Helga M. Novaks Gedicht „zum Erfrieren schön“

HELGA M. NOVAK

zum Erfrieren schön

dies Wetter ist zum Erfrieren schön
ein Toben Zischen Pfeifen unterm Dach
jetzt sind die Lampen ausgefallen also
die Kerzen her wo ist das Feuerzeug

muß meinen Tee alleine trinken diese Nacht
bei solchem Sturm kommt keiner mehr
wo sind die Stiefel wo die Taschenlampe
ich will noch aus dem Hause gehn bei diesem
Wetter zum Erfrieren schön

nach 1994

aus: Helga M. Novak: solange noch Liebesbriefe eintreffen. Gesammelte Gedichte, Schöffling & Co., Frankfurt a.M. 1999

 

Konnotation

Von „rohen Daseinsformen“ weiß uns die 1935 in Berlin-Köpenick geborene Helga M. Novak zu berichten, seit sich die in der DDR unerwünschte, in Island und der BRD aber auch nicht heimisch gewordene Dichterin nach 1987 in die masurischen Wälder zurückzog. In den mythologisch stark aufgeladenen Gedichten der Bände Märkische Feemorgana (1989) und Silvatica (1997) geht es um eine nomadisierende Existenz zwischen „krummen geduckten Fährtenlesern“ und hungrigen Wildbeutern, die durch Sand und Moor oder durch bedrohlich labyrinthische Wälder geistern.
Das „wilde wibe“, das in Silvatica spricht, feiert selbst die Abgeschiedenheit an einsamem Ort als „schöne“ Daseinsform. Helga M. Novaks Gedichte betreiben einen geringen verbalen Aufwand: Sie kommen mit wenigen Metaphern aus, ihre poetische und existenzielle Intensität gewinnen sie aus der lakonischen Fügung einfachster sinnlicher Bilder, die mit archaisierenden Einsprengseln aufgeladen werden.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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