Johann Wolfgang von Goethes Gedicht „Was Völker sterbend hinterlassen“

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JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

Was Völker sterbend hinterlassen

Was Völker sterbend hinterlassen,
Das ist ein bleicher Schattenschlag:
Du siehst ihn wohl, ihn zu erfassen
Läufst du vergeblich Nacht und Tag.

Wer immerdar nach Schatten greift,
Kann stets nur leere Luft erlangen:
Wer Schatten stets auf Schatten häuft,
Sieht endlich sich von düstrer Nacht umfangen.

1806

 

Konnotation

Am 6. August 1806 verzichtet der deutsche Kaiser Franz II. unter dem Druck Napoleons auf die Kaiserkrone – und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hört auf zu existieren. Diesen epochalen geschichtlichen Augenblick hält Goethe (1749–1832) vermutlich noch am gleichen Tag in den acht Zeilen seines titellosen Gelegenheitsgedichts fest.
Der damals als Minister am Weimarer Hof tätige Goethe hegte eine Abneigung gegen die Geschichte. Sie gilt ihm als „verworrener Quark“ und als „das Absurdeste, was es gibt“. Sein Gedicht, das er zu Lebzeiten nie veröffentlichte, spricht skeptisch von der Möglichkeit historischer Reflexion: Es vergleicht sie mit dem vergeblichen Griff nach „Schatten“. Die welthistorische Turbulenz der napoleonischen Kriege veranlasste Goethe noch in einem Vorwort zu seiner Schrift Dichtung und Wahrheit zu einem fatalistischen Resümee: „Geschichte, selbst die beste, hat immer etwas Leichenhaftes, der Geruch der Totengruft“.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

1 Kommentar

  1. Was für ein Gedicht in unserer bellizistischen Zeit!

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„Suppe Lehm Antikes im Pelz tickte o Gott Lotte"

Löschblatt

löst Schatten ab; labt Blössen; schön und satt: täuscht bald.

Michel Leiris ・Felix Philipp Ingold

– Ein Glossar –

lies Sir Leiris leis

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