Bewußt

Adorno weiß tatsächlich alles besser, und tatsächlich hat er in fast allem recht. Aber er weiß, was er weiß, bevor er’s schreibt; das heißt … bei ihm ist Wissen, als Gewußtes, dem Schreiben vorgeordnet, ist also Gegenstand, nicht Ziel des Schreibens. Adorno, so kommt es mir vor, geht schreiben so wie heutige Touristen auf Reisen gehn, das heißt … er kennt sein Ziel, ehe er es erreicht. Wohl deshalb bin ich als Leser Adornos so selten überrascht. Sein Text ist lehrreich, weil er mich belehrt, und nicht weil ich daraus etwas lernen könnte. Warum … wozu aber sollte ich lesen, was ich ohnehin verstehen kann.

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»Die Hotelhalle« von Kracauer, in der Ernst Blochs »Spuren« sich zur Acht verschlaufen, ist mir als Terrain für mein Spekulieren lieber; da sind Ausrutscher, jähe Einsichten unvermeidlich.
Adornos Intelligenz hat ihre eigene unverwechselbare Schönheit, sie macht blind und dumm wie jeder Glanz; wie keine Kraft.

 

aus: Felix Philipp Ingold: Freie Hand
Ein Vademecum durch kritische, poetische und private Wälder

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