Konrad Bayer: Sämtliche Werke – Band 1

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Konrad Bayer: Sämtliche Werke – Band 1

Bayer: Sämtliche Werke – Band 1

KURZE BESCHREIBUNG DER WELT

es gibt aachen
es gibt aale
es gibt aas
es gibt ab
es gibt abarten
es gibt abbalgen
es gibt abbau
es gibt abbeissen
es gibt abbilder
es gibt abblasen
es gibt abblühen
es gibt abbruch
es gibt abdecker
es gibt abende
es gibt abendzeitungen
es gibt aber
es gibt aberglauben
es gibt abermals
es gibt abfall
es gibt abfluss
u.s.w
bis zuzeln, das es natürlich auch gibt

 

 

 

vorwort

1951/52 lernte ich konrad bayer durch h.c. artmann kennen. wir trafen uns damals in grösseren, lockeren gruppen, so dass ein neues gesicht nicht unbedingt auffiel. ich erinnere mich, dass bayer, der sich betont modisch elegant kleidete und sich etwas distanziert gab, auf mich dandyhaft wirkte – was mir nicht sehr zusagte. vielleicht unter dem einfluss, sicher aber unter der ermunterung h.c. artmanns begann er seine ersten gedichte und kurzen prosastücke zu schreiben. artmann, der ausgesprochen von der schwarzen romantik und vom surrealismus herkam, mussten diese texte mehr liegen als mir. ich hatte zwar für den konsequenten surrealismus als einer spezifischen möglichkeit zu schreiben starkes interesse, bezog aber meine ersten literarischen einflüsse eher vom sturmexpressionismus, vor allem von stramm und schwitters, sowie von joyce und gertrude stein – also mehr von einer konstruktiven seite her. namen, die auch unter literaten noch so gut wie unbekannt waren und unter den wenigen etwas informierteren als „längst abgetan“, als von uns „aus der mottenkiste gekramt“ galten. unsere hauptsächlichsten informationsquellen waren soergels in den zwanziger jahren erschienener band dichtung und dichter der zeit – im banne des expressionismus, den in schon ziemlich zerfleddertem zustand h.c. artmann besass, die anthologie der abseitigen, herausgegeben von c. giedion-welcker (bern 1946), alain bosquets surrealismus (berlin 1950), die 1950 in klagenfurt von max hölzer und edgar jene herausgegebenen surrealistischen publikationen und die österreichische kunstzeitschrift der plan. jede zeile des radikalen literarischen expressionismus, surrealismus und dadaismus wurde damals unter uns gierig herumgereicht – es war schwer zugängliches material.
ein buch über max ernst, das ich zuhause hatte, gab auch den anlass zu unserer ersten bewussten begegnung. max ernst begeisterte bayer besonders. so verbrachten wir zum ersten mal miteinander „privat“ einen ganzen nachmittag und abend. traf man ihn allein, wirkte er ganz anders: unmittelbar, unprätentiös und herzlich. im laufe „grundlegender“ gespräche (andere wurden zu dieser zeit kaum geführt) stellten wir fest, dass wir uns ausgezeichnet verstanden. wir wurden freunde.
allabendlicher treffpunkt war der vom artclub gemietete sogenannte strohkoffer, ein mehrteiliger kellerraum unter der loosbar in der nähe des grabens. neben ausstellungen gab es hier auch lesungen und konzerte moderner musik. der artclub (präsident paris von gütersloh) vereinigte avantgardistische maler aller richtungen (sie waren damals noch so spärlich vertreten, verspottet und angefeindet, dass sie zusammenhalten mussten), sehr bald aber auch gleichgesinnte dichter und komponisten. der artclub war sicher die einzige international bedeutende wiener künstlervereinigung der nachkriegszeit (ich erinnere mich an besuche cocteaus und benjamin brittens) – ein grund, in österreich als gemeingefährlich angesehen zu werden.
am 22.8.1953 organisierte h.c. artmann, der eine markante wortführende stelle einnahm, als „poetischen act“ eine prozession, an der sich auch konrad bayer beteiligte (une soirée aux amants funèbres). einer vorangetragenen grablaterne folgen weissgeschminkt die schwarz gekleideten herren mit grabkränzen und ihren verschleierten damen. räucherwerk verbrennt und an den markantesten stellen der prozession (goethedenkmal – oper – kärntnerstrasse – stephansplatz – rotenturmstrasse – café stambul – uraniabrücke – franzensbrücke – hauptallee – prater: illusionsbahn) wird in den originalsprachen aus den werken von baudelaire, poe, gérard du nerval, georg trakl und ramón gómez de la serna deklamiert. auf dem weg von der urania zur kärtnerstrasse kam es durch das stark angewachsene gefolge zu einer verkehrsstörung und die beteiligten landeten schliesslich im strohkoffer. bezeichnend an dieser ersten manifestation war die weitgehende gleichsetzung des makabren mit dem poetischen (die im grunde sehr wienerisch ist), der protest gegen das konventionelle, anonyme, der sich jedoch weniger durch eine aggression nach aussen, als mehr durch ein dokumentiertes, subjektiv bedingtes anders-, eigensein ausdrückte, provoziert durch das belastende ärgernis, das man damals schon durch die kleinste abweichung vom üblichen hervorrief.
in einem weiträumigen, labyrinthischen keller, den artmann gefunden hatte (im ersten bezirk in der ballgasse 10), wollten wir uns ein avantgardetheater einrichten. günstigerweise war der keller durch ein grosses, halbverschimmeltes holztor unmittelbar von der strasse erreichbar. zuerst mussten allerdings noch berge von schutt und abfall weggeschafft werden. licht gab es keines, aber viel begeisterung. mit unseren kerzen und taschenlampen entdeckten wir, dass es noch tiefer hinunterging: unter unserem theater lagen die historischen katakomben. wir veranstalteten hier lesungen, konzerte und theateraufführungen, an deren regie auch konrad bayer beteiligt war. besonders in erinnerung blieb mir unser pompös makabres fest zu ehren der französischen revolution, wo in jakobinerkleidung mittels einer eigens auf der bühne installierten guillotine imaginäre hinrichtungen vorgenommen wurden (bei den postulierten opfern gerieten wir allerdings rasch in die gegenwart). die new orleans-band walter terharens (auch bekannt unter dem namen jazzband jesus christbaum) spielte dazu auf – oswald wiener als begeisterter jazztrompeter war bereits dabei. aus angeblich baupolizeilichen gründen musste der keller bald wieder aufgegeben werden. neuer treffpunkt wurde nun das café glory (schräg gegenüber der universität). der artclub war im winter 1952/53 vom strohkoffer in die oberen räume des wesentlich stilleren domcafés in der singerstrasse übersiedelt. im glory begann eine literarisch sehr anregende periode, in der sich unsere beziehungen auf einen kleineren kreis konzentrierten, aber auch festigten und formten. hier stiess auch friedrich achleitner zu uns, oswald wiener rückte seine ersten gedichte heraus, brachte rasch weitere, als er sich überzeugte, wie sehr sie bei uns anklang fanden. fast jeden abend brachte einer von uns etwas neues. hier entstanden auch unsere ersten wiener dialektgedichte, in denen wir den dialekt für die moderne dichtung entdeckten und der „inventionismus“ wurde entwickelt, eine art systematisierung der alogischen begriffsfolgen des radikalen surrealismus – wie des von uns besonders verehrten benjamin péret. möglichst dissoziierte begriffsgruppen werden von einer arithmetischen reihe (am beliebtesten war die des goldenen schnitts) permutativ geordnet. das sprachliche material sollte auf diese weise aus dem kausalen begriffszusammenhang in eine art semantischen schwebezustand gebracht werden, auf „mechanischem“ wege überraschende wortfolgen und bilder erzeugen. „die tänzer trommeln und springen“, „der kutscher sitzt auf dem tanzmeister“ „mit einem schwert aus reinem crystall“, sowie „balsader binsam“ und „der neunertz specken klaster“ (wo die methode statt auf wörter auf silben angewandt ist) sind die beiträge konrad bayers zum inventioinismus.
am 13. dezember 1954 konstituierten wir uns als club unter dem namen exil, der auf unsere isolation in wien anspielte. wir mieteten für unsere zusammenkünfte und veranstaltungen die adebar in der annagasse, einer querstrasse der kärntnerstrasse. der kreis war jetzt wieder grösser geworden: er umfasste dichter, maler und komponisten – dazu kamen noch architekten und filmavantgardisten. der enge kontakt, den die progressiven vertreter der verschiedenen künste zueinander hatten, wirkte sich fruchtbar aus und war für unseren wiener kreis spezifisch. 1956 entstanden die ersten gemeinschaftsarbeiten. artmann stöberte in seinen grammatiken herum (wörterbücher und fremdsprachige grammatiken waren damals seine lieblingslektüre), kramte ein lehrbuch der böhmischen sprache von terebelski aus dem jahre 1853 hervor, in dem sich eine sammlung einfacher sätze fand, die dem durch den inventionsmus geschulten blick in ihrer willkürlichen aneinanderreihung als poetische verfremdungen auffallen mussten. artmann und bayer begannen die reihung in diesem sinne zu spezifizieren, wählten aus, gruppierten um – die erste „montage“ war fertig. bei der nächsten zusammenkunft in artmanns enger aber inspirativer bude in der kienmayergasse beteiligte ich mich an der weiteren ausbeutung des buches. die entdeckerfreude feuerte uns zu weiteren montagen an. es lag nahe, andere bücher und sonstige schriftliche dokumente zu verwenden, auch verschiedene gleichzeitig. schon die auswahl des materials, das einer montage zugrunde gelegt werden sollte, war erregend und für das poetische endprodukt natürlich von essentieller bedeutung. auswahl und ordnung, die sensibilität, die sich in dem spannungsverhältnis benachbarter sätze erweist, machen die qualität dieser art von dichtung aus. jeder brachte geeignetes material an (bevorzugt waren anfangs ältere konversationsbücher), wir spielten uns aufeinander ein, warfen uns die sätze wie bälle zu. wenn daneben auch jeder für sich den erschlossenen möglichkeiten weiter nachging, war gerade die montage eine technik, die eine gemeinschaftsarbeit besonders begünstigte. da wir manchmal – auch voneinander unabhängig – dasselbe material nochmals verwendeten, kommt es vor, dass in verschiedenen texten gleiche sätze auftauchen. wir kamen schliesslich zur „montage über die montage“, die wir als monteure gekleidet in einer werkshalle verlesen wollten. nicht zuletzt aus diesen „poetischen gesellschaftsspielen“ (artmann, bayer und ich machten auch einen gemeinschaftstext nach einer vorher vereinbarten spielregel: „stern zu stern“) entwickelte sich schliesslich eine bewusste gemeinsame auseinandersetzung mit dem material sprache überhaupt, wie sie achleitner, bayer, wiener und ich in sitzungen intensiv betrieben. für bayer blieb die montage eine bestimmende technik. zu einem höhepunkt brachte er sie wohl mit seinem „vitus bering“. aber auch „der sechste sinn“ ist in seiner formalen anlage durch diese technik bestimmt. am 20. juni 1957 manifestierten wir unsere gemeinsamen bestrebungen und damit uns als „gruppe“ in einer monsterlesung im intimen theater, wien I. liliengasse 3. achleitner, artmann, bayer, rühm, wiener. das plakat trug unter unseren namen nur den schlichten titel dichtung. wir brachten einen querschnitt durch unsere bisherige arbeit – einzel- und simultanlesungen, tonbänder und projektionen visueller texte −, bis wir durch den nicht mehr zu überhörenden „eintritt“ der sperrstunde zu einem ende kommen mussten. im zuschauerraum gärte es und es war mehrmals nahe an einer schlägerei.
in diese zeit fällt auch unser „flagellomechanisches manifest“: an öffentlichen plätzen werden mit bleikugelschnüren texte aus einer schreibmaschine gepeitscht, die einzelnen blätter abgestempelt an die umstehenden verkauft; den presseleuten werden in puppengeschirr kaffee und kuchenbrösel gereicht.
1957 entstand ein grosser teil unserer (kleineren) co-arbeiten (bayer-rühm): „kosmologie“, „der fliegende holländer“ (publiziert in movens, limesverlag), ein kriminalstück (die kurzen stücke wurden uraufgeführt von der wiener kellerbühne die arche 1963), „erstes märchen für erwachsene“, „aller anfang ist schwer – ein utopischer roman“, „kyselack“; gemeinsam mit achleitner und wiener: „schwurfinger – ein lustiges stück“. bayer und ich wollten uns einen stempel anfertigen lassen (aus geldgründen wurde seine ausführung immer wieder vertagt), der jedes cowerk mit der aufschrift versehen sollte:

konrad bayer & gerhard rühm
stets meisterwerke!
das literarische wunderteam

auch 1958 war ein jahr engster zusammenarbeit. mit achleitner und wiener wurde in zwei nächten die „kinderoper“ gekotzt, wiener und bayer machten miteinander „kristus, ein rauschkind“, wiener und ich das „fenster“ und das aggressive bilderbuch „kind und welt“, bayer und ich unter äthereinfluss „die mustersternwarte“, alle vier (artmann hatte sich nach seinem überraschenden schwoazzn dintn-erfolg von uns etwas entfernt) steuerten gemeinsam oder jeder für sich material für unser „literarisches cabaret“ bei. natürlich hatte es mit einem üblichen cabaret nicht viel zu tun, wäre diese bezeichnung schon bekannt gewesen, hätten wir es „happening“ nennen können. das programm wurde so umfangreich, dass wir es nicht zu ende bringen konnten. durch den starken besuch und das echo ermutigt, entschlossen wir uns anfang 1959 zu einem zweiten abend in grossem rahmen (porrhaus), der neben den restlichen nummern wieder so viele neue enthielt, dass auch dieser abend zu gewaltsamen kürzungen führte – nicht zuletzt durch die polizei, die um uns sehr besorgt war. es gab noch einige planungen. so wollte konrad bayer als dirigent von singvögeln auftreten und einen geldschein ausstellen, der – dadurch kunstwerk – entsprechend teurer verkauft werden sollte. er entwarf eine konrad-bayer-zeitung, die nur eigene texte und privatfotos enthalten sollte. wir wollten unsere gedichte öffentlich plakatieren. diese projekte scheiterten an geldmangel. auf grund unseres literarischen cabaret-erfolges interessierte sich eine österreichische schallplattenfirma für eine „funktionelle schallplatte“, gleichsam ein akustisches cabaret (in unserm sinne), für die wir ein detailliertes programm entwarfen. das interesse schlief aber wieder ein.
deutlich blieb mir ein gemeinsamer besuch des hernalser friedhofs, ende september 1959, anlässlich des begräbnisses josef matthias hauers in erinnerung. keine offizielle persönlichkeit war zu ehren dieses grossen zwölftonmusikers gekommen. es war derselbe friedhof, in dem ich an einem gleich wunderbaren herbstnachmittag nur fünf jahre später hinter dem sarg konrad bayers gehen sollte.
unser stammcafé (wir sind in wien!) war seit anfang 56 das hawelka in der dorotheergasse beim graben geworden. aber meist trafen wir uns jetzt daheim. ansonsten hatte sich an unserer situation nicht viel geändert. trotz eines gewissen echos (vor allem auf unsere beiden cabarets) wurde uns immer beklemmender unsere isolation und die hoffnungslosigkeit unserer lage in österreich bewusst. von einigen wenigen abdrucken in zeitschriften und anthologien abgesehen, häufen sich unsere unpublizierten manuskripte in der schublade. offiziell stehen wir auf der schwarzen liste. wir sind störenfriede. man lässt uns keine chance, will von uns nichts wissen. mit finanzieller unterstützung von gerhard lampersberg versuchte bayer ein eigenes organ herauszubringen. von der zeitschrift edition 62 erschienen aber nur zwei nummern. die sonst üblichen staatlichen zuschüsse gab es für uns nicht. jede veranstaltung wurde in der presse von einem hohngejaule begleitet, in graz nannte uns eine zeitung sinnigerweise „entartmänner“. wir hatten zwar internationale kontakte, sassen aber eben doch noch in wien fest. nur artmann hatte österreich bereits verlassen. auch konrad bayers bemächtigte sich eine gewisse unruhe. aus den zweifeln, wiener ressentiments und der angestauten verbitterung entluden sich texte wie „idiot“, „17. jänner 1962“, „kasperl am elektrischen stuhl“ und unsere umfangreichste co-arbeit, die monsteroperette „der schweissfuss“ (1959-62). oder sein folgendes pamphlet:

situation der österreichischen literatur der gegenwart.

entgegen, trotz einer reihe, vieler, ungeleugneter widerstände, umstände, ungünste, missverständnisse, hindernisse, wie sie wollen, gibt es für, hat die junge österreichische literatur, österreichische literatur der gegenwart (die nichtssagende kategorie entsteht nun zu aller ärger aus vorbestimmtem titel und jetzt liegt er da, der bleiche spulwurm, dem sonnenlicht der bedeutung vorenthalten, hilflos am boden…) seit einiger zeit, zerplatzen der naturgeschützten nachkriegsschreiber, jahren, eine chance, günstige gelegenheit.
ungestört zeigt sie sich, die, in einem unkontrollierten zustand wuchernder pubertät.
das alter (lebende heroen sind hier unbekannt) nimmt an dieser vegetation nützlich keinen anteil oder hat sich soweit als unzuständig erklärt, gezeigt, erwiesen, dass kritik, korrektur, einfluss sich nicht ereignet oder dort, weit draussen, kaum sichtbar, in der perspektive verschwunden, an der sache, dem phänomen vorbeigeht, vorbeiging. eins, zwei, rechts, links.
in diesem erfrischenden klima mangelnder interpretation wächst sie, die, im fruchtwasser der sie umgebenden interesselosigkeit ungestört, wie gesagt, heran, die kräftige spätgeburt, 5 kilo 80, der kleine!
nebenan ist das mistbeet des schlechtverdauten surrealismus; – die musterschüler von kalkvater grillparzer wohnen im gartenhäuschen.

andererseits fühlte er sich doch an wien mentalitätsgebunden, stellt eine „vaterländische liste“ auf:

bayers vaterländische liste

paracelsus                                schönberg                     schiele
wittgenstein                            webern                          klimt
sigmund freud                         hauer                              hundertwasser
kafka                                          mozart                          hausner
nestroy                                      schubert                       rueland frueauf
stifter                                         joseph haydn
karl kraus
walter von der vogelweide
oswald von wolkenstein
dr. serner
raimund
trakl
ehrenstein
musil
martin buber
h.c. artmann
oswald wiener
gerhard rühm
gütersloh
herzmanofsky
raoul hausmann                                                              josef hoffmann
ulrich von lichtenstein                                                 otto wagner
johann beer                                                                      lukas hildebrandt
dietmar v. aist                                                                 prandtauer
der kürenberger
                                                             fischer v. erlach

wir schlossen uns noch hermetischer zusammen. gemeinsam mit oswald wiener begründeten wir die tikletie, über die wir uns aber weder öffentlich noch freunden und unseren frauen gegenüber zu äussern beschlossen – sie sollte für unsere weiteren handlungen bedeutsam werden. 1962 erscheint in der dead language press, paris, die gemeinschafsarbeit mit oswald wiener: starker toback. konrad bayer – nach aussen ein hastiger konsument („wenn du das heilige verzehrst, hast du’s zum eigenen gemacht! verdaue die hostie und du bist sie los!“ stirner, der einzige und sein eigentum), zog sich immer mehr in sich zurück. er zweifelte mehr und mehr an einer kommunikationsmöglichkeit überhaupt, stellte die sprache als brauchbaren vermittler in frage: sie eigne sich bestenfalls für insichbezogene dichtung – sei dichtung. die welt – mein traum. der einzelne ist isoliert, gefangen in seiner subjektiven gedankenwelt. jedes gespräch ist ein monolog, man kann sich nicht verständlich machen (siehe sein prosastück „von nun an“). stirner bis zum solipsismus („ich gebe zu, franz ist gott“). so entwarf er einen „einmannstaat“, für sich, flüchtig auf einem notizblatt:

EINMANNSTAAT (besprechung mit völkerrechtler)
ich sitze und nähe meine fahne. ich habe erkannt, dass ich ja letztenendes
(sich deklarieren, kann ich das, geheim, exilregierung.)
glaubenskrieg, für eine überzeugung, ein ideal kämpfen, sollte
keine frage der quantität sondern der qualität sein. also auch immer gegen alle.
revolte des einzelnen, legalisiert, staat.
durchzugsgebiet (wie durch belgien).
bei bewaffnetem widerstand entsprechende gegenmassnahmen.
die ganze welt ist durchzugsgebiet. auf der suche nach lebensraum?
nein, glaubenskrieg
(…), kampf für ideal. wenn einer erkennt,
dass er gegen alle steht, müsste er sich dann nicht aufmachen und es tun
erschiessung der freunde!! (nicht nur feinde, gibt zu wenig her)
im kriegszustand (recht des kaperns)
alle privilegien nimmt sich jeder staat im kriegszustand.
kriegserklärung an alle länder der erde.
tritt er an öffentlichkeit 1 x ?
seine argumentation gegen versuchende anhänger: keine partei der
man beitreten kann, sondern so etwas ähnliches wie ein volk.
requirierung
plünderung?
vergewaltigung?
daten: genaue zeit-ortsbestimmungen
rhythmen: gerüche, geschmack (essen), tasten
wiederholungen (listig einschmuggeln)
dürfte
(…) eine stadt in die luft sprengen

dazu im gegensatz hatte er ein starkes mitteilungsbedürfnis und zeigte sich seinen engsten freunden stets verbunden. er hatte zutiefst den traum einer „idealen“ welt (sonnenstaat), da sie aber nicht zu verwirklichen ist, rief er ihre vermeintliche antithese aus. doch in der negation blieb er fixiert an das negierte, sonst hätte er sie nicht so heftig geäussert. er versuchte durch ohrfeigen reaktionen zu provozieren – warum hätten ihn sonst noch häresien beschäftigt? seine skepsis quälte ihn und sie steigerte sich. aber es gibt nicht die schönheit, die reinheit, den sinn, daher auch nicht ihre negation. es gibt nichts absolutes. wert ist eine menschliche, das heisst soziale kategorie, relativ, gesetzt (vereinbart) und daher stets neu zu setzen, zu vereinbaren. wir diskutierten oft über diese probleme. wenn unsere möglichkeiten schon beschränkt sind, wo liegen ihre grenzen? er experimentierte, auch mit sich, mit seinem körper. seine wünsche waren grenzenlos, er wollte fliegen, sich unsichtbar machen, er wollte alles können. doch was ist das: ich? das befinden meines körpers? und die „freiheit“? das leben wurde mir gegeben – ob ich es wollte oder nicht, frei steht mir nur, es selbst zu beenden. anscheinend zum „sechsten sinn“ notierte er:

wenn die notwendigkeit entfällt, entfällt die ursache (z.b. der fortpflanzung).
vielleicht wenn man aufhörte jemals zu zeugen, wird man auf-
hören zu sterben (siehe unschuldsprinzip bei den primitiven, jung-
frauen als priesterinnen, christus etc.)
es ist aussichtslos gegen die waffe oder gegen den krieg zu sein. so
lange wir nicht aufhören  zu sterben, werden wir nicht ablassen zu töten.
vielleicht genügt es, den gedanken an den tod zu entfernen, um nicht zu sterben!

bayer schätzte jetzt vor allem max stirner und walter serner „letzte lockerung“) – aber auch zen-texte, in der dichtung quirinus kuhlmann, die pataphysiker, hans arp. er interessierte sich für kultische (geheim-)riten, für magie, die alchimisten, beschäftigte sich mit dem schamanentum. er erzählte mir ausführlich über eine seance im hause fritz hundertwassers in der picaudière, die er in einem protokoll festgehalten hatte. er spielte mit dem gedanken, dieses protokoll in den „sechsten sinn“ einzubauen. natürlich haben ihn mehr die auf diese weise freigelegten kräfte als „geister“ interessiert. rationale ordnungen betrachtete er als willkürlich und einschränkend, versuchte sie aufzuheben oder zu ignorieren. argumentationen wies er schon zurück, weil es argumentationen waren. schliesslich bleibt das schweigen und nichthandeln. doch der lebenstrieb? er war bei ihm stark entwickelt. die widersprüche erschienen ihm unlösbar. Seine grundthemen sind die paradoxie, der zwang, die auflehnung, das einfrieren, erstarren, der tod, die austauschbarkeit schliesslich: eins ist wie das andere („die vögel“).
lch glaube es war 1962, als konrad bayer mich besuchte und mir wie eine überraschung verriet, er hätte in der schweiz (er war dort filmen) einen „roman“ begonnen. er wisse noch nicht, was letztlich daraus würde, aber er schriebe nun einmal drauf los, im übrigen sei er der meinung, dass es an der zeit wäre, etwas „grösseres“ zu machen. er las mir damals die später in den akzenten veröffentlichten teile und noch anderes vor. animiert durch die berichte artmanns fuhr er später nach berlin und erzählte mir nach seiner rückkehr von einem jungen verlag, der vielversprechend mit max ernst begonnen hätte und sich für seinen roman und den vitus bering (an dem ihm sehr gelegen war) interessiere. aber daraus sollte nichts werden. mitte juni 1963 fuhren wir gemeinsam nach berlin. wir bekamen hier sofort lesungen im rundfunk – bayer las den vitus bering. in österreich wäre das undenkbar gewesen. er wurde zur tagung der gruppe 47 eingeladen. dort lernte er ledig-rowohlt kennen, der ihm einen vertrag gab. walter in olten übernahm den vitus bering. das eis schien gebrochen zu sein. doch konrad bayer strahlte eine steigende unruhe aus, man hatte das gefühl, es ginge ihm alles noch nicht schnell genug. dabei litt er immer häufiger unter der vorstellung der sinnlosigkeit von allem.
vor meiner endgültigen übersiedlung nach berlin bemühte er sich hastig um die langgehegte aufführung der „kinderoper“. die gruppe sollte noch einmal gemeinsam auftreten (wir spielen uns in diesem stück selbst). bayer malte plakate und verschickte einladungen. das ganze fand in dem neueröffneten nachtlokal chattanooga, am graben statt. am 9. april 1964 sangen wir unsere chansons, den abend darauf führten wir die kinderoper auf. konrad bayer tauchte kurz in berlin auf, um für eine ausstellung mobiler elemente (die auch entsprechende ,visuelle poesie‘ miteinbezog) seine leseläule („flucht“) in die situationen 60 galerie zu bringen. mitte september sahen wir uns wieder bei der frankfurter buchmesse.
wir beschlossen, auch weiterhin bewusst als gruppe aufzutreten und trennten uns schliesslich mit neuen aktionsplänen.
er hatte sich in den letzten wochen nach hagenberg in niederösterreich zurückgezogen, wo einige freunde ein halbverfallenes schloss gemietet hatten, um dort seinen roman fertigzustellen. sonntag, den 11. oktober bekam ich aus wien einen anruf: konrad ist tot. gestern hatte er in wien sein leben durch gas selbst beendet.

Gerhard Rühm, Vorwort, Oktober 1965

 

„das ist schön, das ist das zugrundegehen.“

− Die sämtlichen Werke des Wieners Konrad Bayer. −

Heute sind ihm emsige Germanisten
näher als mancher seiner Freunde
sie kriechen in seinen Stil
sie schlüpfen in seinen Satzbau…

So schreibt Elfriede Gerstl in ihrem Gedicht „Konrad schau auffe“, das einem österreichischen Mythos jüngster Vergangenheit gewidmet ist, zumindest einem Mythos des Wiener literarischen Lebens: Im Oktober 1964 hat Konrad Bayer, noch nicht 32 Jahre alt, Hand an sich gelegt, gerade als er im Begriff war, bei einer größeren Anzahl von Experten Anerkennung zu finden – von schriftstellerischem Erfolg zu reden wäre hier nicht nur übertrieben, sondern auch im höchsten Maße unangemessen, Doch immerhin – Ernst Bloch hatte nach Bayers Lesung während einer Tagung der Gruppe 47, 1963 in Saulgau, geurteilt:

… eine neue Form, von der die Philosophen manches lernen können.

Mit seinem Selbstmord ist Konrad Bayer indes – als legendäre Figur, als Leitbild einer ganzen Künstlergeneration – keineswegs gestorben, im Gegenteil, er erwachte zu seinem eigentlichen, Leben, Selten wurde einem zu Recht als vertrackt, ja als unzugänglich verrufenem Werk nach dem Tod von dessen Schöpfer so kontinuierliche Beachtung zuteil wie jenem Bayers, eine Beachtung allerdings, die meist den Umweg über die Person wählte, Selbst ein genauer Kenner dieses Œuvres wie Bayers Weggefährte Oswald Wiener meint: „Konrad hat durch seine persönliche Anwesenheit und durch sein Gespräch weit stärker gewirkt als durch seine Arbeit.“
Immer wieder wagten und wagen sich unerschrockene Forscher in seinen Satzbau, hoffend, sich mit analytischer Exaktheit gleichsam an einem Ariadnefaden vorwärtstasten zu können – allein, ans Licht umfassender Erkenntnis ist bisher keiner gelangt. Zu trennen, was da Scherz ist, was Satire und was tiefere Bedeutung, gehört in der Tat zum Schwierigsten. Bayers Vermächtnis reiht sich ein in jene Kunst der Moderne, die sich als konstitutiv unverstandene postuliert: Annäherung ist möglich, erreichen jedoch lassen sich einige dieser Texte – insbesondere die bekanntesten wie „der kopf des vitus bering“ und das Nachlaßfragment „der sechste sinn“ – auf der Verständnisebene wohl kaum – bestenfalls und naturgemäß von einer Handvoll Bayerologen.
Das größte Verdienst um Bayers Nachruhm erwarb sich zweifellos Gerhard Rühm, der eben – im Buchwesen eher eine Seltenheit – nach seiner einbändigen Edition des Gesamtwerks (1977) eine zweibändige Ausgabe nunmehr sämtlicher Werke vorgelegt hat, die beträchtlich vollständiger sind als das gesamte.
Einst, in den fünfziger und frühen sechziger Jahren, bildeten sie – Rühm, Wiener, H.C. Artmann, Friedrich Achleitner und der „Benjamin“ Bayer die „Wiener Gruppe“, einen bohemehaften Freundeskreis, man könnte auch sagen: Kaffeehauszirkel, der sich mit gutem Grund in Dingen der Literatur für die Avantgarde hielt. Daß diese Vorhut schließlich ihre eigene Nachhut werden sollte, da sich die österreichische Literaturszene den verdächtigen Zeitgenossen gegenüber reserviert, teilweise sogar durchaus feindlich verhielt, versteht sich fast von selbst.
Für Bayer, dem seinerzeit – wie auch seinen Kollegen – böswilligste Sprachzertrümmerung, verschärft durch die finstere Absicht, das Abendland endgültig untergehen zu lassen, vorgeworfen wurde, war gleichwohl die Tradition, sogar jene österreichischer Provenienz, trotz aller Lust an der Provokation weder verächtlich noch unwichtig, Seine „vaterländische liste“ führt neben Karl Kraus und Sigmund Freud Trakl, Wittgenstein, Musil, Herzmanovsky-Orlando, Nestroy, Kafka und andere mehr an.
Auf eine griffige Formel ist dieses in so wenigen Jahren entstandene Werk aber nicht zu bringen. Wesentlicher als solche Fixierung scheint außerdem ein entschieden unorthodoxes Literatur- und Kunstverständnis, wie es sich im H.C. Artmanns „Acht-Punkte-Proklamation des poetischen Actes“ ausdrückte und das Bayer nicht bloß theoretisch bejahte, sondern auch lebte. Am Anfang dieser Proklamation steht ein „Satz, der unangreifbar ist, nämlich der, daß man Dichter sein kann, ohne auch irgend jemals ein Wort geschrieben oder gesprochen zu haben. Vorbedingung ist aber der mehr oder minder gefühlte Wunsch, poetisch handeln zu wollen.“
In den „poetischen Acten“ des Dandys Konrad Bayer – eine Rolle, so sagt man, die er überzeugend spielte – steckt sicherlich eine gehörige Portion l’art pour l’art, obwohl sich andererseits der Anspruch kaum übersehen läßt, mit Sprache der Welt beizukommen, durch Umwortung, einen Umsturz in Grammatik und Syntax, Stereotype der Beschreibung und zugleich der Wahrnehmung aufzubrechen. Man kann – eine mühselige und lohnende Beschäftigung – auf diesen rund siebenhundert Seiten vielerlei entdecken: Beispiele für „konkrete poesie“, ausgeklügelte Wort- und Phrasenspiele ebenso wie fragwürdige Kalauer, verblüffende Montagen neben quasi seriellen Texten; zwanglos mischen sich beinahe pubertär wirkende Einsamkeitsräusche mit strengster formalistischer Sprödigkeit, unmittelbar ansprechende, „schöne“ Sätze von unbestreitbarer Suggestivkraft mit absolut hermetischen Passagen, die jeden Versuch des Begreifens hochmütig zurückweisen.
„Bayers Literatur“, behauptete Franz Schuh anläßlich eines Symposiums zu Ehren des Dichters, „hat kein Publikum, man kann sie daher keinem Publikum aufschwatzen“, und diese Apodiktik mag übertrieben erscheinen, zumal da viele, insbesondere jüngere Leser von Konrad Bayer fasziniert sind. Es ist jedoch eine ganz und gar unübliche Faszination, die in seinem Fall zur Geltung kommt, beruhend mehr auf Gleichgestimmtheit und direkter Identifikation als auf reflektierender Anerkennung oder Bewunderung.
Manches in Bayers Texten klingt unüberhörbar wienerisch, und dies meint nicht den lokalen Dialekt, vielmehr das geistige Idiom: „das ist lustig / das ist schön / das ist das zugrundegehen“, artikuliert sich augenzwinkernde Melancholie, um bald darauf in Aggressivität zu verfallen. Die Gewalttätigkeit, die sich in Sprache verbirgt, in deren scheinbar harmlosen Floskeln, hat Bayer in seinem Dialog „die boxer“ einprägsam herausgearbeitet, wenn sich ein Austausch phrasenhafter Artigkeit zur verbalen und schließlich körperlichen Schlägerei entwickelt. Überhaupt wird Bayers Talent stets in jenen Momenten besonders deutlich, da er zeigen kann, wozu Sprache imstande ist, indem er das Spannungsverhältnis zwischen ihrem instrumentellen und ihrem poetischen Charakter erkennen läßt.
Nun enthalten die zwei Bände gewiß auch eine ganze Menge Uninteressantes, Steriles, banale und überraschungslose Texte. Dennoch will man auf sie nicht verzichten. Im Kontext mit dem Mißglückten enthüllen sich Gesetzmäßigkeiten, nach denen Bayers Prosa, Lyrik oder Dramatik „funktioniert“. Erst von diesem Hintergrund kann sich dann das Gelungene abheben. Denn im Grunde ist Konrad Bayers Œuvre zweierlei: eine Leseschule für Literaten und an Sprachproblemen interessierte Intellektuelle, überdies aber – und darin liegt vielleicht der stärkere Reiz – eine Sammlung von Abenteuergeschichten, die unsere Phantasie in bizarre Gegenden entführen: in den Kopf des Konrad Bayer.

Ulrich Weinzierl, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.10.1985

Weiterer Beitrag zu diesem Buch:

Klaus Ramm: der schwarze prinz und die klare zeit
Merkur, Heft 441, November 1985

 

das ist ja entsetzlich.

– Verdoppelte Bemühung, sich über Konrad Bayer verständlich zu machen. –

Jörg Drews:

Es ist nicht so, daß soziale Entwicklungen am Status des Individuums etwas geändert hätten; ganz im Gegenteil haben die Naturwissenschaften die Zurücknahme des Postulats metaphysischer Freiheiten und der damit verbundenen Vorstellung von der Möglichkeit einer Individualität erzwungen, die der Rede wert wäre. Die Unfruchtbarkeit der soziologischen Diskussion zeigt, auch sie ein Erbe des Problems, daß dafür nur auf dem Niveau der Naturwissenschaften Entscheidungen zu erwarten sind, und daß sich die Kunst dorthin wird begeben müssen, wenn sie ihr kleingewordenes Feld behaupten will. Experimentelles Schreiben ist Forschung geworden, ein Versuch, Modelle des menschlichen Verstehens zu erlangen, die ohne Isomorphien von Zeichensystemen und inhaltlichen Zusammenhängen Kritik der formalen Kommunikationstheorien geworden… (Oswald Wiener, Einiges über Konrad Bayer. DIE ZEIT, 17.2.1978).
Ich glaube nicht, daß die Beunruhigung Bayers sich sozusagen passenderweise in Sprachphilosophie, Verstehenspsychologie oder Überlegungen zur artificial intelligence hätte auflösen sollen oder können oder sich heute darin auflösen würde. Bayers zunehmende Sprach- und Kommunikationsskepsis hatte, wenn man ihr schon in ihr selbst nicht rechtgibt, dann eher konstitutionelle Gründe; narzißtische Kränkungen plus hohe Intelligenz: diese Kombination erklärte da einiges. Umgekehrt: ob sich etwas, was man ,existenzielle Beunruhigung‘ nennen könnte, durch Naturwissenschaften und ihre Ergebnisse je auflösen wird, scheint mir fraglich. Daß sich wissenschaftlich angeleitete Schreibpraxis je erfolgreich an emotional-affektiven Befindlichkeiten abarbeiten wird, scheint mir nur denkbar, wenn große Teilbereiche dessen, was Existenz und Bewußtsein ausmacht und affiziert, außerhalb der Literatur gelassen werden. Vielleicht taucht aber hinter solchen Einschätzungen der Möglichkeiten von Literatur, hinter dem Widerspruch zur Literaturkonzeption Wieners das Dilemma auf, daß bestimmte Schreibpraktiken theorielos weiter kommen als andere, die hinter einer Theorie von Literatur herrennen, die sie in der Schreibpraxis nicht mehr einholen können. Hinter Wieners Aufsatz über Bayer scheint mir ein Interesse zu stehen, das der Theorie und der Lebenspraxis eher gilt als der Literatur. Allerdings: vielleicht mit guten Gründen.

Klaus Ramm: Avancierte Theorien von Literatur weisen heute als ein wesentliches Merkmal von Literatur ihre Inkommensurabilität aus, ein Gradmesser für qualitative Intensität oder für elitäre Irrelevanz, je nach ideologischem Standpunkt. Inkommensurabilität ist auch ein wesentliches Merkmal der Literatur, die ich besonders schätze. Bayers Literatur gegenüber – die ich sehr schätze – werde ich von dieser Prämisse her unsicher, so umstandslos kann ich sie nicht mehr halten. Haltbar ist sie vielleicht nur noch in ihrer Umkehrung: immer mehr verstärkt sich der Eindruck, daß bei Bayer die Literatur gar nicht das Inkommensurable ist, sondern daß meiner gewöhnlich alltäglich (in Grenzen natürlich) verfügbaren Wirklichkeit das – unter anderem ja auch ästhetische – Prädikat der Inkommensurabilität viel eher zusteht. Unter diesem Eindruck erweisen sich die Texte Bayers immer mehr als kommensurabel. Dagegen spricht nicht die Tatsache, daß Bayer – wie die anderen Autoren der Wiener Gruppe und wenige andere – ganz und gar aus der Einsicht heraus Literatur gemacht hat, daß die geschriebene oder aufschreibbare oder sagbare Formulierung ohnehin nicht die Vorstellung, den Gedanken oder wie immer das zu formulieren ist, auf das sie sich beziehen soll, auch nur annähernd wiedergeben oder rekonstruieren oder anderen verständlich machen kann. Diese Art von Inkommensurabilität des literarischen oder des gewöhnlichen Sprechens, so grundsätzlich sie ist, meine ich jetzt nicht, auch wenn sie ein Bild sein mag für das, was ich meine, ein Bild aber an einer anderen Stelle. An einer Stelle, an der ich auch nicht weiter weiß. Natürlich kann ich mich selbst nicht ausnehmen. Auch in mir trifft der Gedanke auf etwas, was ihn – schon vor der Problematik der Formulierung – verunklärt.

aus der selbstbeobachtung kam allmählich die vorstellung, ,ich‘ könnte nichts weiter als eine fortsetzung der konventionellen formen der mitteilung in ein biologisches substrat des verstehens hinein. meine ,persönlichkeit‘ nichts als die front sein, an der die klischees der kommunikation auf biologische gegebenheiten (um nicht zu sagen: biologische klischees) stossen. (Oswald Wiener, Nachläufiges zum Werk Arno Schmidts. Gedanken. 25.10.1979).

Von solchen Positionen her müßte ich das rigide mechanische Funktionieren der Texte Bayers zu erklären versuchen. Etwas anderes als die Sprache funktioniert nicht, ist jedenfalls kaum zu steuern und so gut wie gar nicht zu kontrollieren. Deshalb greifen, müßte ich folgern, alle Überlegungen, wie brillant auch immer, zur Sprach- und daran sich anschließenden Kommunikationsskepsis bei Bayer zu kurz. Die Sprache ist vielmehr das einzige, was in Kommunikation soweit manipulierbar ist, daß sie funktionieren könnte, wenn man die Arbeit nur an ihr weit genug treibt und seine sprachlichen Verfahren in immer wieder neuem Ausprobieren zu perfektionieren sucht. Von hier aus könnte ich Ansätze zur Beschreibung des Experimentellen und Ansätze zur Erklärung des Fragmentarischen bei Bayer finden. Und Argumente gegen die landläufige Ansicht, Autoren wie Bayer überschätzten die Sprache. Das, was Bayer macht, ist auf keinen Fall ein Versuch, in Überschätzung von Sprache Literatur ins Inkommensurable zu stilisieren, sondern rigoroses Versuchen, sie in äußerster Anstrengung kommensurabel zu halten – und trotz des maßlos erscheinenden Anspruchs an die Sprache das zentrale Problem woanders zu sehen. „… denn wer versteht den sonnenuntergang eines anderen?“ (Gerhard Rühm. Vortrag. Sondern 1, Berlin 1976). All das Mechanische in Bayers Texten, in den Motiven, den sprachlichen Verfahren, der Perspektivik wäre dann die Konsequenz aus solcherart – kaum näher beschreibbarer – Einsicht, alles, was nicht sprachlichem Funktionieren dient, konsequent aus den Texten herauszuhalten, auch dann, wenn er „bei seinen lesern auf verständnis stösst. als ob das je zu vermeiden wäre.“ (Rühm. ebenda.) Das, was hier Verständnis heißt, verunklärt notwendigerweise das Funktionieren der Texte Bayers. Auch das hat er natürlich gewußt, vielleicht daher seine Rigidität und seine Resignation. Und ab und an in der kältesten mechanischen Konstruktion wie etwa im lapidaren museum Bilder auch dafür:

die stampfenden kolben machen unsere sätze unverständlich. die herzpumpen dröhnen. (Konrad Bayer, Das Gesamtwerk. Hrsg. von Gerhard Rühm. Reinbek 1977)

Drews:

Menschen, die sich ferne und hohe Ziele gesetzt haben, werden oft von Bewußtseinsspaltungen auseinandergerissen, die sie in selbstvernichtende und selbstpeinigende Wracks verwandeln, weil sie es nicht erreichen, die Aufgaben zu lösen, deren Lösung eine Forderung geworden ist, die in ihrem ganzen Wesen Wurzel geschlagen hat. Das Tragische – oft Tragikomische – in diesem gegensätzlichen Verhältnis zwischen Traum und Wirklichkeit hat viele verkannte Genies in das Niemandsland des interessanten Wahnsinns hinausgetrieben, der die Analytiker der Nachwelt lockt und ihnen Stoff zu psychiatrischen Abhandlungen gibt (Josef Petersen, Vitus Bering. Hamburg 1947).

Eine Erfahrung bei der Lektüre Konrad Bayers: die surrealistischen Schocks haben nachgelassen, sind bisweilen ,verstehbar‘ geworden und haben von ihrer Kraft eingebüßt. Der Schrecken der Kollision der Elemente in Bildern von Max Ernst ist genießbar geworden, die Material-Bilder Schwitters’, einst gedacht als das Gegenteil von Gegenständen der Kontemplation, sind zu Kontemplationsgegenständen geworden. Waren die Mittel, mit denen Konrad Bayer Irritation und Protest klarmachen wollte, ungenügend; waren sie von vornherein zu ,künstlerisch‘ in dem Sinn, daß sie eben nicht radikal genug waren? Hätten Irritation und Protest sich noch wilderer Mittel, anderer Medien bedienen müssen? Ist die Literarisierung immer schon die Entschärfung des Protests? Wiener meint, der „umfassende Protest“, den er hinter den Arbeiten der Wiener Gruppe sieht, sei „für meinen (Wieners) Geschmack nicht einmal annähernd ausgedrückt worden“ (DIE ZEIT, a.a.O.): Überfordert Wiener da die Kunst generell, die überdies, wie radikal auch immer sie sei, spätestens nach 10 oder 20 Jahren immer eingemeindbar wird? Hängt umgekehrt mit diesem teilweisen Spannungsverlust der Texte, ihrer Genießbarkeit, zusammen, daß man zugleich – und besonders stark unter den Autoren der Wiener Gruppe bei Konrad Bayer – hinter den nicht mehr ganz so aufreizend wirkenden Verfahren und Techniken immer noch ein Mehr an Unausgedrücktem, an Beunruhigendem, an „Tragischem“ in seinem „gegensätzlichen Verhältnis zwischen Traum und Wirklichkeit“ (Petersen, s.O.) spürt?

Ramm: Was an erzähltechnischen, an literarischen, an sprachlichen Verfahren und Techniken bei Bayer beschreibbar ist, und da ist sehr vielfältiges und sehr raffiniertes zu beschreiben, stellt nicht nur Fragen nach Erzählen, Literatur, Sprache. Weil die verwendeten Methoden vielfältig, das Raffinement in der jeweiligen Verwendung außerordentlich ist, ist man immer noch leicht geneigt, das sprachliche Moment in Bayers Literatur überzubewerten. Vielleicht liegen die für diese Verfahren und für dieses Raffinement wesentlichen Implikationen woanders. Reizvoll wäre es, Kategorien wie Raum, Zeit, Wahrnehmung, Bewußtsein, vielleicht sogar möglichst unabhängig von allen philosophischen Traditionen, in ihren spezifischen Verschränkungen bei Bayer nachzugehen. Die temporalen Implikationen der fast immer inkohärenten Räumlichkeit. Die Diskontinuität von Zeit, bezogen etwa auf die individuelle Wahrnehmung oder – nur scheinbar entgegengesetzt – auf Geschichte überhaupt. Die temporalen Implikationen – und das scheint mir besonders wichtig – der verschiedenen Montagetechniken. „zeit ist nur zerschneidung des ganzen und durch die sinne.“ (Gesamtwerk). Und das nicht nur dann, wenn diese Techniken sich ganz direkt auch Geschichte zum Thema vorwerfen wie etwa im kopf des vitus bering. Aber auch dort; etwa die zentralen Motive der Reise, der Entgrenzung verschränkt mit den Motiven der Zeit, mit denen der Wahrnehmung und des Bewußtseins.

da es nicht war, bering sich aber erinnern konnte, dass es gewesen war, schloss er daraus, dass ein stück zeit vergangen sein musste, obwohl ihm das nicht gefiel und er lieber gedacht hätte, ereignisse haben sich bereits ereignet (Gesamtwerk).

Gar nicht so sehr auf solche Zitate mit den thematischen Implikationen von Zeit achten. Besonders achten etwa auf das temporale Moment im ständigen Figurenwechsel, in semantischen Mehr- oder Vieldeutigkeiten, in syntaktischen Verknüpfungen. Trotz ähnlicher und trotz entschieden anderer Voraussetzungen die temporale Bewegung im kopf des vitus bering und die im sechsten sinn als die gleiche begreifen.

zeit? staunte goldenberg und einige tage später, nachdem er sich die sache überlegt hatte, meinte er, ist nur zerschneidung des ganzen und durch die sinne, fügte er hinzu, als sie wieder darüber sprachen (Gesamtwerk).

Vielleicht gar nicht nur dieser Überlegung zum Thema Zeit nachgehen, die wir ja zuvor aus dem Index zum kopf des vitus bering schon gehört haben, sondern vielleicht eher die Temporalstruktur dieses kleinen Abschnitts aus dem sechsten sinn genauer zu erkennen oder zumindest wahrzunehmen suchen. Fragen, ob die überall wohl nachweisbare Diskontinuität von Zeit Bezüge hat auch zu avancierteren Geschichtstheorien, die die prinzipielle Diskontinuität von Geschichte zum Ausgangspunkt haben. Nachzuweisen versuchen, wie sehr das Problem der Diskontinuität von Zeit nicht nur den verschiedenen Montagetechniken entspricht, sondern wie sehr es zugleich die für Bayer typische räumliche Perspektive bestimmt.

ganz weit vorne, dort oben auf dem hügel, schliesst sich die strasse, ein hindernis aus optik. bis ich dort sein werde, wird sie sich auftun, die häuser werden ein bisschen in die höhe spriessen, aber dennoch zur seite weichen, ja so wird es sein. der magische garten der perspektive. jetzt kommt die buchhandlung, wusste goldenberg stunden später, und jetzt kommt der springbrunnen, freute er sich in einer woche, und nur noch eine viertelstunde, dachte er nach vielen jahren und die beine taten ihm weh und er hatte die häuser da vorne schon ein wenig auseinandergedrängt, so wie alle male zuvor und danach und bald wird er oben sein und sich mit den anderen in die strassenbahn drängen. (Gesamtwerk).

Bevor jetzt dieselben Überlegungen auf das Problem des Raums bezogen ablaufen, hier abbrechen.

Drews:

dobyhal kam rüber. „ich habe einen ofen gebaut“, keuchte er vor erregung. nina und ich gingen hinüber. der ofen war ganz aus holz. er machte feuer und der ofen verbrannte. die suppe ergoss sich ins feuer. (Gesamtwerk).

Warum sind manche faulen Witze so gut, warum sind manche Kalauer „Delikatessen des Geistes“ (Konrad Bayer)? Vielleichtweil sie die Erwartung von Sinn, kaum daß sie aufgetaucht ist, mit äußerster Ökonomie vernichten, weil ihr Erfinder mutig das Risiko auf sich nimmt, ob der Nicht-Leistung von den Zuhörern geschmäht zu werden. Weil der Kalauer die Fallhöhe, die der Witz braucht, nicht nur selbst einzieht, sondern als nicht existent vorführt. Zu beweisen wäre, daß der hölzerne Ofen für das Lebensgefühl Dobyhals und Goldenbergs absolut passend ist, aber zugleich Symbolik unterläuft, die ja immer was körperwarm Organisches behält.

Ramm:

Immer wieder Künstliches, häufig Natur aus künstlichen Apparaten.

an einer künstlichen ente vorbei, die echte körner aufpickt und echten dreck von sich gibt (Gesamtwerk).

die maschine ist ein versuch des menschen, und zwar ein versuch einer nachbildung. nachgebaut wurden natürliche funktionen. aufgrund von naturbeobachtung und menschl. schlussfolgerung (naturwissenschaften) (Gesamtwerk).

Das Funktionieren der künstlichen Schöpfungen dem der natürlichen Kreaturen soweit wie möglich angenähert.

Den Glauben an das Echte zu erschüttern und die Gegenstände nur als Funktion gelten zu lassen, die Eigenschaften einer souveränen Vorstellung sind. (Wiener, DIE ZEIT, a.a.O.)

Wiener trifft hier sicher das, was an künstlichen Gegenständen in den Texten Bayers figuriert. Den Versuch machen, diese Überlegung nun nicht nur auf die in den Texten vorkommenden Gegenstände, und auch nicht nur auf Bayer selbst – wenn ich diese Unterscheidung einmal treffen darf –, sondern auf den Zustand von Bayers Literatur überhaupt anzuwenden. Sucht sie nicht in extremer Künstlichkeit Natürlichkeit künstlich herzustellen? Sind die Sätze der Texte nicht in immer wieder variierten Programmen raffiniert auf Natürlichkeit hin gesteuert? Gerade dort, wo Bayers Sprache von ganz natürlicher Präzision ist, scheint sie mir von extremer Künstlichkeit.

und ich gehe hin und ziehe den vorhang zur seite und da trifft mich gleich der sonnenstrahl mit zirka 300.000 km pro sekunde ins auge und da drehe ich mich um und leg mich wieder ins bett (Gesamtwerk).

Was ganz natürlich klingt, klingt wie natürlich.

„he!“ brüllte fisch, als goldenberg weiterging brüllte fisch „he“ und wieder brüllte er „he“ aber goldenberg ging weiter und hörte ihn nicht (Gesamtwerk).

Der hohe Grad der Annäherung ans Natürliche ist zugleich der Grad extremer Künstlichkeit. Das ist kein Sprachproblem, wie wir es leicht anzunehmen gewohnt sind. Das ist erst dann erreichbar, oder wenigstens anzusteuern, wenn die Sprache und ihr Gebrauch so weit problematisiert ist, daß nicht mehr sie das Problem ist. Gerade in der geringen Differenz, vielleicht auch in der Ununterscheidbarkeit zwischen dem, was ich hier als natürlich, und dem, was ich hier als künstlich zu beschreiben versucht habe, scheint mir ein Moment als movens für Erkenntnis zu liegen: den eigenen Standpunkt als anderen beziehen, das eigene Denken als fremdes begreifen, das Natürliche als künstliches Arrangement erkennen, den natürlichen Ausdruck künstlich erreichen.

Drews: Die Verfahren der Texte Konrad Bayers mögen als Techniken inzwischen vertrauter oder vergleichsweise leicht eruierbar sein. Das hilft einem aber oft nicht viel, weil man damit noch nicht herausbekommt. was dahintersteckt. Der Durchsichtigkeit der Verfahren entspricht paradoxerweise, daß einem dennoch unwohl dabei bleibt, daß man etwas Bedrohliches spürt Der Erwähnung wert ist das nicht zuletzt deshalb, weil es bis zur Literatur der Gegenwart meist eher umgekehrt aussieht: da mögen Stil oder Techniken bisweilen nur ungenau zu beschreiben sein, doch dahinter steckt dann etwas, das sich umgangssprachlich oder wissenschaftssprachlich gut formulieren läßt, eine eher beruhigend, rubrizierbare ,idee‘, ein eher friedliches ,problem‘.

Ramm:

zuerst, erzählte ledig mir, habe konrad auf seine frage gemeint, er meine, die deutsche literatur sei mehr oder weniger entbehrlich, auch und gerade wenn man gerne lese, und zwar die aus den nachkriegsjahren sehr, die andere vielleicht weniger. konrad erzählte ihm, dass die schriftsteller dort, die er gelesen hatte, aufsehenerregend peinlich waren und geheimnisvoll langweilig schrieben, und das finge bei der einstellung zum schreiben an, und setzte sich. aber wozu erzähle ich das. (Oswald Wiener, ledig hat den sechsten sinn. Heinrich Maria Rowohlt zuliebe. Hrsg. von Siegfried Unseld. Reinbek 1968)

Auffällig bei Bayer natürlich die vielen Versuche, Selbstverständliches so exakt wie möglich zu beschreiben. So exakt wie möglich zu beschreiben, und – das gehört exakt dazu – dennoch das Problem von Beschreibung, von Benennung nicht außer acht zu lassen.

goldenbergs rumpf hat einen aufsatz, den sogenannten kopf, der wenn er aus gips wäre büste hiesse, dieser war mit einem gegenstand zum teil bedeckt, den die anderen hut, goldenberg aber karl nannte (Gesamtwerk).

Das, was ich hier so pauschal formuliere, klingt für manche so, als wolle Bayer in Sprache demonstrieren, wie sich sein grundsätzlicher Zweifel an der Sprache durch möglichst exakte Formulierung wenigstens annäherungsweise einholen ließe – mir scheint das ein Trugschluß. Oder es klingt für manche so, als dominiere hier die Sprache über die Welt – auch das scheint mir ein Trugschluß. Oder es klingt für manche so, vor allem für die sprachsensiblen Epigonen solcher Verfahren, als gebe die möglichst exakte sprachliche Formulierung Vorstellungen oder Gedanken möglichst exakt wieder – auch das, scheint mir, ist ein Trugschluß:

die ,präzision‘ des ausdrucks ist das gefühl, das ich habe wenn ein neuer gedanke in ein klischee zurückgeholt worden ist (Oswald Wiener, Achttagebuch, zitiert nach dem Manuskript).

Bayers Verfahren scheint mir ein umgekehrtes: die Präzision des Ausdrucks läßt die Klischees der Gedanken nicht mehr zu; je präziser der sprachliche Ausdruck, desto eher springen die Mechanismen unserer Vorstellung aus den Geleisen, „drängte die erdatmosphäre auseinander, stellte sich auf“ (Gesamtwerk). Darüber ist schwer zu sprechen, denn während die Formulierung durchgängig in Ordnung ist, sind irgendwann im Verlauf des Lesens die routiniert eingespielten Abläufe unserer Vorstellung aus den Bahnen gekippt.

sein herz schlug 80mal in der minute. unentwegt wuchsen die haare aus seiner kopfhaut (Gesamtwerk).

Da sehen dann die Beschreibungen des Gewohnten aus wie gezielte Verzerrungen, aus dem Gewohnten in kleinen Schritten systematisch elaboriert.

in kurzen abständen sog er teile aus der ihn umgebenden, hell erleuchteten luft ab, verwandelte, machte zauber, chemie, behielt was er brauchte und stiess den rest aus maul und poren (Gesamtwerk).

Die Frage ist, von welchem Standpunkt aus die Beschreibung als Verzerrungen erscheinen, ob nicht die routinierte Perspektive unserer Vorstellung viel eher das Verzerrende ist als die scheinbar verzerrende Beschreibung in Bayers Sätzen.

ich darf die routine nicht akzeptieren, die den satz als den ausdruck einer tatsache erscheinen läßt; ich muß jeden satz als eine beobachtung auffassen, die ihre stelle in meiner theorie des geschehens zugewiesen erhalten muß. (Wiener, Achttagebuch, a.a.O.)

Hier liegt die Möglichkeit wenn nicht zu Erkenntnis, so vielleicht zu einem Verhalten, das Erkenntnisse ermöglichen könnte – auch dann, wenn ich nur lese. Nicht in der direkten Vermittlung von Erkenntnissen oder der Absicht dazu, sondern in der Eröffnung von Möglichkeiten außerhalb der eingefahrenen Geleise unserer Vorstellung. Das hat kaum etwas zu tun mit der Art von Erkenntnis, wie sie ,jenseits‘ der literarischen Texte zu gewinnen sein soll, etwa auf den immer noch so beliebten Wegen der ,Interpretation‘ von Literatur. Das Defizit, das in der traditionellen Literatur durch Interpretation aufzufüllen ist, gibt es in den Texten Bayers kaum, auch dann nicht, wenn sie vorgeben, wie traditionelle Literatur auszusehen. Es ist gerade die sprachliche, also literarische Perfektion der Texte, die sie gegen solcherart Interpretation abdichtet. Sie sind perfekt, manchmal bis an die Grenze des sprachlich Möglichen, nicht, weil sie die Sprache überschätzen die Welt etwa als Welt aus Sprache ausgeben wollen –, sondern weil sie das restlos in Sprache abzuarbeiten suchen, was gewöhnlich ,hinter‘ Literatur gesucht und als ,Sinn‘ oder was auch immer gewöhnlich gefunden wird. Da überschätzen die konventionellen Schriftsteller, auch dann, wenn sie sich als experimentelle ausgeben, die Sprache viel eher, wenn sie alles, auch das Bedrohlichste, in ihre Literatur mit hineinnehmen, und sei es als ,Aussage‘ oder ,Sinn‘. Wenn es Bayer – in manchen Texten – gelingt, pedantisch rigoros und im latenten Bewußtsein der Unmöglichkeit seines Vorhabens sich abzuarbeiten, dann empfinde ich eine Bedrohung, die tiefer geht als die Provokationen und Schocks, die vielleicht von den direkten Agressionen gegen die Zeitgenossen in den fünfziger und sechziger Jahren ausgegangen sind und gegen manche heute noch wirksam sind, die sich nicht in unserer Literaturgeschichte auskennen. „Die Hochstilisierung seines privaten Ichs“, so ein Literaturlexikon, das sich selbst das Prädikat ,kritisch‘ zugesteht.

auf eine mythische Ebene verhindert aber, daß von seinem Werk mehr ausgeht als persönliche Magie. (Michael Töteberg, Konrad Bayer. Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. München 1978 ff) – und das „Stand 1.6.1979“ (ebenda).

Drews:

franz war.
war franz?
franz.
war.
wahr.
war wahr.
wirr.
wir.
franz, wir!
wir, franz.
ihr.
franz war wirr.
war franz irr?
wirrwarr.
(Gesamtwerk)

Wenn es wirklich so einfach wäre! Magie ist mir lieber als eine Konzeption von Existenz, die in Soziologie und Psychologie restlos aufgeht. Die simple Umdrehung des Satzes „franz war“ zur Frage enthält ohne große Theorie des Schreibens, fast platt infantil und eben weil sie mit trocken meckerndem Gelächter quittierbar ist, alle Bodenlosigkeit: Reduktion als Metaphysik ohne Reduktion der Metaphysik, und vom Namen franz über das Selbstmord-Motiv bis zur Unsicherheit über die Aussagemöglichkeit ist in diesem frühen Gedicht schon versammelt, was im späteren Werk Bayers ausgefaltet wird. Auch beim folgenden Chanson-Text braucht man nur das „kind“ als franz zu lesen, um die Identitätszweifel, die Schwierigkeit der Kommunikation mit sich selbst in Infantilität äffender, quasipermutationeller Art formuliert zu finden, die dann später den sechsten sinn beherrschen – Rätsel ohne Magie:

ich bin ein wirkliches kind
nein nein so etwas
ja so etwas
ein wirkliches kind
nein nein so etwas
wirklich ein kind
so ein kind
nein nein so etwas
wirklich ein kind
bin ich
nein nein so etwas
bin ich wirklich ein kind?
nein nein
ein wirkliches kind
nein ein kind?
wirklich nein so etwas
ein kind
(Gesamtwerk)

Zu den Schwierigkeiten der Bayer-Lektüre gehört, daß seine Texte nicht mehr im herkömmlichen Sinn geschlossen, aber so dicht sind, daß, mit Michel Leiris zu sprechen, „für den Groschen ,Sinn‘ kein Spalt mehr übrigbleibt.“ (Leiris. Aurora). Bestimmte Texte von Bayer, aber auch von Falk, Jandl, Pastior und Priessnitz müßte man vielleicht als Ergebnisse des Versuchs nehmen, konkrete Geheimnisse herzustellen, die umso dichter und hartnäckiger sind, als ihre Technik vielfach unmittelbar einsehbar oder rekonstruierbar ist: Individualität bekommen sie durch ihre kalkulierte Deformiertheit. Die Passage „während der gegenstand wuchs und wuchs“ aus dem „sechsten sinn“ (Gesamtwerk) oder „balsader binsam“ (Gesamtwerk) zeigen vielleicht, daß Sprache in Literatur sogar noch eher funktioniert als Sprache im – sagen wir mal: ,Leben‘, weil sie sich ihre Bedingungen selber setzen kann. Oder welchem Kommunikationsanspruch genügt der folgende Gedichttext denn nicht? –:

der neunertz specken klaster
wie maien inner da
kettent kauert immelschnee
etz gras eis zwater sam

plampe theil an hauff dem gurt
ohn luentz sparis pfät
schwar schwerammel friple ramm
kleestatt um feiner siag

ent da du kein
blau trommelstein
tre haplartz oxcker pfeil
marie
du plotzen tunter tzar
marie
wir schanter keil ut seil
(Gesamtwerk)

Ramm: Das Prinzip der Reduktion nicht etwa eingesetzt, um zu bewußterem Verständnis von etwas anderem zu gelangen, wie etwa in der Phänomenologie, auch nicht eingesetzt mit dem Ziel, zu modellhaften Systemen zu gelangen, die wesentlich komplexere Sachverhalte erklärbar machen wie etwa in der aktuellen Sozialtechnologie. Was auf dem Wege radikaler Reduktion zu gewinnen war, läßt sich nicht zurückverwandeln durch Rekonstruktion etwa oder durch Auffüllen mit sinnhaften Bezügen oder etwa einfach durch Rückübersetzung. Bayers spezifische Variante der Reduktion legt eben nicht – der Literatur oder der Wissenschaft oder der Natur – zugrundeliegende Schemata frei, nach denen weit komplexere Gefüge funktionieren, also schematische Abläufe beispielsweise oder entstofflichte Handlungsstränge, die sich – mit Stofflichem aufgefüllt – wieder als pralle Geschichten zeigen könnten, sondern das Material ist von vornherein auf so winzige Partikel – von Sprache?, von Vorstellungen? – reduziert, daß die nicht mehr zu einer quasi ursprünglichen Ordnung zusammenschießen können, selbst wenn man eine solche – durch Interpretation oder andere spekulative Kunstgriffe – wiederherzustellen versuchte. Auch neu zusammengesetzt lassen sie es nicht zu, sich irgendeine Art von vorfabriziertem Zusammenhang entnehmen zu lassen. Etwa karl, ein karl (Gesamtwerk): gerade nicht eine zusammenhängende Geschichte, in der alle Substantive gegen das Wort karl getauscht sind, sondern von vornherein keine zusammenhängende Geschichte, in der alle Substantive gegen das Wort karl getauscht sind. Oder der geflitterte rosengarten (Gesamtwerk), wo das ja wirklich immer wieder aufs Neue hervorragend funktionierende Modell des Westerns auf eine Reihe von durch und durch westernhaften Elementen zurückgeführt wird, deren wie auch immer herzustellende Summe eben nicht das Schema des Westerns bloßlegt, sondern ein qualitativ anderes, nicht als zusammenhängend beschreibbares Westernkontinuum. Nicht der oder irgendein Western funktioniert am Ende, sondern dieser Text funktioniert auf der Ebene einer Sprache, aus deren Funktion der Western im Grunde ganz herausgehalten ist. Von hier aus wichtige Unterschiede zu anderen wichtigen Reduktionsverfahren wie etwa bei Helmut Heißenbüttel. Von hier aus qualitativ erhebliche Unterschiede zur epigonalen Verwendung ähnlicher Prinzipien etwa in thematisch ähnlichen Prosastücken Peter Handkes. Reduktion nicht als Vehikel, steuerbar in Richtung auf Verständlichkeit. Das wäre im einzelnen auszuarbeiten an den beiden viel komplexeren Prosastücken der kopf des vitus bering und der sechste sinn, und gerade die Unterschiedlichkeit in den Verfahren beider Stücke, die sofort ins Auge fällt, könnte sich als einunddieselbe Reduktionsbewegung erweisen; extreme Reduktion im kopf des vitus bering als überdimensionierter Entwurf einer Entgrenzung über alle Motive wie Zeit, Geschichte, Wahrnehmung, Bewußtsein hinaus nach außen – extreme Reduktion im sechsten sinn als überdimensionierter Entwurf einer Entgrenzung über alle Motive wie Wahrnehmung, Bewußtsein, Individuum hinweg nach innen.

Was mir am Vitus Bering unverständlich bleibt, ist nicht unverständlicher als das, was in meinem Kopf vorkommen und gleichwohl Sprache in Gang setzen kann. Die Identität mit der eigenen Erfahrung ist eine tägliche Utopie. (Jürgen Becker, Nachwort. Konrad Bayer. Der Kopf des Vitus Bering. Olten 1965)

Auf den ersten Blick scheint es in dieser Umgebung widersinnig, daß gerade häufig wiederkehrende Motive so etwas wie Erinnerung an Urerfahrung hervorzurufen scheinen. Motive wie Stein, Berg, Eis, Frost, Tod mit ihrer, sie ein wenig unter den Horizont des Archaischen rückenden Erdenschwere, und daß auch Prosastücke wie etwa in den sechsundzwanzig namen sich wie uralte Sagen oder schon ewig gültige Legenden geben; sieht man genauer hin, so sind auch diese scheinbar unanfechtbaren Grundtatsachen so etwas wie Grenzpunkte der Reduktionsbewegung; sie markieren – gleichsam nach innen gewendet – genauso Grenzbereiche wie es ekstatische Zustände – gleichsam nach außen gewendet – tun.

er schien zu überlegen. so sass er vom morgengrauen bis sich island von der sonne weggedreht, um denen im westen platz zu machen, und starrte in die wand, um manchmal aufzustehen, und einen strich, einen schnörkel über den kalk zu ziehen.

thorstein war ungefähr dreiundreissig jahre alt geworden, als er aufstand und durch die weisse wand ging, ohne schaden zu nehmen (Gesamtwerk).

Drews: Wie die Flug-Träume und die Erfahrung des Gespaltenseins bei Bayer miteinander zusammenhängen, zeigt das folgende Stück aus dem sechsten sinn:

goldenberg hingegen stürzt zurück in die schwindelnde höhe seiner flugreise, in einem winkel von 45 grad vorgeneigt, über die häuser und gassen eines imaginären genua, das aber im zeitbild immer wieder aus dem meer seines bewusstseins in den äther seiner nachtreisen taucht, erst 6 dann 30 meter über dem gewoge der menschen. der körper jedem druck gehorchend, hin über die offene see, in einem gehaltenen aber schwankenden abstand von der spiegelnden wasseroberfläche, 40 bis 60 meter, und dabei bleibt es, goldenbergs himmelfahrt.
goldenbergs wunsch, johannes goldenberg genannt, sitzt im linken und goldenbergs wille, petrus goldenberg mit namen, im rechten auge. klagend um ihren herrn, bemühen sich beide, jeder auf seine weise, die eingeschnappten augenlider aufzureissen um den glanz des jammers im schein des lichts, das der anfang sein soll, zu offenbaren.
(Gesamtwerk).

„ich gebe zu, franz ist gott“ heißt es am Ende eines der Flug-Träume (Gesamtwerk); im zitierten Text aber ist Franz Goldenberg ebenfalls Gott, nämlich Christus selbdritt: Johannes und Petrus, die Treue und der Verrat zu sich selbst und an sich selbst, sind bei ihm, sind Teil von ihm. Das religiöse Vokabular dieser Himmelfahrtszene ist unverkennbar. Es ist übrigens nicht das einzige Mal, daß Bayer/Goldenberg sich als Christus sieht, als Märtyrer in mehrerlei Gestalt sozusagen; von 1953 stammt das Gedicht

herbei ihr tänzer und fahrenden sänger
herbei ihr gaukler und fastendiebe
mütter und töchter und jedes gesindel
seht
seht
hier liegt ein geschundener
mit einer dornenkrone
mit seinen gespaltenen fersen
und den sieben pfeilen der liebe
in seinem blutigen leib
seht
wie er sich windet
seht
wie er sich dreht
wie die holländischen windfahnen
wie segel im sturm
wie die herzen im frühling
kommt
und kommt
wir wollen seinen schädel spalten
sein haar verkaufen
und ein mahl an die armen verschenken
wer wirft den ersten stein?
einen groschen für sein linkes auge
und den zweiten für sein rechtes
freunde
wir wollen dieses fest nach seiner alltäglichkeit feiern
wir wollen ihn vor die stadt werfen
und unsere hunde und mädchen auf ihn hetzen
wir wollen in seinem blut waten
und unsere arme bis an die schultern bestreichen
wir brechen seine Zähne
seine narben
und alle wirbel
wir werden seine erinnerungen an einen fremden händler verkaufen
und seine kleider öffentlich verbrennen
wir werden ihn auslöschen
und verlieren
wie ein seidenes tuch

kommt näher
und seht den geschundenen
kommt doch näher
dann seht ihr den geschundenen besser.

(Gesamtwerk)

Das Opfer dieser mystischen Zerstückelung heißt Christus, St. Sebastian und Orpheus.
Konrad Bayers Selbstmord wird öfters als ,konsequent‘ bezeichnet. Allerdings bleibt zu fragen, die Konsequenz woraus er eigentlich ist. Die Konsequenz dessen, daß er sich mit der „totalen bedeutungslosigkeit“ (Gesamtwerk) nicht abfinden konnte? War sein Selbstmord ein letztes, ,äußerstes‘ Experiment? Dagegen spricht, daß dieses Experiment dann gar nichts Spielerisches mehr enthalten hätte. War er also ein mißglücktes Experiment?

man muss sich umbringen um die hoffnung zu begraben. es gibt keine hoffnung… es gibt nichts was zu erreichen wäre ausser dem tod (Gesamtwerk).

War Bayers Selbstmord der Versuch einer endgültigen Vernichtung der Hoffnung auf Ungespaltenheit, auf Kommunikationsfähigkeit durch die Annullierung des physischen Substrats dessen, der als Lebender die Hoffnung doch nicht begraben konnte? Oder war durch die „totale bedeutungslosigkeit“ alles so bedeutungslos geworden, daß er Selbstmord ebenso begehen wie unterlassen konnte?
Oder ist der Tod als umgekehrter Flug-Traum zu interpretieren? Der Narzißmus, zum Solipsismus gesteigert, könnte im Umschlag auch die Form annehmen, daß im Tod, im Totsein dann ja auch die Spannung, die Kluft zwischen Welt und ich aufgehoben ist. Die Flug-Wünsche Bayers erwähnt Gerhard Rühm; sie tauchen auch immer wieder im Werk auf.

alles lüge, niemand hält mich, schrie goldenberg in gedanken und stiess sich von dem planeten erde ab (Gesamtwerk),

oder:

ich sitze in meinem sessel und schwinge langsam vor und zurück. es ist abend. ich fliege. ich kann fliegen. ich schwinge mit ungeheurer geschwindigkeit auf und nieder, vor und zurück. ganz langsam. meine arme und beine vibrieren. ich bin ganz leicht. ich falle. ich schwebe still… (Gesamtwerk).

Das sind unverkennbar Omnipotenz-Phantasien, Träume davon, allmächtig und zugleich in der Welt ganz aufgehoben zu sein, unzerspalten und präverbal an der Welt zu partizipieren, die Schranken zwischen Ich und Nicht-Ich verschwunden zu sehen. Oder ist es noch anders: Sollte die Trennung von Körper und Bewußtsein endgültig gemacht werden, ihre Entfernung voneinander riesengroß? „du musst distanz zu den erscheinungen, zu deinen sinneswahrnehmungen halten“, sagt Goldenberg zu Dobyhal (Gesamtwerk), Distanz, die es dann erlaubte zu sagen:

was ist von mir geblieben? ein geräusch fliessenden wassers. natürlich weiss ich, dass nacht ist und vermutlich liegt da irgendwo mein körper. aber was nützt das? (Gesamtwerk).

Ramm:

vom gesichtspunkt der gleichheit sind alle dinge eins, das hab ich vermutet, antwortete goldenberg (Gesamtwerk).

Durch das, was hier als tautologische Identität formuliert wird, geht der Riß.

was ist zu tun, fragte goldenberg. in allem das gleiche zu erkennen, antwortete goldenberg (Gesamtwerk).

Auch das, wie in austauschbarer Beliebigkeit formuliert, läßt den Riß ahnen, nicht nur durch die Figur – lassen wir sie einmal als Person agieren – des sich selbst gegenüberstehenden Goldenberg. Sicher – auf solchen Zitaten lastet auch der Druck der Traditionen von Erkenntnistheorie, Phänomenologie, Sprachphilosophie. So wichtig das ist, ich sehe hier ein fundamentales soziales Moment im Werk Bayers. Was ein Problem von Erkenntnis oder Bewußtsein oder Kommunikation sein könnte und sicher auch ist, was ein Problem privatester Isolation und definitiver Resignation sein könnte und sicher auch das ist, reißt zugleich gesellschaftliche Konventionen ein und durchschlägt alles, was wir als sozialen Konsens – auch kritisch – bisher akzeptiert haben; in der Tiefe dieses Risses werden in unserem allgemein akzeptierten sozialen Umfeld Strukturen sichtbar, deren natürliche oder ethische Gesetzmäßigkeit sich als interessen- und ideologiegesteuertes Reglement erweisen könnte. „Und die Sphären sind eingestürzt und das Verabredete hört auf“ (Ernst Bloch über Konrad Bayer nach dessen Lesung vor der Gruppe 47 in Saulgau 1963. Zitiert nach einem Tonbandmitschnitt des SFB, transkribiert von Erik de Smedt). Bayer ist radikal genug, keine – und wenn auch nur literarischen – Gegenbilder zu entwerfen.

„la la la“, sang goldenberg. „bla, bla, bla“, antwortete braunschweiger. hierauf waren beide, braunschweiger und goldenberg, minutenlang glücklich (Gesamtwerk).

Solche, gewöhnlich als Beleg für die beklagenswerte Zerstörung oder Unmöglichkeit von Kommunikation zitierten, Bilder stecken, wenn ich meinen Überlegungen folge, voller – freilich in unserer gegenwärtigen sozialen Situation radikal unzugänglicher – Hoffnung wie auch das gleiche Gegenbild dazu.

alles ist in bester ordnung, antwortete goldenberg, nur unsere ansichten müssen geändert werden (Gesamtwerk).

Das ist gerade kein – von der Phänomenologie oder von woher sonst auch immer zu erläuterndes – Patentrezept, das ist gerade keine der – im Grunde ahistorischen – literarischen Personifizierungen eines grundsätzlichen Problems, wie sie zum ästhetischen Arsenal traditioneller Literatur gehören, sondern das ist für mich eine bedingungslose Einsicht in die prinzipielle Diskontinuität nicht nur unserer ideologisch verbrämten persönlichen und sozialen Situation, sondern auch von Geschichte überhaupt. Natürlich reichen für solche Thesen vereinzelte Zitate nicht hin. Was aber an solchen Einsichten im Werk Bayers immer wieder hervorbricht, wird bis heute immer wieder abgedrängt in den Problemkreis individualanarchistischer Kommunikationszerstörung – und derlei Vokabeln, so gefährlich sie klingen sollen, sind nicht nur Zeichen ideologischer Borniertheit – „Den Gegenpol seiner Lebensanschauung bildet die Auffassung des dialektischen Materialismus…“ (Töteberg, KLG, a.a.O.) –, sie sind wohl vor allem nichts anderes als blinde Verniedlichung.

Drews:

man könnte sich mit der totalen bedeutungslosigkeit abfinden. ich kann es nicht (Gesamtwerk).

Konrad Bayers Bewunderung für Walter Serner hing vielleicht damit zusammen, daß Serner, überzeugt von der Sinnlosigkeit der Kunst und der Einzelexistenz, von der Fassadenhaftigkeit und Verlogenheit gesellschaftlicher Normen, es offenbar nach der Liquidierung metaphysischer Positionen im manifest dada von 1918 schaffte, neben sich zu treten, vom Nichts, der Nichtigkeit durchdrungen zu sein und sich gleichzeitig wohlzufühlen oder den Zustand doch wenigstens mit Haltung zu ertragen. Als Serner Verhalten und Bewußtsein voneinander getrennt hatte, sogar kaum noch mit dieser Trennung kokettierte, waren Ehrgeiz und Unruhe bei ihm verschwunden. Er lebte mit dem kalten Vergnügen dessen, der etwas wußte, was die anderen nicht wußten; auch er hatte gewissermaßen den „sechsten sinn“, hatte andere Orientierungsfähigkeiten ausgebildet und konnte sie leben: sie gaben ihm Haltung und Zusammenhalt, so sehr, daß er von der avantgardistischen Kunst sogar scheinbar regredieren konnte in die unscheinbaren Spielformen seiner Kriminalgeschichten. Er war wie jener später von Camus apostrophierte Existentialist geworden, dessen Nihilismus ihn nicht daran hindert, mit Vergnügen Hockey zu spielen.
Anders Bayer. Das Neben-sich-stehen, das Neben-seinem-Bewußtsein- und Neben-seinem-Körper-stehen war ihm so etwas wie Voraussetzung für die Möglichkeit von Erkenntnis, aber er litt unter dem Nicht-in-Einklang-sein, Nicht-mit-sich-selbst-identisch-sein. Vielleicht rührt das daher, daß ihm an einem Punkt Zweifel gekommen waren, an dem dem Kraus-Bewunderer Serner offenbar keine grundsätzlichen Zweifel aufgetaucht waren. Serner mißtraute der Kunst, aber offenbar nicht der Kommunikationsmöglichkeit durch Sprache. Konrad Bayer zweifelte am Mitteilen und Verstehen durch Sprache, aber paradoxerweise blieben bis zuletzt doch seine Bemühungen auf so etwas wie Kunst gerichtet.

Ramm:

a: … angeblich werden mehrere herren bemüht sein, sich einander verständlich zu machen.

Drews:

b: das ist ja entsetzlich! (Gesamtwerk)

Gerhard Rühm (Hrsg.): konrad bayer symposium wien 1979, edition neue texte, 1981

Gedenkblatt für Konrad Bayer

I
Zwischen seinem 80. Geburtstag (2012) und seinem 50. Todestag (im vergangenen Oktober) ist Konrad Bayer nach längerer Karenzzeit erneut ins Gespräch gekommen. Einstige Weggefährten wie auch heutige Adepten feiern ihn gleichermassen als literarisches Faszinosum und erweisen ihm auf bald saloppe, bald ehrfürchtige Weise ihre Reverenz. Ob damit die erhoffte „Auferstehung des Konrad Bayer“ bewirkt werden kann, wird sich weisen müssen, scheint aber angesichts der aktuellen Dominanz marktgängiger Befindlichkeitsbelletristik eher fraglich zu sein.
Eine vielstimmige Gedenkschrift für Konrad Bayer hat vor zwei, drei Jahren das Kölner Schreibheft (Nr. 79) unter dem Titel „Spiel auf Leben und Tod“ vorgelegt, mit persönlichen und literarischen Würdigungen, Erstdrucken und Bilddokumenten. In Ergänzung und teilweise im Widerspruch zu den Eingeweihten aus der ehemaligen Wiener Gruppe will ich hier ein paar eigene Reminiszenzen aus den frühen 1960er Jahren nachtragen. Ich tu’s cum grano salis, weil ich naturgemäss nur meine heutigen, um ein halbes Jahrhundert zurückreichenden Erinnerungen festhalten kann, die möglicherweise in Einzelheiten von der damaligen Faktenlage abweichen. Schriftliche Zeugnisse (Briefe, Aufzeichnungen) zu meiner kurzen Bekanntschaft mit Konrad Bayer haben sich nicht erhalten. Auch muss ich unterstreichen, dass ich damals – in jeder Hinsicht ein Anfänger – an den künstlerischen Unternehmungen der Gruppe in keiner Weise beteiligt war. Doch als interessierter Zaungast und als aufmerksamer Zuhörer in manchen Gesprächen konnte ich zumindest als Sympathisant gelten. Die nachfolgenden Notizen beziehen sich auf drei punktuelle Begegnungen mit dem Autor, die einzigen, die mir im Gedächtnis geblieben sind.
Erstmals bin ich Konrad Bayer in Basel begegnet, weiss nicht mehr, auf wessen Veranlassung oder durch wessen Vermittlung. Das Treffen fand im Herbst 1962 in einer Kneipe am Barfüsserplatz statt – 1962, das heisst, ich war zwanzig, Bayer dreissig Jahre alt. Alt ist wohl nicht das richtige Wort für unsre damalige Befindlichkeit. Ich selbst hatte grade eben meinen obligatorischen Militärdienst hinter mir und tat mich etwas unschlüssig, dabei aber mit weitläufigen Interessen an der Universität um, hörte – über Fakultätsgrenzen hinaus – beim Theologen Karl Barth, beim Sozialphilosophen Edgar Salin, beim Allgemeinhistoriker Werner Kaegi, beim Biologen Adolf Portmann, beim Germanisten Walter Muschg. Nebenbei trieb ich als furioser Leser mein Selbststudium der Nordistik und Judaistik voran, hatte auch schon erste Schreibversuche hinter mir.
Konrad Bayer beeindruckte mich sofort durch seine Umtriebigkeit, seine Belesenheit, sein lebenskünstlerisches Genie. Die heitere Jugendlichkeit, die er unangestrengt zur Schau trug, stand für mich, den viel Jüngeren, in auffallendem Kontrast zu seiner offenkundigen Lebenserfahrung, auf die ich am Leitfaden seiner vielen Liebes- und Freundschaftsgeschichten glaubte schliessen zu müssen. Dafür bewunderte ich ihn am meisten. Als Schriftsteller blieb er mir entrückt, es gab von ihm noch kaum etwas Gedrucktes zu lesen, und wenn es um Literatur ging, berichtete er vorzugsweise von seinen umfassenden Lektüren, von Jarry von Vian, von den Surrealisten, am liebsten aber von seiner Beschäftigung mit deutschen Barocklyrik und den Kriminalromanen von Mickey Spillane.
Den dandyhaften Showman, als den man ihn anhand entsprechender Fotografien bis heute gern qualifiziert, konnte ich in ihm nicht erkennen. Vielmehr kam er mir in seiner schlichten, fast ärmlichen Kleidung wie ein hingebungsvoller Handlungsreisender vor – er war mit einem Köfferchen (oder einer grossen Tragtasche? einem Rucksack?) unterwegs, worin er unterschiedlichste Antiquitäten mit sich führte, die er, nach eigenen Angaben, im Wiener Dorotheum erworben hatte, um sie in der Schweiz mit gutem Gewinn zu verkaufen. Einen dieser Gegenstände, eine alte versilberte Kaffeemaschine, die aussah wie ein kleiner Samowar und sich später als unbrauchbar erwies, hat er mir für wenig Geld überlassen. Nach dem Verkauf seiner Mitbringsel wollte Bayer nach Italien reisen, nach Mailand oder nach Venedig, um sich dort erneut mit irgendwelchen Antiquitäten einzudecken, mit Besteck, Spiegeln, Nippes, Vasen, die er danach in Österreich zu verscherbeln gedachte.
Zwei, drei Monate nach diesem ersten Rendez-vous fuhr ich auf Bayers Einladung nach Wien. Ich vergegenwärtige mir die schier endlose Bahnreise, vierzehn Stunden mit dem Nachtzug, die Tasche vollgepackt mit Lesestoff – Hans Henny Jahnn, Arno Schmidt, Ernest Hemingway, Ingeborg Bachmann, Hans Erich Nossack, von der Wiener Gruppe war nur Gerhard Rühm mit seinen konstellationen vertreten, die (falls ich nicht irre) Eugen Gomringer in seinem Frauenfelder Selbstverlag herausgebracht hatte. – Man traf sich in der Wohnung des TV-Regisseurs und Gelegenheitsmalers Aki Ackermann und seiner Frau Rita, beide gehörten, so schien mir, zum engem Freundeskreis von Konrad Bayer, der mit Rita offensichtlich besonders gern und besonders intensiv zugange war – inmitten von einem Dutzend Gästen tanzten die beiden durch die verrauchten Räume, unvergesslich sind mir Bayers grosse Hände, mit denen er, die Finger gespreizt, seine kleingewachsne Partnerin an den Hüften fasste und sie beim Tanzen an sich drückte beziehungsweise sie zu seiner Brust zog, wobei er den Kopf nach hinten warf, den Bauch vorstreckte und die Knie im Slapstickstil immer wieder nach oben riss. Es wurde viel getrunken, gelacht, herumgebrüllt. Ingrid Wiener, mit von der Partie, explizierte in einem Kürzestreferat die Semantik des Dialektworts „Fut“, das ich hier zum ersten Mal zu hören bekam.
Mir blieb unklar, wer in dieser Clique zu wem gehörte, mein Eindruck war eher, dass lauter Einzelgänger umeinander kreisten, die sich momentweise sehr nah kamen, aber auch gleich wieder voneinander abliessen. Irgendwann im Lauf des Abends tauchte mit lässiger Eleganz ein junger Mann auf, der sein Fahrrad mit in die Wohnung brachte und der als Barrabas begrüsst wurde; seine schmale Gestalt kontrastierte auffällig mit seinem üppigen, auf die Schultern fallenden Lockenhaar. Barrabas war’s, denke ich, der schon bald einen spontanen Besuch „bei Veit im Keller“ vorschlug – mit Veit war der Schauspieler und Regisseur Relin gemeint, der mit Maria Schell zusammenlebte und zusammenarbeitete und der zu jener Zeit in Wien ein Kellertheater betrieb. Der Vorschlag provozierte ein vielstimmiges Geheul, das mir wie eine relativ ausgewogene Bekundung von Begeisterung und Ablehnung vorkam. Nach längerem Hin und Her verzichtete man auf den Ausflug, Barrabas griff nach seinem Rad und machte sich allein auf den Weg.
Am nächsten Tag wollten die Partygäste nach Hegenburg oder Hagenberg fahren, um im dortigen Schloss (offenbar Ackermanns Zweitwohnung und Konrad Bayers bevorzugtes Liebesnest) weiterzufeiern. Mir war das zuviel, ich gehörte ja nicht zu der intim vernetzten Sippe, und als ich meinen Verzicht erklärte, meldete mich Bayer sofort zu einem Besuch bei seiner Frau an. Während er mit den Freunden aufs Land fuhr, absolvierte ich anderntags einen Rundgang durch eine Reihe von Buchantiquariaten in der Innenstadt; bei Schaden – „Der Bücherfreund“ – an der Sonnenfelsgasse entdeckte ich in einer Wühlkiste die broschierte Erstausgabe von Ludwig Hohls Nuancen und Details, Band 3, Genf 1942, zum Preis von sieben oder acht Schillingen, ein Bändchen, das noch heute zu den Vorzeigestücken meiner Bibliothek gehört.
Am frühen Nachmittag kam ich dann bei Traudl Bayer im III. Bezirk an, wurde wohlwollend, wenn auch distanziert mit Tee und Gebäck empfangen. Ich habe von der Frau kein klares Bild gewonnen, an ihr war nichts Auffallendes, sie blieb wortkarg, verharrte die ganze Zeit in einem grossen Sessel hinten im Raum, liess mich kommentarlos ihre Bibliothek sichten. Es war ein weiträumiger heller Salon, an dessen Wänden entlang niedrige Regale mit Hunderten von mehrheitlich alten Büchern aufgestellt waren, für mich ein Eldorado, und als ich dann auf die Himmlischen Liebesküsse des Quirinus Kuhlmann stiess, die mir Bayer besonders empfohlen hatte, fühlte ich mich für einen Augenblick – mit dem kleinen, nach Leder und Altpapier duftenden Band in den Händen – wie abgehoben. Doch es gab da noch viele andre Raritäten, und innert kurzer Zeit lernte ich anhand von lauter Erstausgaben Namen kennen, die für mich ganz neu waren – Harsdörffer, Brockes, Sibylla Schwartz. Ich war nach all den Entdeckungen und Premieren mehr als saturiert, liess mich noch auf ein knappes Gespräch mit Traudl Bayer ein, lobte beiläufig die geschmackvolle Einrichtung, fragte ohne wirkliches Interesse nach der Herkunft des riesigen Schaukel- oder Karusselpferds, das in einer Zimmerecke aufgestellt war, und verabschiedete mich bald mit einem reichlich ungeschickten Handkuss von der schweigsamen Dame.
Ein Jahr danach traf ich Konrad Bayer noch einmal – ein letztes Mal – in Basel. Wieder war er mit seinem kleinen Koffer angereist, nebst den üblichen Antiquitäten hatte er einige Hefte der edition 62 dabei, die kurz zuvor, von ihm herausgeberisch betreut, erschienen waren. Mit der edition 62 (sie wurde nach zwei Nummern wieder eingestellt) sollte die Poetik der Wiener Gruppe durch Originaltexte dokumentiert werden, dies aber fern aller Indoktrination, wie man sie von der damaligen deutschen Avantgarde kannte. Mit leichter Hand und scharfem Witz wurden hier auf wenigen Seiten radikal neue Schreibbewegungen vorgeführt, ohne dass man auf irgendwelche Theorien pochte – den literarischen Beiträge (darunter Bayers „signal“) war die Theorie gewissermassen eingeschrieben oder, anders herum, die Theorie gewann in diesen Texten literarische Qualität. Nach Bayers Wunsch gab ich dann mehrere Probehefte der edition 62 bei einigen mir bekannten Buchhändlern in Kommission, unter anderm bei Hans Werthmüller am Basler Spalenberg und bei Heinz Szadrowski am Barfüsserplatz. Meines Wissens wurde keins der Hefte verkauft, und da Bayer sie nicht zurückhaben wollte, sind sie wohl verschenkt oder anderswie entsorgt worden.
Konrad Bayer hatte zu diesem zweiten Treffen auch das Skript seines Prosabuchs der kopf des vitus bering mitgebracht. Vor meinen Augen blätterte er darin herum, gab es mir aber nicht zum Lesen und las mir auch nicht daraus vor. Dass er auf Verlagssuche war, erfuhr ich erst kurz vor seiner Weiterreise nach Olten, wo er Otto F. Walter besuchen und als Verleger gewinnen wollte. Also fragte er mich, von der Waggontreppe herab, ganz rasch noch über Walter aus: ob und wie ich ihn kenne, was ich von ihm halte, wie ich seine Interessen einschätze, ob er sich wohl „für so etwas“ – er wies auf sein Typoskript, das er gerollt unterm Arm trug – erwärmen könne usf. Ich kannte Walter seit meinem siebzehnten Altersjahr, war ihm wiederholt bei Lesungen begegnet, hatte manche Gespräche mit ihm geführt, schätzte ihn als Schriftsteller, war begeistert von seinem Verlagsprogramm. Ob er allerdings mit Bayers „bering“ etwas würde anfangen können, darüber hätte ich nur spekulieren können. Ich liess die Frage offen, bat aber Bayer – so als hätte ich damit irgendetwas bewirken können –, er möge Otto F. Walter von mir grüssen.
Ich bin Konrad Bayer danach nicht wieder begegnet, sein Gespräch mit dem Verleger soll harzig verlaufen sein, doch wie man weiss ist der kopf des vitus bering 1965, ein Jahr nach dem Freitod des Autors, in der prestigiösen Reihe der „Walter-Drucke“ erschienen. Der Text gilt seither als sein Hauptwerk und darüber hinaus als eine epochale Hinterlassenschaft der Wiener Gruppe.

II
Fast ein halbes Jahrhundert ist seit der Erstpublikation von Konrad Bayers kopf des vitus bering vergangen. Zum 100. Todestag des Autors legt nun der Verlag Jung & Jung in der Bibliothek „Österreichs Eigensinn“ eine kommentierte Neuausgabe vor1 – guter Grund und willkommener Anlass zum Wiederlesen, aber auch zur Neubefragung dieses Vorzeigetexts, dessen formaler Radikalismus im zeitgenössischen deutschsprachigen Literaturbetrieb bestenfalls verstörend, aber kaum noch anregend wirken dürfte – die heute marktgängige Erzählliteratur mag sich auf Experimente nicht mehr einlassen, sie tendiert weit mehr zu Anpassung und Gefühligkeit als zu Widerstand und Innovation.
Bayers „bering“ erschien zu einer Zeit, da Autoren wie Böll, Frisch, Walser, Wohmann, Hildesheimer oder Ingeborg Bachmann das Sagen hatten, sich aber auch dem Einspruch, wenn nicht der Provokation einer machtvollen Avantgarde ausgesetzt sahen, die damals nicht nur über namhafte Protagonisten (Heissenbüttel, Gomringer, Jandl, Rühm, Mon u.a.m.) verfügte, sondern auch von führenden Verlegern und Kritikern unterstützt wurde. Tempi passati! Vorm Hintergrund aktueller Erfolgsprosa – der Deutsche wie der Schweizer Buchpreis bieten die Beispiele dafür – nimmt sich Konrad Bayers Erneuerungs- und Ermutigungsversuch aus den frühen 1960er Jahren fast schon wie ein clownesk-melancholischer Gratisakt aus. Hat noch Oswald Wiener mit Die Verbesserung von Mitteleuropa, Roman (1969) an Bayers Vorgaben angeknüpft und sie auf eigne Weise produktiv gemacht, sind die alternativen, experimentell intendierten Schreibimpulse eben doch schon bald wieder geschwunden, abgelöst zunächst durch eine sozial- und ideologiekritische „Literatur des Faktums“ (Arbeiter-, Betriebs-, Reportageliteratur), dann durch eine realistisch angelegte Bekenntnis- und Befindlichkeitsprosa, die bis heute in Form von Familien-, Vater-, Tochter-, Liebes-, Trennungs-, Krankheits- oder Drogengeschichten ihren Vorrang behauptet.
Angesichts solcher formalen wie thematischen Nivellierung könnte Konrad Bayers Vermächtnis neue Relevanz gewinnen. Mit seinem kopf des vitus bering liefert er ein nach wie vor rezentes Beispiel dafür, dass und wie konventionelles Erzählen dekonstruiert und dadurch erweitert werden könnte – wobei als „konventionell“ inzwischen auch schon die kompilative Wikiprosa zu gelten hat, die sich vorwiegend aus dem Abschöpfen von Internetquellen speist und gern mit exotischen oder historischen Stoffen daherkommt.
Von exotischem Faszinosum und historischen Interessen ist zwar auch der kopf des vitus bering geprägt, doch wird damit kein narratives Kontinuum simuliert, vielmehr bietet Bayer eine Auslegeordnung heterogener Materialien, die sich dem linearen Erzählen beziehungsweise Erzähltwerden entziehen und eben dadurch zu spontaner eigensinniger Assoziation anregen. Hier kommt es nicht darauf an, den Text als abgeschlossnes Werk zu begreifen und auszudeuten, vielmehr darauf, mit dem Text etwas anzufangen, also von ihm auszugehn, um etwa Anderes, Zusätzliches, Weiterführendes zu bewerkstelligen, einen supplementären Text gewissermassen. Bayer stellt dafür Spielfiguren bereit, die unter wechselnden Namen, mit wechselndem Charakter und in wechselnder Funktion auftreten können, unabhängig von Zeit und Raum, abhängig eher von Zufällen als von irgendwelchen Normen oder Regulativen.
Gleich auf der ersten Textseite werden kurz und bündig die Schöpfungsgeschichte und das Schachspiel evoziert, die einander nach herkömmlichem Verständnis ausschliessen, an dieser Stelle jedoch in problemloser Übereinstimmung zusammenfinden. Ob Kaiser oder Zar, Gott oder König – egal, die Hauptfigur „konnte sich sowohl vorwärts als auch rückwärts bewegen. der könig zog auf ein feld. lange vorher nahm gott ein stück lehm und knetete den menschen, der ebenso aussieht, wie gott. der mensch kann sich sowohl vorwärts als auch rückwärts bewegen.“ Punkt. Das ist unbedarft, vielleicht auch bloss unelegant ausgedrückt, doch so soll es sein, und so geht es denn bei Bayer über knapp hundert Seiten zwanglos weiter, mit zumeist holprigen, oft inkohärenten Sätzen, die zu Mikrotexten im Umfang von einer halben Zeile bis zu vier, fünf Druckseiten verkoppelt werden – banale Feststellungen und Aufzählungen, ungehobelte Gedankensplitter ohne jede aphoristische Zuspitzung, zahllose Exzerpte aus Lexikon- und Zeitungsartikeln, Zitatbrocken aus mythischen Narrativen und wissenschaftlichen Abhandlungen, aber nichts Lyrisches, nichts Gefühliges.
Erzählfiguren, Requisiten, Raum- und Zeitpunkte bewegen sich unvorhersehbar „sowohl vorwärts als auch rückwärts“, die physische Welt ist ebenso out of joint wie die historische Chronologie. Man lese… man sehe:

als vitus bering gegen eine kante stiess, richtete er seinen blick gegen den mond und prallte von den wolken, die sich mittlerweile vorgeschoben hatten, auf die spitze der kathedrale von petersburg, hüpfte noch ein wenig über schornsteine und dächer, bis er nachdenklich auf die schwarzen stiefelspitzen fiel, welche seine stiefel in richtung nord abschlossen.

Und dementsprechend können denn auch auf einer einzigen Druckseite so unterschiedliche Daten wie 1698, 1725, 1829, 1697 gleichsam synchron geschaltet werden, so dass sie sich zu einem einzigen ephemeren Zeitpunkt fügen, an dem wiederum unterschiedlichste Ereignisse zu befremdlicher Übereinstimmung kommen. Bayer über seinen Titelhelden:

da sah er die festung und das war petersburg und die luft war angenehm und da atmete er, dass er es merkte; und er war froh, dass er da war, wo er war, und er dachte auch gar nicht weiter…

Alles kann sich hier mit allem treffen, der Kapitän muss gar nicht erst auslaufen, um seine Seekriege auszufechten und unbekannte Inseln für den Zaren zu entdecken, da er eben schon immer und überall vor Ort ist.
Als Galionsfigur des Buchs fungiert der jütländische Seefahrer Vitus Bering, der unter Peter dem Grossen jahrelang als Admiral der russischen Kriegsflotte und zuletzt als Entdeckungsreisender in Fernost engagiert war. Besonders heroisch tritt dieser Held jedoch nicht in Erscheinung, er ist schwer gebeutelt von Krankheiten, Allergien, Zweifeln, Ängsten und Traumata aller Art, er ist – bei all seinen Verdiensten – ein verzagter Jedermann, eine entkernte Persönlichkeit, die stets auch jemand anderes sein könnte, mithin also eigentlich ein Niemand ist, eine Unperson, die lediglich das repräsentiert, was sie nicht ist. In einem wortkargen „monolog“ glaubt Vitus Bering gleichwohl – oder eben deshalb – bekennen zu müssen: „ich bin vitus bering.“ Damit versucht er, von der schnöden Tatsache abzulenken, dass er schlicht eine Null ist.
Konrad Bayer porträtiert seinen desolaten Antihelden ebenso lapidar wie komisch in Form einer „nichts“ sagenden Aufzählung:

vitus bering war weder zar peter I. oder der grosse noch georg schweinfurth, auch war vitus bering nicht dr. hahl nicht dr. fridtjof nansen nicht könig munsa nicht oberstleutnant dodge nicht guizot nicht professor sepp nicht fürst von waldburg-zeil auch nicht antonio vecerina oder beethoven nicht könig ludwig XIV. nicht sverdrup nicht oberleutnant payer nicht schiffsfähnrich orel nicht james cook nicht simon deschneff nicht sir martin frobisher nicht john davis nicht henry hudson nicht parry nicht franklin nicht john ross nicht mclure nicht nordenskjöl nicht umberto cagni nicht amundsen nicht robert e.parry oder timur tamerlan.

Und noch beliebig viele andre Personen war – und ist – Admiral Bering nicht. Vitus (die männliche Form von „vita“, das Leben) bleibt eine Figur ex negativo, eine Hohlform, ein fleisch- und geistloser Schädel, vollgedröhnt mit lauter Echos, die ihn, woher auch immer, erreichen und die seine ganze „Erfüllung“ sind. Von daher rührt wohl sein permanentes Bedürfnis, sich zu erbrechen und zu defäkieren.
Dieses Bedürfnis wird plausibel angesichts dessen, was sich in Vitus Berings Kopf als durchweg furchterregende Szenenfolge abspielt: Mord, Totschlag, Folterung, Opferung, Leichenfledderei und Leichenfrass werden festgehalten wie grell ausgeleuchtete Standbilder aus einem Horrorfilm, und dies durchweg auf der Folie christlicher Kommunion, durch die er sich verpflichtet fühlt, „den leib seines herrn, den er für seinen vater und dessen sohn hielt, zu essen“. Die konsequente Engführung beziehungsweise Gleichsetzung christlicher und heidnischer Rituale ergibt den Leitfaden, der die gesamte labyrinthische Textanlage durchzieht und dann doch einen gewissen Zusammenhalt zwischen den vielen disparaten Teilstücken stiftet.
In einem umfangreichen, dem Text beigefügten „Index“ belegt Bayer diesen prekären Zusammenhalt durch eine Zitatenlese, die einerseits die legendäre Gestalt des Vitus Bering, anderseits dessen hauptsächliche Kopfgeburten zu erhellen scheint, sie aber tatsächlich eher noch mehr verunklärt – darunter die oftmals wiederkehrenden Motive der Enthauptung, des Kannibalismus, der Epilepsie, der Ekstase, der Elevation und der Farbe Blau. Angesichts der von Bayer herbeizitierten oder auch frei imaginierten Szenen menschlicher Niedertracht und Umnachtung klingt es wie zynischer Hohn, wenn er als seine „allgemeine hypothese“ festschreibt:

das wichtigste geschöpf auf erden ist der mensch.

An andrer Stelle rapportiert Bayer aus Blaise Cendrars Roman Moravagine die scheinbar paradoxale Aussage, wonach „die Krankheiten da sind“, von uns aber nicht beherrscht werden können und deshalb besser als „die Gesundheit selbst“ aufgefasst werden sollten – ein Musterbeispiel für seine eigene alogische Gedankenführung, die wenig zu verstehen, dafür aber sehr viel zu denken gibt. So auch ein Satz wie dieser:

bewegungslos spannte das trommelfell im linken ohr des laternenhändlers.

Unverständlich zwar, doch implizit eine Aufforderung an uns Leser, dem Satz einen Sinn zu verleihen und ihn uns auf diese Weise zueigen zu machen. Wer Bayer liest, ist stets auch mit sich selbst zugange.
In einem seiner späten Briefe bekannte der durch kritischen Widerspruch verunsicherte Autor etwas kleinlaut, er schreibe „nur für den bemühten leser, für den, der einige anstrengung auf sich zu nehmen bereit ist“; er dürfte damit an eine minderheitliche Leserschaft gedacht haben, für die der Sinn des Buchs mit dessen Lektüre noch keineswegs erreicht und begriffen ist, dies in der Einsicht, dass die Sinnbildung nicht vom Autor gewährleistet wird, sondern vom Leser selbst zu bewerkstelligen ist. Was bei starker Literatur wohl schon immer der Fall war und auch gar nicht anders sein kann. Hat das Alphabet einen Sinn? Sehr wohl, meint Konrad Bayer, aber nur dann, wenn man sich bemüht, es neu zu arrangieren als Gedicht oder Geschichte. Und für das Gedicht wie für die Geschichte gilt ein Gleiches – Literatur überdauert, solang ihr immer wieder neuer Sinn zugeführt wird. Darauf ist der kopf des vitus bering geradezu programmatisch angelegt, ein Text, der das Verständnis erschwert, um die individuelle Sinnbildung auf Leserseite zu erleichtern.

Felix Philipp Ingold, Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014

 

Jörg Drews/Klaus Ramm (Gespräch): das ist ja entsetzlich. Verdoppelte Bemühung, sich über Konrad Bayer verständlich zu machen.

Ann Cotten: Statement zu Konrad Bayer

Lydia Mischkulnig: Einstimmer. Über Konrad Bayer

 

KONRAD SCHAU AUFFE

konrad schau auffe
sagte artmann im hawelka
aaawährend er unter den marmortisch
aaaaaaauf den holzboden schaute
noch wussten die freunde
wie er getan und gesagt hatte
michel war noch gekleidet wie er
kurtis diktion war noch
aaavom vielen gemeinsamen
aaaaaazum erschrecken ähnlich
seine frauen wussten noch
aaaaaawie er sich angefühlt hat
traudl verglich huberts haar
nach jahr und tag
aaaaaanoch mit seinem haar

heute sind ihm emsige germanisten
aaanäher als manche seiner freunde
sie kriechen in seinen stil
sie schlüpfen in seinen satzbau
parataxe bei fuss
aaaaaaaaafass mal
das erfassbare wird ausgebreitet
aaaaaaaaa(allerdings für jedermann)
das unfassbare bleibt wo es ist
aaaaaaaaa(wozu also die sorgen der besorgten)

Elfriede Gerstl

 

KONRAD SCHAU AUFFE

Konrad schau auffe
sagte Artmann im Hawelka
aaawährend er unter den Marmortisch
aaaaaaauf den Holzboden schaute
noch wussten die Freunde
wie er getan und gesagt hatte
Michel war noch gekleidet wie er

Kurtis Diktion war noch
aaavom vielen gemeinsamen Reden
aaaaaazum Erschrecken ähnlich
seine Frauen wussten noch
aaaaaawie er sich angefühlt hat
Traudl verglich Huberts Haar
nach Jahr und Tag
aaaaaanoch mit seinem Haar
Heute sind ihm emsige Germanisten
aaanäher als manche seiner Freunde
sie kriechen in seinen Stil
sie schlüpfen in seinen Satzbau
Parataxe bei Fuss
aaafass mal
das Erfassbare wird ausgebreitet
aaa(allerdings für jedermann)
das Unfassbare bleibt wo es ist
aaa(wozu also die Sorgen der Besorgten)

Manche die ihm nahe waren
aaadenken ungern an ihn
aaaaaader ihre Jugend war
oder verehren ihre Erinnerung
oder hüten sie wie einen Schatz
aaaden sie preisgegeben
aaaaaaverloren glauben
was er zurückgelassen hat
aaaaaaaaaaaaPhotos, Briefe, Notizen
ist für den einen Besitz
aaaaaaaaaaaadessen Wert er geduldig steigen sieht
liegt vergessen in einer Kammer
aaaaaaaaaaaazwischen „unmöglich“ gewordenen Kleidern
ist für andere Reliquie
aaaaaaaaadie man vor fremden Augen verbirgt
aaaaaaaaaaaaals könnte sie ihren Zauber verlieren.

Elfriede Gerstl

 

 

Zum 80. Geburtstag des Herausgebers:

Michael Lentz: Spiel ist Ernst, und Ernst ist Spiel
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.2.2010

Paul Jandl: Dem Dichter Gerhard Rühm zum 80. Geburtstag
Die Welt, 12.2.2010

Zum 85. Geburtstag des Herausgebers:

Apa: „Die Mutter der Wiener Gruppe
Salzburger Nachrichten, 12.2.2015

Fakten und Vermutungen zum Herausgeber + Vita + ÖMKLG +
Archiv 1 & 2 + Internet Archive + Kalliope
Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde OhlbaumGalerie Foto Gezett +
Dirk Skiba AutorenporträtsBrigitte Friedrich Autorenfotos +
Keystone-SDA + deutsche FOTOTHEK
shi 詩 yan 言 kou 口

 

Gerhard Rühm liest seine seufzer prozession am 10.11.2009 in der Alten Schmiede zu Wien.

 

Gerhard Rühm und Monika Lichtenfeld lesen unter anderem Sprechduette beim Literaturfestival Sprachsalz im Parkhotel bei Hall in Tirol (10.–12.9.2010)

 

Zum 50. Todestag des Autors:

Christian Lindner: Die Qual der Sinnlosigkeit
Deutschlandfunk, 10.10.2014

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Porträtgalerie: Keystone-SDA

 

Konrad Bayer mit sehr einfachen Schritten in dem Film SONNE HALT!

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