lauschen.
setzt seine Leserschaft in sechzig knappen Miniaturen lyrischer Prosa an die Luft, genauer: ins Unwetter. Seine deutsche Übersetzerin Odile Kennel merkt an, dass Intemperie nicht nur Unwetter, sondern auch Unbilden und Obdachlosigkeit bezeichnet. Angelegt sind diese Texte als Selbstgespräche, die zugleich Wahrnehmungen zur Sprache bringen und darin eine Selbstverständigung der lyrischen Stimme unternehmen:
In die Asche schreibst du die Silben des Namens. Und in deinem Inneren wird er sehr laut ausgesprochen. Damit niemand ihn dir entreißt.
Surrealistisch anmutende Metaphern, die häufig aus Naturbeobachtungen gewonnen sind, wechseln mit Reflexionen, die häufig eine metaphysische Rhetorik verwenden, wie sie der Expressionismus liebte.
Der 1975 in Madrid geborene Luis Luna inszeniert die Wanderungen eines Hobo Pilgrims, eines unbehausten und ruhelosen Subjekts:
Die Schatten bilden dann die Dialektik der Abwesenden. Ein leeres Haus, ein stehengebliebener Wecker, Fensterfronten mit Zeitungspapier oder sehr weißer Farbe bedeckt.
Immer wieder trifft dieses sich in der Sprache raumschaffende Subjekt auf unüberwindliche Dinge und Elemente – wie Stacheldraht, Glas- oder Kristallsplitter, Wände, aber auch allerlei Unbilden der Sprache selbst:
Du lauschst der Betäubung des bestochenen Verbs.
Luis Luna, der sich als Romanist und Dozent an der Escuela de Escritores mit Grenzen, Vertreibung und Exil in der Literatur beschäftigt, erzeugt in diesen lyrisch-erzählenden Miniaturen Spuren einer existenziellen und materiellen Suchbewegung, die gelegentlich verzweifelt, oft melancholisch Obdach bei unmittelbaren Wahrnehmungen findet.
Paul-Henri Campbell, Volltext, Heft 2, 2021
Schreibe einen Kommentar