Karl Rihas Gedicht „Sonett“

KARL RIHA

Sonett

so weit so gut so zart so nett
so viel so kurz so stein so brett
so voll so leer so schwarz so breit
so still so klar so fluß so zeit

so rat so tat so weiß so heiß
so hart so spitz so preis so fleiß
so spiel so ball so ziel so grell
so kopf so zahl so sinn so hell

so fort so dann so bald so schall
so hieb so stich so spalt so prall
so zier so starr so form so streng

so blut so blitz so ritz so knall
so hall so bild so fuß so fall
so reim so leim so kunst so eng

nach 1980

aus: Karl Riha: in diesem / diesem moment. Machwerk Verlag, Siegen 1984

 

Konnotation

In seiner Zeit als Literaturprofessor in Siegen (1975–2000) hat der 1935 geborene Karl Riha eine ausgeprägte Neigung zu den ketzerischen Sprach- und Formspielen des Dadaismus entwickelt. Als Dichter hat er sich ein Vergnügen daraus gemacht, eine der strengsten Gedichtformen, das Sonett, als Instrument für originelle Sprachexerzitien zu nutzen.
Das Sonett „besteht / aus vierzehn zeilen, die sich auf zwei quartette und / zwei terzette verteilen“. Diese – selbstverständlich in Sonettform vorgetragene – Einsicht hat Riha in einem Band mit visuellen und travestierenden Gedichten in oft kurioser Weise durchexerziert. Ausgebend von der Aufspaltung des Wortes „Sonett“ in „so nett“, zelebriert Riha im vorliegenden Fall die Reihung einsilbiger Wörter in mechanisch wirkender Weise. So wird anschaulich demonstriert, dass Literatur, wie die Theoretiker der experimentellen Literatur behaupten, „nicht aus Vorstellungen, Bildern, Empfindungen… usw. besteht, sondern aus Sprache, dass sie es mit nichts anderem als Sprache zu tun hat“ (Helmut Heißenbüttel).

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

1 Antwort : Karl Rihas Gedicht „Sonett“”

  1. Joachim Traub sagt:

    so fern so gar so wie so fort
    in elfter zeil beim letzten wort
    vermisse ich so streng das g
    so weit so mit so gut so weh

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