– Zu Luís Filipe Castro Mendes’ Gedicht „Rückkehr“ aus Luís Filipe Castro Mendes: Fremde Nähe. –
LUIÍS FILIPE CASTRO MENDES
Rückkehr
Zurückkehren zur Dichtung, jenem engen Pfad
zwischen der Einsamkeit und dem Leben
jenem Garten wo die Blumen
in ihr eigenes Inneres wachsen
jener Bestimmung ohne Ort auf dem Atlas.
Zurückkehren zur Dichtung weil unterdessen
sonst nichts gedieh
weder Wörter noch Dinge.
Im Schrecken der Zeiten errieten wir Versprechen
und gingen weiter als gäbe es einen Weg.
Zurückkehren zur Dichtung dieser Ferne ohne Ziel
zurückkehren zur Dichtung um weiter weg zu sein
von dem was ich bin.
scheint allerorts eine mondäne Angelegenheit zu sein, denn zahlreiche Konsulare, Botschafter und Attachés geben sich in den Stunden, da sie von den Anforderungen der vita activa verschont bleiben, der Poesie hin: Botschafter George Seferis, Kulturattaché Czesław Miłosz, der Vize-Konsul Paul Claudel, Foreign Secretary Sir John Weston oder der gelangweilte Gouverneur von Kilikien namens Marcus Tullius Cicero (etc.) – sie alle hinterließen durchaus mehr als gedrechselte Redensarten. Wenn nun beispielsweise der 1950 geborene Dichter Castro Mendes etwa ein Gedicht mit „Wir bitten um Entschuldigung für das Römische Reich“ überschreibt, so spiegelt sich darin nicht der arrogante Sarkasmus eines eurozentrischen Stubengelehrten, sondern bricht sich darin die unmittelbare Erfahrung des Dichters etwa mit dem Prozess der Dekolonialisierung Angolas, wo der junge Staatsbeamte 1975 in der Hauptstadt Luanda seinen ersten Posten antreten sollte, in dem Jahr also, da das südwestafrikanische Land seine Unabhängigkeit von Portugal ausrief. Die von Ilse Pollack zusammengestellte und übersetzte Werkauswahl seiner Gedichte versammelt nicht nur Mendes-Themen wie Dekolonialisierung, sondern auch das typisch für die Nachkriegsepoche virulente Verhältnis von Stadt und Land, Fernweh und Heimweh, Globalisierung, die hohlen Regeln des Protokolls, Generationenkonflikte, Systemkritik (nicht nur kapitalistische), Innen- und Außenperspektiven auf Portugal. Gleichwohl ist in diesem Gedicht hier die Poesie als Achse, Fluchtpunkt und Eskapismus ins Spiel gebracht: „dieser Ferne ohne Ziel.“
Paul-Henri Campbell, Volltext, Heft 3, 2020
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