Heinrich Heines Gedicht „Der Tod, das ist die kühle Nacht“

HEINRICH HEINE

Der Tod, das ist die kühle Nacht

Der Tod, das ist die kühle Nacht,
Das Leben ist der schwüle Tag.
Es dunkelt schon, mich schläfert,
Der Tag hat mich müd gemacht.

Über mein Bett erhebt sich ein Baum,
Drin singt die junge Nachtigall;
Sie singt von lauter Liebe,
Ich hör es sogar im Traum.

1823/24

 

Konnotation

Sein Buch der Lieder (1827), die erfolgreichste Sammlung der europäischen Liebeslyrik im 19. Jahrhundert, hat Heinrich Heine (1797–1856) aus zeitlichem Abstand mehrfach ironisiert, seine Gedichte als „in Honig getauchte Schmerzen“ bezeichnet. Es war wohl die Sentimentalität des Tonfalls, die durch keine ironische Gegenrede gebrochene Empfindung von Liebe und Schmerz, von Lebenslust und Lebensmüdigkeit, die ihm später problematisch erschien. Eins der schönsten Stücke aus dem Buch der Lieder findet sich in der Abteilung „Heimkehr“.
Dutzende von Komponisten, unter ihnen Johannes Brahms, haben das 1823/24 entstandene Lied vertont, in dem der junge Heine seinem Ideal der Liebe hinterher träumt. Das Gedicht ist auf einfachsten Gegensätzen aufgebaut: Die klar konturierte Nacht steht gegen den indifferent zerfließenden Tag, die Lebensmüdigkeit gegen den Traum der reinen Liebe. Zum ersten Mal taucht auch jener Vogel auf, der häufiger in Heines Liebesliedern jubiliert: die Nachtigall.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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