Karoline von Günderrodes Gedicht „Wunsch“

KAROLINE VON GÜNDERRODE

Wunsch

Ja Quitos Hand, hat meine Hand berühret
Und freundlich zu den Lippen sie geführet,
An meinem Busen hat sein Haupt geruht.

Da fühlt ich tief ein liebend fromm Ergeben.
Mußt ich dich überleben, schönes Leben?
Noch Zukunft haben, da du keine hast?

Im Zeitenstrome wirst du mir erbleichen,
Stürb ich mit dir, wie bei der Sonne Neigen
Die Farben all’ in dunkler Nacht vergehn

1804

 

Konnotation

Schon oft hatte ich den unweiblichen Wunsch, mich in ein wildes Schlachtgetümmel zu werfen, zu sterben“, schrieb die unglückliche Romantikerin Karoline von Günderrode (1780–1806) in einem ihrer legendären Briefe. Ihren enzyklopädischen Wissens- und Lebenshunger vermochte die von ihren Eltern in ein lutherisches Stift abgeschobene Dichterin nie zu stillen; die Literaturgeschichte verdankt ihr einige bewegende Liebesgedichte.
Ihre Liebe zu dem verheirateten Mythologen Friedrich Creuzer, mit dem sie das Interesse an frühgeschichtlichen Kulturen, nicht aber das Leben teilen konnte, wurde der Günderrode früh zum Verhängnis. In ihren 1804 unter dem Pseudonym Tian veröffentlichten „Gedichten und Phantasien“ finden sich einige unvergesslich wehmütige Verse von der Absolutheit und der Vergänglichkeit der Liebe. Im Zustand des „liebend fromm Ergebens“ wird das Ich hier von Vorahnungen des Todes erfasst. Als die Beziehung mit Creuzer gescheitert war, blieb der Günderrode nur der Suizid.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00