Hans Carl Artmanns Gedicht „WENN IM ÖFLEIN S FEUER KRACHT,…“

HANS CARL ARTMAN

WENN IM ÖFLEIN S FEUER KRACHT,
winter durch das fenster lacht
wenn die flocken lustig toben,
sollst den lieben werwolf loben.

fröhlich streunt er durch das feld,
fühlt den frieden dieser welt,
sträubt sein fellchen voller wonne,
frank und frei von aller sonne.

liebe kinder, nichts wie raus!
hurtig aus dem vaterhaus,
nehmt vom süßen weihnachtskuchen,
geht mit ihm den werwolf suchen.

1967

aus: H.C. Artmann: Sämtliche Gedichte. Unter Mitwirkung und in der Anordnung des Autors hrsg. von Klaus Reichert. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2003

 

Konnotation

Allerleirausch: Der Titel der erstmals 1967 erschienenen Sammlung mit „Neuen schönen Kinderreimen“ signalisierte die provokativen Absichten des Wortkünstlers und Sprachzauberers Hans Carl Artmann (1921–2000). Gegenüber der klassisch-texttreuen Kindervers-Anthologie, die Hans Magnus Enzensberger 1961 unter den Märchen-Titel Allerleirauh gestellt hatte, setzte Artmann auf die Radikalisierung der Motive des Unheimlichen. Das Märchenhaft-Verspielte und das Grauenvolle gehen bei ihm Hand in Hand.
Die begütigende und idyllisierende Weihnachtsgeschichte wird von Artmann frech durchkreuzt mit Motiven aus dem Horror-Genre. Der Werwolf, der nächtens auf Beutezug geht, bricht in die friedliche Weihnachts-Atmosphäre ein. Trotz der gruseligen Motivik behält Artmann den märchenhaften Kindervers-Ton bei – das steigert die reizvolle Kontrastwirkung des Textes.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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