Literatur dagegen!

(Augenblick …) 

… Malerei, Photographie, Film, Fernsehen, Video, Polaroid – indem das Bild seine Abbildungsfunktion mit Bezug auf die dargestellte Wirklichkeit zeitlich und räumlich immer mehr (und bis zur Fixierung des Augenblicks, bis zu seiner Identifikation mit dem »Leben«) perfektioniert, wird es zur Armatur der Unsterblichkeit.

Literatur dagegen! Die trampelt nicht am Ort, wartet das Ereignis nicht ab, um es als Erlebnis widerzuspiegeln; sie selber inszeniert, was gespielt werden soll. Literatur wird nicht dem Leben nachgeschrieben, sie schreibt vielmehr das Leben vor, ist Lebensentwurf; mithin die Dramaturgie meines Sterbens. Fuge auf den Tod zu.

Denn darstellbar ist der Tod – der eigene – nur als Utopie; als Vorwegnahme eines Unorts, nie als Widerspiegelung …

(… verweile doch!) 

(zur Erinnerung an jene Fernsehsprecherin, die während einer Nachrichtensendung ihren eigenen Tod ansagte und unmittelbar danach – »im Angesicht« ihres Millionenpublikums – sich mit einem Kopfschuß das Leben nahm)

 

aus: Felix Philipp Ingold: Haupts Werk Das Leben
Ein Koordinatenbuch vom vorläufig letzten bis zum ersten Kapitel.

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