Paul Celan: Die Silbe Schmerz

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Paul Celan: Die Silbe Schmerz

Celan-Die Silbe Schmerz

DIE SILBE SCHMERZ

Es gab sich Dir in die Hand:
ein Du, todlos,
an dem alles Ich zu sich kam. Es fuhren
wortfreie Stimmen rings, Leerformen, alles
ging in sie ein, gemischt
und entmischt
und wieder
gemischt.

Und Zahlen waren
mitverwoben in das
Unzählbare. Eins und Tausend und was
davor und dahinter
größer war als es selbst, kleiner, aus-
gereift und
rück- und fort-
verwandelt in
keimendes Niemals.

Vergessenes griff
nach Zu-Vergessendem, Erdteile, Herzteile
schwammen,
sanken und schwammen. Kolumbus,
die Zeit-
lose im Aug, die Mutter-
Blume,
mordete Masten und Segel. Alles fuhr aus,
frei,
entdeckerisch,
blühte die Windrose ab, blätterte
ab, ein Weltmeer
blühte zuhauf und zutag, im Schwarzlicht
der Wildsteuerstriche. In Särgen,
Urnen, Kanopen
erwachten die Kindlein
Jaspis, Achat, Amethyst – Völker,
Stämme und Sippen, ein blindes

Es sei

knüpfte sich in
die schlangenköpfigen Frei-
Taue –: ein
Knoten
(und Wider- und Gegen- und Aber- und Zwillings- und Tau-
sendknoten), an dem
die fastnachtsäugige Brut
der Mardersterne im Abgrund
buch-, buch-, buch-
stabierte, stabierte.

 

 

 

Von ähnlicher Wegsuche im Dunkel

– Zu Gedichten von Ingeborg Bachmann und Paul Celan bei Insel und Aufbau. –

Johannes Bobrowski starb 1965 achtundvierzigjährig in Berlin, Paul Celan suchte in Paris 1970 fünfzigjährig den Tod in der Seine, Ingeborg Bachmann erlag 1973 siebenundvierzigjährig schweren Verbrennungen in Rom – drei Dichter, von denen heute sicher ist, daß sie Bleibendes schufen, die früh und fast gleichaltrig starben. War ihr Werk abgeschlossen? Wer wollte das sicher entscheiden! Aber im Rückblick kommt das Nachdenken an kein Ende.
Es fügt sich glücklich, daß Ingeborg Bachmann und Paul Celan jetzt gleichzeitig in zwei Verlagen unserer Republik mit ihrem lyrischen Werk präsentiert werden.
(…)

Von ähnlicher Wegsuche im Dunkel, nur weit radikaler, handelt Paul Celans weit umfänglicheres lyrisches Werk, das Klaus Schuhmann im Aufbau-Verlag erstmalig in einer repräsentativen Auswahl aus allen zehn Gedichtbänden vorstellt. Was dieser deutschsprachige Jude aus der Bukowina, dessen Eltern im Konzentrationslager endeten, je schrieb, entstand unter dem Schatten des Todes, dem sein Leben bis zum Freitod nicht mehr entkam. Trotz aller politisch-zeitkritischen Implikationen, die je und je in seinen Versbüchern begegnen, sucht Celans Gedicht im ganzen eben das, was jenseits aller Mitteilbarkeit und Sprache steht, den Freiraum des Unsagbaren, die Entwürfe restlos anderen Daseins. Das läßt die lyrische Sprache sich gegen alle herkömmliche Sprache wenden, macht sie hermetisch, zur unlernbaren Sprache einer neuen Wirklichkeitssuche, zur Sprache an den Rändern des Schweigens vor allem. Was erkennbar wird, sind Richtungen, lauterste Bemühungen, aber der größere Teil bleibt verschlüsselt, dunkel, völlig in sich gekehrt.
Dennoch ist von diesen Gedichten eine kaum absehbare Wirkung ausgegangen. Das ist nur erklärbar aus ihrem in aller Schwer- bis Unverständlichkeit so bezwingenden Duktus, der jeden Verdacht auf elitär-unverbindliches Sprachexperiment von sich weist. Die kühne, immer knapper, immer konzentrierter werdende Sprache, fern aller Prophetengeste, aber voll unerhörter Bildfindung, weist den Impetus der Gedichte als aus tiefstem Leiden, tiefstem Ernst, tiefster Sehnsucht kommend und also als zutiefst Humanes aus. Dazu verwurzelt in Herkünften, die uns, kennten wir sie besser, manchen Fingerzeig geben würden: Kabbala, Chassidismus, Altes Testament, die Sprache der deutschen Mystik, magische Sprachpraxis. Das Unsagbare angehend, ist die deutsche Sprache kaum je so sprachschöpferisch, freilich auch kaum je so dicht am Verstummen gewesen. In Celans erhellender Rede anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises (sie ersetzt als Zugabe ein wenig das fehlende Nachwort des Bandes) spricht der Dichter vom „Immer-Noch des Gedichtes“, aber auch davon, daß jedes Gedicht – also auch das seine noch – ein Gegenüber braucht, dem es sich zuspricht. Celans Gedichte sprechen zu uns, wie dunkel auch immer.

Eberhard Haufe, Thüringer Tageblatt, 9.10.1980

Weitere Beiträge zu diesem Buch:

Johannes Maassen: (Zu: Die Silbe Schmerz)
Deutsche Bücher (Amsterdam), 11. 1981. Heft 4

Dorothea von Törne: Worte gegen die Pest
Sonntag (Berlin, DDR). 12.7.1981

 

Paul Celan

Das Österreich-Lexikon in zwei Bänden (Wien und München 1966) verzeichnet mit Selbstverständlichkeit den Dichter Paul Celan. Zählt er aber wirklich zu den österreichischen Schriftstellern? Als er am 23. November 1920, einziges Kind des jüdischen Ehepaars Anczel-Teitler, in Czernowitz geboren wurde, lag seine Vaterstadt schon in den Grenzen Rumäniens. Seit 1940 gehört sie – mit folgenschwerer Unterbrechung durch die Kriegsläufte – zum Territorium der Ukrainischen SSR. Celans Wahlheimat aber war Frankreich. Dort hatte er 1938 ein erstes Studium begonnen (er sollte Arzt werden), dessen Weiterführung durch den Kriegsausbruch verhindert wurde. Dort konnte er 1950 endlich sein in Czernowitz betriebenes Romanistikstudium abschließen. Vom Juli 1948 bis zum April 1970, während der entscheidenden Schaffensperiode also, lebte er in Paris. Dort hatte er seine feste Anstellung als Sprachlehrer. Dort hatte er Frau und Kind. (Er war seit 1950 mit der Graphikerin Gisèle de Lestrange verheiratet.) Dort gab er sich den Tod, noch ehe er fünfzig war; Tag und Stunde seines Sterbens in der Seine sind unbekannt geblieben.
Zu seiner Herkunft aus der Bukowina, die bis zum Zusammenbruch der habsburgischen Monarchie fast anderthalb Jahrhunderte hindurch zu Österreich gehört hatte, bekannte er sich freilich immer. Und wer ihn sprechen hörte, vernahm als leichte Tönung die Spuren des Herkommens aus dem österreichischen Sprachraum. Daß sein erster Gedichtband 1948 in Wien erschien, wohin ihn sein väterlicher Dichterfreund und Förderer Alfred Margul-Sperber empfohlen hatte, war kein Zufall: Trotz einiger Versuche des ganz ungewöhnlich Sprachbegabten, rumänisch zu schreiben, stand von Anfang zweifelsfrei fest, daß die Sprache des jungen Dichters seine Muttersprache, das Deutsche, sein würde. Sein Wiener Aufenthalt vom Dezember 1947 bis zum Juli 1948 war eine wichtige, aber sehr kurze Etappe seines Lebens. Stoffliche und thematische Bindungen seines Werks an Österreich wird man fast völlig vergeblich suchen; und was man dann doch noch findet, wird nicht zählen neben den vielen anderen Bezugnahmen Celanscher Dichtung auf Weltkultur und Menschheit. (So wie sein Wortschatz kaum Austriazismen, dafür aber eine Fülle sprachlicher Funde aus ganz andern Bereichen aufweist.) Daß er in seiner Jugend Rilke besonders liebte, eine Neigung zu Trakl hatte, schon als sechzehnjähriger Gymnasiast Hofmannsthals Chandos-Brief zu lesen bekam und Kafka ebenso früh für sich entdeckte, stiftet noch keinen spezifisch österreichischen Charakter seiner dichterischen Welt. Das tun dann schon eher die Thematisierung des Wortes, das empfindliche Sprachbewußtsein, die kritische Sprachreflexion; und sie zeichneten seine Poesie jedenfalls in ständig wachsendem Maße aus. Bitter ernst scherzend, nannte er sich gelegentlich, am Ende eines Briefs voll sarkastischer Bemerkungen über die Bundesrepublik, die Schweiz und Wien, einen „Russkij poët in partibus nemetskich infidelium“ (an Sperber am 9. März 1962). Was Celan Anlaß gab, sich einen russischen Dichter zu nennen? Daß er des Russischen mächtig war und schon in seinen Bukarester Jahren (1945–1947 Prosa von Tschechow, Lermontows Ein Held unserer Zeit und Simonows Schauspiel Die russische Frage ins Rumänische übersetzt hatte, war es nicht. Aber gegen Ende der fünfziger Jahre waren ihm hervorragende Nachdichtungen von russischer und sowjetischer Lyrik gelungen, von Alexander Bloch Die Zwölf sowie von zahlreichen Gedichten Ossip Mandelstams und Sergej Jessenins. Dabei konnte er sich von diesen Dichtern in vielem bestätigt finden, hatte er sich mit ihnen stellenweise bis zur ausdrücklichen Identifikation eingelassen. (Übrigens erschien in jenem Jahr 1962 auch gerade Celans Übertragung von Jewgeni Jewtuschenkos Poem Babi Jar.) Während nun bundesdeutsche Interpreten bestimmte Gedichte, besonders den Text „Dunstbänder-, Spruchbänder-Aufstand“ aus dem Band Atemwende (1967) willkürlich und hartnäckig antisowjetisch auslegen, übersehen sie geflissentlich, daß Paul Celan als Nachdichter Jessenins seine Sprachgewalt in den Dolmetschdienst eines sowjetischen Lyrikers stellte, der im Gedicht eindeutig und leidenschaftlich für den Kommunismus, für Lenin und die Revolution Partei ergriff: daß Celan die „Ballade von den sechsundzwanzig“ übertrug, ein Loblied auf die Standhaftigkeit kommunistischer Kämpfer und auf die Früchte ihres Kampfes, spricht eine beredte Sprache. Celan ist freilich kein russischer Dichter, sowenig er als Nachdichter französischer Lyrik von Baudelaire, Rimbaud, Valéry und Apollinaire bis Char, Daive und Michaux, sowenig er als Staatsbürger der Republik Frankreich ein französischer Poet geworden ist. Einen österreichischen Dichter oder einen deutschen aus Rumänien hätte er sich allenfalls nennen mögen. Aber uneingeschränkt und schlechthin einen deutschen? Wohl nie.
Das schloß seine Biographie zwingend aus. Der Tod, vor dem sich der kleine Paul Anczel sehr gefürchtet haben soll, wenn seine Eltern nicht daheim waren, der begegnete dem eben erwachsenen in fürchterlicher, übermächtiger Gestalt als „ein Meister aus Deutschland“ – die Eltern wurden von deutscher SS deportiert und ermordet. Wie schwer ihn der Tod des Vaters traf, ist aus dem Werk kaum ablesbar. Als Kind hatte er nicht selten unter der Strenge seines Erzeugers gelitten. Der mochte Märchen nicht und hielt Erzählen für Zeitvergeudung; der zwang sein Kind gegen dessen Willen in die hebräische Volksschule und zum Violinspiel. Der erzog mittels Schlägen und Hausarrest. Als Gymnasiast erkämpfte sich der Junge dann zwar die Befreiung von den Hebräischstunden, kam aber nicht umhin, an der jüdischen Konfirmation teilzunehmen; doch die Gebetsriemen, die Phylakterien, legte er später nie wieder an. Der kleinbürgerliche Zionismus des Vaters war ihm ebenso zuwider wie dessen berufliche Tätigkeit als Makler im Brennholzhandel. Alle einstige Spannung zwischen Vater und Sohn dürfte freilich nichts an der tiefen Betroffenheit geändert haben, die der Tod der Eltern verursachen mußte; noch der Dichter der ,Engführung‘ sieht sich erschüttert gebannt an den „Ort, wo sie lagen“, von ihren Mördern „Verbracht / ins Gelände“. Der Verlust der geliebten Mutter war dem jungen Dichter jedenfalls so schmerzlich, daß er davon sofort in seinen Versen Zeugnis geben mußte. Und dieser Verlust mit seinen ursächlichen Umständen und tiefen Gründen sollte unverschmerzt, unvergessen bleiben. Er vor allem sollte auch die intime Beziehung des Dichters zu jüdischer Thematik und Motivik bedingen. Schon vordem antifaschistisch inspiriert, wurde Paul Celan vom Schicksal zu unversöhnlicher, erbitterter Feindschaft gegenüber dem deutschen Nazismus in allen seinen Spielarten und Ableitungen herausgefordert, und in dieser verpflichtenden Gesinnung blieb er sich gewissenhaft treu, bis hin zu äußerstem Mißtrauen und bissiger Aggressivität. Wenn man späterhin Anlässe fand, von Verfolgungswahn und Schizophrenie zu sprechen, in seinem unaufhebbaren schweren Betroffensein durch die neu-deutsche Barbarei lagen dafür tiefe Wurzeln.
Aber seine Poesie? Sie gilt weithin als ein ausgemachtes Beispiel esoterischer Dichtung. Und tatsächlich steckt sie voller Dunkelheiten und Rätsel. Ihr Schöpfer jedoch dachte sie entschieden und nachdrücklich als lesbar. Zum Erklären aufgefordert, empfahl er ganz ehrlich:

Lesen Sie. Immerzu nur lesen, das Verständnis kommt von selbst.

Die Lyrik Celans fordert freilich einen besonders lesefähigen Leser und einen von ähnlicher Belesenheit, wie sie den Dichter selbst auszeichnete. Die generelle Schwierigkeit des Celanschen Gedichts ergibt sich daraus, daß es nicht in der Tradition einer Lyrik steht, die ungeachtet aller Bildheftigkeit oder Metaphorik das Verhältnis des dichtenden Subjekts zur Realität in mimetischen Formen namhaft macht. Im entscheidenden Augenblick der Konzeptionsbildung – in der Phase der durchgreifenden Faschisierung Rumäniens, auf die eben die oppositionelle Lyrik des Landes mit einer Neigung zum allegorisierenden Sprechen reagierte – wirkte neben symbolistischen, expressionistischen und romantischen Traditionen besonders die Poesie des Surrealismus, nicht zuletzt durch dessen rumänische Vertreter vermittelt, so lebhaft auf den jungen Dichter ein, daß er sich ein Verfahren höchst uneigentlichen Ausdrucks als methodisches Grundprinzip erarbeitete. Mit dem Blick auf den Fundus, aus dem Celans Erstling Der Sand aus den Urnen (1948) hervorgehen sollte, schrieb Margul-Sperber in seinem Empfehlungsbrief, den er dem Schützling auf den freudigen Weg nach Wien mitgab:

Sein Werk scheint mir unter allen Äußerungen der jüngsten deutschen Dichtergeneration die eigenartigste und unverwechselbarste; es gibt sich dem Leser allerdings nicht leicht und fordert liebende Aufgeschlossenheit, Bereitschaft und Hingabe. Nicht nur, daß die Begebenheiten seiner Dichtung in einem mythischen Raum spielen – das Licht, das darin waltet, entstammt einem anderen Spektrum –: auch die poetische Wirklichkeit ist transfiguriert, es ist sozusagen der Astralleib dieser Wirklichkeit, was uns begegnet. Das Emotionelle, Sonore, Visionäre, alles hat versetzte Vorzeichen, die Assoziation ist die Assoziation des Traums, die (auch sprachliches) Neuland abtastet.

Einen einheitlichen mythischen Raum kannte die frühe Dichtung Celans allerdings nicht. Die Gedichte haben ihre je verschiedenen Welten, die sich nicht ohne weiteres einander zuordnen lassen, selbst wenn sich wichtige wörtliche und motivische Berührungen ergeben, wie z.B. zwischen dem Gedicht „Ein Lied in der Wüste“ und der berühmten „Todesfuge“. Ihre Entfernung von der direkt wahrnehmbaren Wirklichkeit ist unterschiedlich groß. Im übrigen aber hat der erfahrene und verständige Dichter Margul-Sperber treffend auf bezeichnende, nahezu durchgängige Eigenschaften Celanschen Dichtens aufmerksam gemacht: Die weithin dunkel scheinende Lyrik dieses Dichters hat ihr höchst eigenartiges eigenes Licht. Sie vermag damit auch dort noch einzuleuchten, wo sie sich einem lange bemühten Verstehen verschließt; die Transfigurationen und Assoziationen lassen zumeist ihre Notwendigkeit und Gesetzmäßigkeit spüren, ohne sich schon einem gedanklichen Zugriff preiszugeben. Celans Lyrik vermag meist auch dort noch anzusprechen, wo ihre Bedeutung mehr oder weniger verborgen bleibt, denn das Sprechen teilt im Vollzug fast immer seine poetische Legitimation zwingend mit. Anfangs geschieht das noch wesentlich mit Unterstützung suggestiver Rhythmik und Melodik, wie sie sich in der „Todesfuge“ beispielhaft präsentieren, ab und an auch noch unter Nutzung des Reims (der seit Mitte der sechziger Jahre fast restlos vermieden wird). Späterhin erfolgt es häufig durch das Vorführen des lyrischen Sprechens als eines suchenden, tastenden, produzierenden Vorgangs, der gelegentlich. wie die Resultante aus dem Zusammenwirken von Antrieben und Hemmungen erscheint. Schließlich realisiert es sich durch die strikte Verschränkung polysemantischer Posten zu einer als stimmig gesetzten Summe. Über alle Veränderungen hinweg aber behauptet sich in Celans Lyrik, den ernsten Gefährdungen zum Trotz, als erste und letzte bedeutungsschaffende Energie, die sich immer wieder erneuert, wenn sie zwischenein auch schon versiegt scheint: ihr dialogischer Duktus. Gewiß, Celans poetische Konzeption ist schon da, ehe ihm Gottfried Benns Apotheose des absoluten Gedichts entgegentritt, die apodiktische Setzung des Gedichts ohne Glauben und an niemand gerichtet. Aber die Entwicklung der Celanschen Lyrik vollzieht sieh geradezu als Opposition gegen die Bennsche Position: Paul Celan entwirft ein betont relatives Gedicht, ein Gedicht an jemand gerichtet. Und während Gottfried Benn im Vers behauptet, es gebe nur zwei Dinge, die Leere und das gezeichnete Ich, und sich mit selbstgefälliger Melancholie auf dieses Ich zurückzieht, weigert sich Celan inständig, sein gezeichnetes Ich aus der Welt herauszunehmen und es an der Welt Statt zu setzen; er unternimmt vielmehr, hoffnungsvoll bis verzweifelt, den konträren Versuch, dieses, Ich zur Welt in eine würdige Beziehung zu setzen, so unwürdig diese Welt auch immer wieder scheinen mag. Er geht als Dichter und in seiner Dichtung auf die Suche nach einer menschlichen Welt.
Wie unauflöslich seine Epochenerfahrung, seine Dichterexistenz und die menschliche Sinngebung seiner Poesie miteinander verbunden sind, läßt schon ein einzelnes kleines Gedicht aus dem Band Mohn und Gedächtnis (1952) ganz sinnfällig werden. (Das Buch zählt als der eigentliche Erstling, weil der Dichter das Wiener Bändchen von 1948 wegen einer übergroßen Zahl von entstellenden Druckfehlern zurückzog und die besten Stücke daraus in den neuen Band aufnahm.) Die Evokation der Mutter-Seele in dem Gedicht „Der Reisekamerad“ ist die Beschwörung eines wirksam tätigen Schutzgeistes; sie stellt das eigene Dichterwort unter die Obhut dieses guten Geistes, und sie erklärt es zum Hoffnung spendenden Gefährten auf dem Weg ins Leben, in die Welt. Zugleich zeigt das Gedicht, gerade weil es deutlich auf eigenes Erleben des Autors reagiert, daß seine Poetik es ausschließt, den Stoff des persönlichen Lebens vordergründig zu entfalten oder erlebnislyrisch umzusetzen. Und so überrascht nicht, daß sich die Funktionsbestimmung für seine Poesie gerade im unpersönlichen Gedicht fortsetzt und entfaltet, wenn Celan einige Jahre später „In memoriam Paul Eluard“ schreibt:

Lege dem Toten die Worte ins Grab, die er sprach, um zu leben.

Das ist, wenngleich nicht als solches formuliert, ein ganz persönliches Bekenntnis: Paul Celan spricht, um zu leben. Wie wahr und wie grundlegend dieser Satz für die Existenz dieses Dichters ist, das zeigt sein weiterer Weg, das zeigt sein ganzes Werk.
Das zitierte Gedicht zum Gedächtnis des Surrealisten, Widerstandskämpfers und Kommunisten Paul Eluard gehörte schon zu der Substanz des 1955 erschienenen Buches Von Schwelle zu Schwelle, das mit solchen meisterhaften Stücken wie „Assisi“ und „Schibboleth“ den militant humanistischen Geist wie den hohen dichterischen Rang Celans eindrucksvoll demonstrierte. Es gab wohl Resonanz, aber kein angemessenes Echo. Als ihm 1958 der Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen überreicht wurde, war das gewiß eine wertvolle öffentliche Anerkennung für den Dichter. Deutlich erkannt konnte er sich in der Lobrede Erhard Kästners allerdings kaum finden. Aber die Auszeichnung wurde Celan immerhin zum verbindlichen Anlaß, dem Publikum erstmals von seinem poetischen Credo zu sprechen. Seine Bremer Dankesworte lassen bei aller Behutsamkeit und Zurückhaltung deutlich erkennen, als wie bestimmend er selbst sein Geschichtserlebnis empfand und wie bewußt er seine Art des dichterischen Sprechens auf seine Erfahrung zeitgenössischer Geschichte zurückführte. Die Sprache zum Geschehen der Epoche in Beziehung setzend, umriß er unmißverständlich den politischen Horizont und den antifaschistischen Grund seiner Poesie, begründete er aber auch zugleich das Prinzip der Mittelbarkeit seines poetischen Sprechens: Die Sprache, so sagte er, „mußte nun hindurch durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch das Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten, ,angereichert‘ von all dem. In dieser Sprache habe ich… Gedichte zu schreiben versucht um zu sprechen, um mich zu orientieren, um zu erkunden, wo ich mich befand und wohin es mit mir wollte, um mir Wirklichkeit zu entwerfen.“ Daß der Rückbezug des Gedichts auf den Dichter keine Abwendung vom Adressaten, keine Verweigerung gegenüber dem Publikum sein soll, bekundete der Redner durch das fundamentale Bekenntnis, als Erscheinungsform der Sprache sei das Gedicht „seinem Wesen nach dialogisch“, es sei „eine Flaschenpost“ und halte „auf etwas zu“. Ebenso wie Mandelstam in einer fünfundzwanzig Jahre älteren Aufzeichnung nannte nun Celan das Dichten ein „Unterwegssein“. Dessen Motive und Richtung erhellte er abschließend, indem er den Dichter seiner Generation, im Grunde aber sich selbst, als einen beschrieb, der, „auf das unheimlichste im Freien, mit seinem Denken zur Sprache geht, wirklichkeitswund und Wirklichkeit suchend.“
Nur zwei Jahre später – der Band Sprachgitter (1959) war inzwischen erschienen und hatte neue Möglichkeiten des Dichters überzeugend aufgewiesen – ehrte die Darmstädter Akademie der Künste den fast Vierzigjährigen mit dem Büchner-Preis. Der eindringlich und respektvoll gestalteten Laudatio von Marie Luise Kaschnitz folgte eine doppelt so lange Rede des Preisträgers, das umfänglichste Stück Prosa, das er jemals veröffentlicht hat. Sie handelt von Georg Büchner, von der Kunst und von ihm selbst; sie schlägt einen magischen Zirkel um ihren Gegenstand und schafft sich mit der sinnbildlichen Figur des Meridians, auf die sie hinführt, ihren eigenen Namen. (Sie wurde späterhin unter dem Titel „Der Meridian“ publiziert.) Die eingeweihte Befragung Büchners und die Selbstbefragung zum Thema Kunst entwickelte sich zu einer ergreifenden Synthese von Programm und Eingeständnis, von Resignation und Anspruch. Früher Gesagtes wird darin bestätigt und entfaltet: daß das Gedicht ein Gegenüber braucht, daß Gedichte Wege zu einem wahrnehmenden Du sind und es das absolute Gedicht nicht geben kann. Als Neues aber tritt hinzu die geradezu bestürzend klare Beschreibung der Schwierigkeiten, denen Celan das aktuelle Gedicht ausgesetzt sieht; es zeige, sagt er, „eine starke Neigung zum Verstummen“ und hole sich, „um bestehen zu können, unausgesetzt aus seinem Schon-nicht-mehr in sein Immer-noch zurück“. Celan folgert daraus nicht das Recht zum Verzicht, sondern vielmehr die Verpflichtung, die zugleich eine Ermutigung für ihn selbst sein muß:

… geh mit der Kunst in deine allereigenste Enge. Und setze dich frei.

Bezeichnend freilich für die neue Stufe des poetologischen Denkens ist, daß das letzte Wort der Lucile aus Büchners Danton-Drama (ihr Ruf: „Es lebe der König!“) in den Rang eines symbolischen Zeichens für den Sinn der Kunst eintritt, daß Paul Celan die Dichtung jetzt als ein im Lichte der Absurdität erscheinendes Gegenwort zur Gegenwart deutet. Bezeichnend für seinen fortschreitenden Hoffnungsverlust ist die bittere Definition, die ihm zwischendurch, aber sicher nicht unversehens einkommt:

Die Dichtung, meine Damen und Herren –: diese Unendlichsprechung von lauter Sterblichkeit und Umsonst.

Der tiefwurzelnde Ernst dieser Gedanken hatte sich schon Monate zuvor in einem Brief an Hans Bender geäußert, in dem Paul CeIan – voller Groll gegen die modische Betonung des „Machens“ von Gedichten – sein Programm und seine Lage mit den schlichten Worten umschrieb:

Nur wahre Hände schreiben wahre Gedichte. Ich sehe keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Händedruck und Gedicht. … Wir leben unter finsteren Himmeln, und – es gibt wenig Menschen. Darum gibt es wohl auch so wenig Gedichte. Die Hoffnungen, die ich noch habe, sind nicht groß; ich versuche, mir das Verbliebene zu erhalten.

Als Hans Magnus Enzensberger in dem bewegten Jahr 1968 eine Umfrage zum Thema „Ist eine Revolution unvermeidlich?“ veranlaßte, antwortete Paul Celan, seiner Erfahrung und geistigen Disposition entsprechend, weder bejahend noch verneinend, sondern mit dem vorsichtigen Ausdruck der Hoffnung:

Ich hoffe, nicht nur im Zusammenhang mit der Bundesrepublik und Deutschland, immer noch auf Änderung, Wandlung.

Das Wort hat Gewicht, zumal es mit seinem „noch immer“ unüberhörbar auf die geschichtlichen Gründe dieser Hoffnung zurückweist. Gleichzeitig deutet Celan auf die Möglichkeiten einer Revolution, die er sieht:

Sie fängt, in Deutschland, hier und heute, beim Einzelnen an.

Stellt er sich damit nüchtern der revolutionsfernen Wirklichkeit, oder stellt er sich damit in die alte Tradition idealistischen Glaubens an die Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Wandel über die Veränderung des Individuums erwarten zu können? Eine kommentierende Funktion hat in diesem Zusammenhang, daß der Dichter 1969 in seiner Ansprache vor dem Hebräischen Schriftstellerverband in Tel Aviv von der Gegenwart als „diesen Zeiten der allenthalben wachsenden Selbstentfremdung und Vermassung“ sprach; ein Lyriker, der die Welt um sich herum so einschätzt, wird sicher noch am ehesten auf die Fälligkeit des einzelnen hoffen können, sich zu besinnen und sein Leben zu ändern. Andererseits aber läßt dieses späte Wort Celans eine bedenkliche Verdüsterung seines geschichtlichen Horizonts erkennen, die schon als ein Motiv seines Abschieds vom Leben gelten muß und die seine Hoffnung auf die Wandlungsmöglichkeit des einzelnen schließlich als unbefriedigende Selbsttäuschung erscheinen läßt. Diesen Widerspruch im Denken des Dichters bringt, wie könnte es auch anders sein, seine Lyrik noch deutlicher und prägnanter zum Ausdruck; in dem Band Atemwende (1967), der die letzte Schaffensphase eröffnet, stehen die folgenden programmatischen Verse, die zwar keine leichtfertige Absage sind, aber letztlich Unmögliches programmieren:

Fadensonnen
über der grauschwarzen Ödnis.
Ein baumhoher Gedanke
greift sich den Lichtton: es sind
noch Lieder zu singen jenseits
der Menschen.

Die Dichtung Celans hat im Laufe der Jahre und Jahrzehnte bei aller Kontinuität ganz beträchtliche Veränderungen durchgemacht. Wer die klangvollen, rhythmisch und melodisch entfalteten, oft weit ausschwingenden und mit Reimen geschmückten Verse der Frühzeit neben die späten Kurzgedichte mit ihrer ausgeprägten Neigung zu sarkastischer Schärfe, zur Kurzzeile, zum retardierenden Aufspalten der Wörter, zum Wortenjambement hält, kann leicht den Eindruck gewinnen, er habe es mit Arbeiten ganz verschiedener Autoren zu tun. Wer aber Celans Gedichte als den Prozeß einer stetigen, stets aufs neue (und auch immer wieder auf sich selbst) reagierenden Auseinandersetzung mit der Welt liest, wird dennoch die Einheit dieses Werks erleben und noch die den verschiedenartigen Bestandteilen des Gesamtwerks zugrunde liegenden einheitlichen Bedingungen entdecken können. Es ist am Ende der gleiche geschichtliche Boden, die gleiche Welt- und Lebenserfahrung, woraus beispielsweise Gedichte wie die sprachmusikalisch strukturierte „Todesfuge“ aus dem ersten Buch Celans und diese technisch völlig andersartigen Verse aus dem postum erschienenen Band Schneepart (1971) erwuchsen:

Die nachzustotternde Weh,
bei der ich zu Gast
gewesen sein werde, ein Name,
herabgeschwitzt von der Mauer,
an der eine Wunde hochleckt.

Das zentrale Nomen nennt eben die übermächtige Welt, die das lyrische Ich zurücklassen wird, die es hier zugleich von diesseits und jenseits des Todes sieht, dabei immer unausweichlich und „wirklichkeitswund“ an sie gebunden. Was hier nur untergründig wirkt, tritt in anderen Gedichten deutlich zutage und wird gelegentlich sogar ausdrücklich benannt: Celans Art, die Welt wahrzunehmen, steht im Zeichen ständigen Erinnerns und Gedenkens; auch längst Geschehenes bleibt ihm ganz gegenwärtig, und so gibt es keine Vergangenheit und kein Vergessen. Daß der lyrische Dichter Zeit und Raum im Gedicht zusammenzieht, das ist natürlich immer sein souveränes Gattungsrecht; wenn aber Paul Celan „Allerorten ist Hier und ist Heute“ sagt, dann besagt dieses Schlüsselwort, daß sein Hier und Heute alle traumatisierenden Momente seiner Erfahrung einschließt, und sie eben sind es, die sein Lebensgefühl bestimmen und den elegischen (in der reifen Lyrik dabei durchaus unsentimentalen) Grundzug seiner Gedichte bestimmen. Ausnahmsweise kommt es bei ihm zwar auch zu hymnischen Aufschwüngen und Aufhellungen, wenn sich das lyrische Ich tragfähiger Partnerschaft vergewissern kann, insbesonders also in der Begegnung mit der Geliebten oder in anderen Augenblicken beglückender Ich-Du-Vertauschung (etwa in dem Gedicht „Es ist alles anders“, in dem lyrisches Ich und Ossip Mandelstam „in eins“ genommen werden). Das visionäre Zusammenziehen zweier fester Städte, des französischen und jenes russischen Brest, das sich im Sommer 1941 bekanntlich vier Wochen lang heldenhaft gegen den Ansturm der faschistischen deutschen Truppen gehalten hat, gerät zu einem der zuversichtlichsten, ja heitersten Gedichte Celans, und es vermag sich dann eben auch eines erstaunlich liedhaften Ausdrucks von seltener Simplizität und Direktheit zu bedienen:

NACHMITTAG MIT ZIRKUS UND ZITADELLE

In Brest, vor den Flammenringen,
im Zelt, wo der Tiger sprang,
da hört ich dich, Endlichkeit, singen,
da sah ich dich, Mandelstamm.

Der Himmel hing über der Reede,
die Möwe hing über dem Kran.
Das Endliche sang, das Stete, –
du, Kanonenboot, heißt „Baobab“.

Ich grüßte die Trikolore
mit einem russischen Wort –
Verloren war Unverloren,
das Herz ein befestigter Ort.

Auch dieser Text aus dem Band Die Niemandsrose (1964) kann als repräsentatives Beispiel für Celans Technik des vielschichtig-vielstelligen Ausdrucks gelten, wenngleich er sich mit seiner syntaktischen Vollständigkeit und Geradlinigkeit, die im Laufe der späten sechziger und der siebziger Jahre immer seltener wird, und erst recht mit seinem ungebrochen positiven Lebensgefühl durchaus nicht als Regelfall darstellt. Viel bezeichnender freilich für Paul Celans vorherrschende Erlebens- und Wertungsweise ist schon das Gedicht „Schibboleth“, worin sich das trotzige Widerstandsbekenntnis des Antifaschisten mit der Trauer über die Niederlagen verbindet, die die Wiener Arbeiter im Februaraufstand 1934 und die Kämpfer für die Spanische Republik 1938/39 schließlich hinnehmen mußten:

Setz deine Fahne auf Halbmast,
Erinnrung.
Auf Halbmast
für heute und immer.

Diese Strophe aus dem Band Von Schwelle zu Schwelle hat geradezu programmatische Bedeutung und klärt unmißverständlich die weltanschaulich-politischen Motive für den elegischen Grundzug der Celanschen Lyrik.
Zu den späten Zeugnissen für des Dichters anhaltendes Offensein gegenüber dem Unerledigten der Epochengeschichte und für seine Bereitschaft zur poetischen Reaktion auf politische Untaten des deutschen Faschismus und seiner Wegbereiter zählt ein Gedicht aus dem Winter 1967/68, dessen Entstehungsbedingungen von Peter Szondi vollständig mitgeteilt werden konnten und das darum zugleich einen äußerst weitgehenden Aufschluß über Celans poetische Methode und Technik zu vermitteln vermag. In die Akademie der Künste von Westberlin zu einer Lesung eingeladen, übernachtete Celan dort kurz vor Weihnachten 1967 in einem großfenstrigen Neubau mit dem Blick auf den winterlichen Tiergarten. Am Tage hatte er auf dem Weihnachtsmarkt am Funkturm einen schwedischen Adventskranz aus rotgestrichenem Holz mit Äpfeln und Kerzen, aber auch die Strafanstalt Plötzensee mit ihren Hinrichtungswerkzeugen aus der Hitlerzeit gesehen. Ihm war das neue Apartmenthouse gezeigt worden, das an der Stelle des früheren Hotels Eden steht und dessen alten Namen bekommen hat, und man hatte ihm, dem es in seinem Quartier an Lektüre fehlte, eine eben erschienene Dokumentation über den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht überlassen. Aus den disparaten Eindrücken jener Stunden, dem Gelesenen, Gesehenen und dem im Zusammenhang damit Gehörten, erwuchs auf der Grundlage seiner latenten Betroffenheit, seiner intimen Beziehung zum Gegenstand, seiner ganzen geistigen Haltung der folgende Text:

Du liegst im großen Gelausche,
umbuscht, umflockt.

Geh du zur Spree, geh zur Havel,
geh zu den Fleischerhaken,
zu den roten Äppelstaken
aus Schweden –

Es kommt der Tisch mit den Gaben,
er biegt um ein Eden –

Der Mann ward zum Sieb, die Frau
mußte schwimmen, die Sau,
für sich, für keinen, für jeden –

Der Landwehrkanal wird nicht rauschen.
Nichts
aaaaastockt.

Das Du, mit dem Ich identisch, sichert den anredenden Gestus des Gedichts, das Dach dem Willen des Autors ein Gegenüber sucht und anstrebt. Diese Ordnung zum Leser hin ermöglicht aber auch, die einleitende Ortsangabe als die kritisch getönte Beschreibung eines scheinhaften Idylls zu lesen, in dem sich der angesprochene andere belassen könnte, aber nicht sollte: Er wird aufgefordert, die Unstimmigkeit der ihn umgebenden Welt wahrzunehmen, die der Dichter betont, indem er die Fleischerhaken (die ohne Szondis Mitteilung allerdings nicht in ihrer realen politisch-geschichtlichen Bedeutung erfaßt werden könnten) und die weihnachtlichen „Äppelstaken“, räumlich und im Grunde auch zeitlich Entferntes, kontrastierend zusammenrückt. Celan organisiert dann in seinem Gedicht eine gegenläufige Bewegung, indem er den Weihnachtsmarkt gleichsam kommen läßt, ihn mit der dreifachen, in sich höchst gespannten Anspielung auf den biblischen Garten Eden, auf das neue Apartmenthouse Eden und auf jenes historische Hotel verknüpft, aus dem die Mörder ihre Opfer Liebknecht und Luxemburg, holten. Die Ermordung der beiden deutschen Arbeiterführer und Juden, die Fragen nach dem Sinn ihres Märtyrertods und nach dessen Folgen, nach der Antwort der Geschichte darauf werden mit den sparsamsten Mitteln gestaltet, doch verzichtet der Dichter nicht darauf, deutliche Wertungen und Impulse zu geben, die übrigens noch als Heimworte sorgfältig vorbereitet und exponiert sind: das Sterben der Rosa Luxemburg „für jeden“, das Unabgegoltene des Mords, ja sein Unbeachtetbleiben, all das wird herausfordernd hart ans Ende gesetzt, wobei durch den dreifachen Tempuswechsel und die versetzt gebrauchten grammatischen Zeiten die poetisch fixierte Zeit gleichsam zum Raum der Epoche wird. Als charakteristisch für Celans Lyrik ist auch noch die zitierende Bezugnahme auf das dokumentarische Buch zu registrieren, durch die hier übrigens ein Einschlag vulgärer Sprache vermittelt wird. Von ihr macht Celan besonders seit dem Band Atemwende auch sonst bewußt und auffällig Gebrauch. Als paradigmatisch aber ist über die Einzelheiten des besonderen Beispielfalls hinaus festzuhalten: Die auf dem bitteren Boden eigener Lebenserfahrung gewachsene Parteinahme für die Opfer des Kampfes gegen Reaktion und Faschismus, der aufmerksame Sinn für Wunden der Menschheit, die als eigene empfunden werden, die Unversöhnlichkeit, mit der Celan alle abwehrt und aus der Dichtung ausschließt, die solche Wunden schlagen und deshalb mit schweigender Verachtung gestraft werden, sind eine inhaltliche Grundeigenschaft Celanschen Dichtens. Seine Form aber wird wesentlich charakterisiert durch die Tatsache, daß der Dichter Erlebtes und Visionäres, Gesehenes und Gelesenes, Gedachtes und Gefühltes jeweils in einen einzigen, mit möglichst sparsamen und doch zugleich äußerst beziehungsreichen Mitteln modellierten und in sich höchst spannungsreichen sprachlichen Ablauf bringt. Im Detail wirkt dann noch Celans entwickelter Sinn für die Ausdruckskraft des sprachlich zusammengetriebenen Widerspruchs, des paradoxen Bilds, der Kontraktion von Verschieden-Sprachigem, stark mit.
Von hier aus wird Wesentliches des gesamten Werks sichtbar. Gleichermaßen „wirklichkeitswund und Wirklichkeit suchend“, muß der Dichter ja das Zugleich des Ungleichen, das Gegensätzliche des Gegebenen und des Wünschbaren lebhaft empfinden und auszudrücken trachten. Es ist eine der großen Stärken Celans, daß er schon früh gelernt hat, trotz seiner Wunden nicht wehleidig und voll Selbstmitleid zu sprechen, sondern seiner inneren Welt einen sachlich-überpersönlichen, objektivierenden Ausdruck zu geben. Die Freude am Wortspiel, die man ihm im täglichen Umgang seiner Jugendzeit angemerkt haben soll, trug beizeiten ihre Früchte und schlug sich als Fähigkeit ausgemacht dialektischer Sprachgestaltung nieder:

Schwärzer im Schwarz, bin ich nackter.
Abtrünnig erst bin ich treu.
Ich bin du, wenn ich ich bin

lautete eine Strophe bereits in Mohn und Gedächtnis. Seine Kunst dialektisch-paradoxen Sprechens hat Celan mit immer erneuerter Inspiration von Band zu Band zu entfalten oder gar zu steigern vermocht. Eines der nicht von ungefähr längst berühmten Gedichte auf diesem Wege ist der „Psalm“ mit seiner kühnen Verarbeitung von Rilkes Grabspruch, dem Bild der Niemandsrose (das zum Titelmotiv des den „Psalm“ enthaltenden Buches von 1964 wurde). Darin offenbart sich dieses spezifisch sprachliche Vermögen Celans besonders auch in der Gestalt ebenso überraschenden wie zwingenden Umschlagens des einen Bildes in das nächste. In den späteren Bänden zeigt sich dann freilich in wachsendem Maße die Gefahr, daß unter dem lastenden Eindruck einer dem Menschen ungemäßen Welt aus der Fähigkeit oder Gewohnheit paradoxen Sprechens mehr und mehr die Neigung zu einer Sprache des Absurden wird. Während das Gedicht „Tübingen, Jänner“ (ebenfalls aus dem Band Die Niemandsrose) mit seinen beweiskräftigen Hölderlin-Zitaten noch als eine realistische Satire auf eine heruntergekommene Welt erscheint, liest sich dieser Text aus Schneepart wie ein groteskes Selbstporträt, das den verzweifelt-bitteren Verzicht auf die eigene dichterische Sendung einschließt.

Zur Nachtordnung Über-
gerittener, Über-
geschlitterter, Über-
gewitterter,

Un-
besungener, Un-
bezwungener, Un-
umwundener, vor
die Irrenzelte gepflanzter

seelenbärtiger, hagel-
äugiger Weißkies-
stotterer.

Gewiß ist auch hier noch Realismus zu beobachten, wenn der Sprecher sich als unfähig zu erkennen gibt, in billiger Anpassung sozusagen zur „Tagesordnung überzugehen“, wenn er sich ingrimmig zu einer gespenstischen Gegenfigur des manipulierten Zeitgenossen erklärt; gewiß gestaltet der Dichter seine objektive Unfreiheit ebenso wie seine erbitterte Rebellion dagegen noch in der sprachlichen Struktur des Gedichts. Aber das Ganze ist doch schon durch so viel Selbstironie gebrochen, daß es sich am Ende als ein Selbstgericht darstellt. überhaupt wenn man es noch in Beziehung setzt zu jenen früheren Texten, in denen Celan die Sprache und sein Gedicht als Gewähr oder Möglichkeit einer Gegenwelt behauptet, beispielsweise als „Silben- / mole, meerfarben, weit / im; Unbefahrne hinaus“, wie es in „Anabasis“ aus dem Band Die Niemandsrose heißt.
In den letzten Gedichtbüchern Celans lassen sich nicht wenige Texte finden, die heute, da sein Leben und Schreiben abgeschlossen ist, den Eindruck erwecken als sei der Dichter dort schon an letzte Grenzen gestoßen. Es ist müßig, über die Gültigkeit dieses Eindrucks zu diskutieren, und man sollte auch postum nicht den Zynismus fortführen, den sich die Kritik zu Lebzeiten Celans leistete, als sie bei Gelegenheit des Buches Atemwende, halb blind, halb fühllos, mit apodiktischer Unbekümmertheit befand:

Paul Celan ist ein Dichter der Unbezogenheit. Die einfachste Konsequenz wäre die, zu verstummen.

Frühere Fragen, ob und wie es denn eigentlich weitergehen könne, hatte der Dichter dann jedesmal aufs neue durch neue Leistungen erledigt. Wie unvermeidlich auch immer das eingetretene Ende sein mochte und wie unverkennbar manchen der spätesten Gedichte der Klang von Abschiedsworten eignen mag, alles in allem hat Celan sein Ringen um ein produktives „Unterwegssein“ und um ein dialogisches Gedicht, das sich dem menschlichen Gegenüber zuwendet, mit bewundernswerter Produktivität und einer tiefen Respekt gebietenden Konsequenz durchgehalten.
Ablesbar wird das nicht zuletzt an den zahlreichen Gedichten, in denen Liebe, Partnerschaft, zwischen-menschliche Beziehungen gestaltet oder gesucht, befestigt oder erstrebt werden. Sie haben an den verschiedenen Bänden in wechselnder Zahl Anteil, aber sie fehlen in keinem von Celans Büchern, auch in den letzten nicht. Sicher ist das Liebesgedicht seit jeher und für alle Menschenzeiten ein unverzichtbarer Bestandteil der Weltlyrik. Aber ebenso sicher ist Celans Beitrag zur Liebeslyrik der Gegenwart nach Umfang und Vielfalt, nach Originalität und Dichte durch einen seltenen Rang ausgezeichnet. In seiner poetischen Ausdeutung verbindet sich die erotische Thematik schon früh mit einem großen emanzipatorischen Anspruch.
„Corona“, überhaupt eines der schönsten Gedichte aus den frühen Jahren, unterscheidet sehr genau zwischen dem sprechenden Ich und dessen Partnerin, der Geliebten, um sie zugleich desto nachdrücklicher zum Wir zusammenschließen zu können. Aber dabei wird das Liebespaar nicht in einen Raum der Selbstvergessenheit entrückt, sondern ins Offene gestellt und der Welt fordernd vorgeführt:

Wir stehen umschlugen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße:
es ist Zeit, daß man weiß!
Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt,

daß der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, daß es Zeit wird.

Es ist Zeit.

Celan wollte und konnte sich selbstverständlich nicht auf die Variation dieses Musters festlegen. Er hat, auch hier aus der Erfahrung des gelebten Lebens schöpfend und nichts verklärend, das Thema der Geschlechterbeziehung vielmehr nach allen Seiten hin befragt und gestaltet; seine Dichtung deutet Erotisches in seinen Höhen und Tiefen, in den Augenblicken glücklicher oder schmerzhafter Harmonie der Partner, wie in den Stadien der Konflikthaftigkeit und ihres Sich-Entfernens, in den Formen übersinnlicher Geistigkeit wie denen des drastisch Physischen (das sich in den Gedichten der siebziger Jahre immer deutlicher kenntlich macht). Wenn dabei wiederholt das Motiv des Kranichpaars erscheint, das zweifellos aus Brechts Mahagonny-Oper stammt, dann bezeugt das, mit welcher Bewußtheit Paul Celan seine Liebesgedichte auf andere Muster bezieht und von ihnen absetzt. Bei allem Wandel, unterschiedlichem Gelingen und manchem Fragwürdigen bleibt festzuhalten, daß der Dichter dem „Mitsammen“, das er gelegentlich – sprechend genug – ein „Zeltwort“ nennt, eine fundamentale Bedeutung beimißt, daß er immer wieder die Würde und den Wert des Gegenübers zu behaupten, zu sichern oder zurückzugewinnen trachtet. Selbst unter den spätesten Gedichten finden sich solche Stücke, die das geradezu leidenschaftlich ausdrücken und trotz ihrer großen stilistischen Entfernung an den Geist des frühen -„Corona“-Gedichts zurückerinnern. In dem Band Lichtzwang (1970), dem letzten vom Dichter selbst in Druck gegebenen Buch, findet sich dieses außerordentliche Dank-Gedicht an die Partnerin:

Wie du dich ausstirbst in mir:

noch im letzten
zerschlissenen
Knoten Atems
steckst du mit einem
Splitter
Leben.

Und der Band Zeitgehöft (1976), der nur noch nachgelassene Manuskripte zusammenfassen konnte und dadurch zum lyrischen Testament des Toten wurde, zitierte das verzweifelte, von der Realität widerlegte und dennoch gültige, wahre Wort:

Komm, leg die Welt aus mit dir,
komm, laß mich euch zuschütten mit
allem Meinen,

Eins mit dir bin ich,
uns zu erbeuten,
auch jetzt.

Das Leben hat Paul Celan dazu berufen, in eigener Sache, und das hieß zugleich: in der Sache des Menschen unserer Epoche nach bestem Können und Gewissen zu zeugen. Mit diesem Auftrag war er in den starken Konflikt gestellt, eine Sprache zu finden, die sich Verständnis erringt, die dem Mißverständnis wehrt und die sich dagegen sichert, beliebig gebraucht und verbraucht zu werden. Nicht einfach Sprachnot war es, sondern dieses Bündel von Widersprüchen, was ihn zu hartem, ernstem, verzweifeltem Ringen zwang und was dann doch immer wieder Lösungen fand, ja solchen schlichten Ausdruck wie eben diesen:

Ihr meine mit mir ver-
krüppelnden Worte, ihr
meine geraden.

Es war Paul Celan nicht gegeben, das Abenteuer der Dichtung wie ein Arthur Rimbaud genial zu bestehen und dann kurzerhand gegen ein abenteuerliches Leben zu vertauschen. Er mußte, um leben zu können, schreiben und weiter schreiben. Er mußte in seine „allereigenste Enge“ gehen und unter dem „Neigungswinkel seines Daseins“ Gedichte schaffen, genötigt von den Grundtatsachen seiner Biographie, angefochten von der gesellschaftlichen Welt um sich herum, geleitet aber von einem früh gereiften strengen Kunstverstand, der ihn stets weit entfernt hielt von der leichtfertigen Anpassung an das bloß Modische, der ihn vor jeder kunstgewerblichen Selbstzufriedenheit bewahrte und ihn immer neue Möglichkeiten entdecken ließ, sein Talent zu entwickeln. Seine besten Gedichte sind Zeugnisse und Zeichen menschlicher Selbstbehauptung samt deren Schwierigkeiten und Grenzen. Sie haben ihre eigentümlichen Dunkelheiten und werden davon genug behalten, auch wenn die bereits erhebliche Reihe der Interpretationen noch viel länger wird; sie haben ihr eigentümliches Licht. Und beides wirkt als Bestandteil ihrer starken Ausstrahlungskraft. Es wirkt nicht zuletzt auf die nachfolgende Dichtung. Denn Paul Celan vermochte, beispielhaft anregend, die Grenzen des in deutscher Sprache Sagbaren beträchtlich zu erweitern, durch das Freilegen verschütteter Quellen, durch die erfindungsreiche Nutzung der vielfältigsten Wortbildungsmöglichkeiten, durch die überzeugenden methodisch-technischen Neuerungen lyrischen Sprechens.
Die Poesie Celans drängt dem Leser kein verbindliches, ihn bindendes Erlebensmuster und kein fertiges Weltbild auf. Wenn er sich nur irgend von ihr erreichen läßt, stört sie ihn vielmehr aus Gewohnheiten und Beharrung auf. Dann gibt sie ihm Impulse für die Suche nach Klarheit und Wahrheit. Dann provoziert sie nicht zuletzt das Erkunden und Bedenken der Bedingungen, aus denen diese Dokumente eines wichtigen Menschen wie Celan erwachsen sind. Dann fordern und fördern sie noch das Nachdenken über die Voraussetzungen einer Welt, die so menschlich eingerichtet wäre, daß niemand mehr Lieder jenseits der Menschen zu erhoffen gezwungen wäre. Der Dichter Paul Celan hat das seine getan. Sache des Lesers ist es, daraus zu gewinnen, was sich daraus gewinnen läßt: eine verpflichtende Botschaft an den Nachgeborenen. Magie des Sprachkünstlers, gewiß, mag immer im Spiele sein. Im Innersten des Werks aber wirkt die Kraft des humanen Anspruchs und Zuspruchs, wie sie aus diesen an den Sohn Eric adressierten Versen vernehmbar wird:

Die Unze Wahrheit tief im Wahn,

an ihr
kommen die Teller der Waage
vorübergerollt,
beide zugleich, im Gespräch,

das kämpfend in Herz-
höhe gestemmte Gesetz,
Sohn, siegt.

Hans Richter, Sinn und Form, Heft 2, März/April, 1982

Ein Fremder in Wien und anderswo

Wien war im Spätherbst 1947, als Paul Antschel, der aus Czernowitz stammte und sich als Dichter Paul Celan nannte, aus Bukarest geflüchtet und auf abenteuerlichen Wegen hier angelangt war, eine tote Stadt. Sie sah genauso aus, wie sie Carol Reed nach einem Drehbuch von Graham Greene in seinem Film Der dritte Mann geschildert hat. Es war eine Stadt, die, obwohl viele Menschen darin wohnten und sich auf den Straßen bewegten, den Eindruck einer ungeheuren Leere vermittelte.
In den Straßen gab es noch viele Lücken anstelle der Häuser, die durch Bomben zerstört worden waren. An manchen dieser Ruinengrundstücke hatte man die, Tafeln „Schuttabladeplatz“ angebracht, so dass sie mit allerlei Schutt aus anderen zerstörten Häusern oft überladen waren. Den ganzen ideologischen Mist der kurzen, aber nachhaltigen Nazi-Epoche hatte man hier jedoch nicht abgeladen. Der spukte noch immer in den Köpfen vieler Bewohner, die nicht begreifen wollten, warum ihnen das alles angetan wurde. Sie waren sich keiner Schuld bewusst. […]1
In einem Meer von diffusen Resten der k.u.k. Monarchie, des österreichischen Staatsfaschistischer Prägung und der düsteren Zeit des Nationalsozialismus wirkte der Kreis um die Zeitschrift Plan, die Otto Basil herausgab, wie eine helle, rettende Insel. Die Rolle, die Otto Basil mit seiner Zeitschrift in der österreichischen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg gespielt hatte, wurde bis heute nicht hinreichend gewürdigt. Die offenen Redaktionssitzungen, die er sporadisch veranstaltet hatte, waren ein Sammelpunkt der emigrierten und wieder heimgekehrten Schriftsteller und der hier gebliebenen Antifaschisten. […]
In der letzten Nummer des Plan druckte er eine Handvoll Gedichte von Paul Celan, den ich schon in der Redaktion kennengelernt hatte. Ich lernte dort auch Franz Theodor Csokor und Hans Weigel kennen, doch die Bekanntschaft mit Paul Celan erwies sich als eine Art Freundschaft auf den ersten Blick. Paul kam aus einer Welt, die mir vertraut war. Wir waren beinahe gleichaltrig und hatten in den dreißiger Jahren für den Surrealismus geschwärmt, der in deutschsprachigen Gebieten so gut wie nie als Stil und revolutionäre intellektuelle Bewegung Anhänger gefunden hatte. Otto Basil war da eine Ausnahme, weil er schon vor dem Krieg versucht hatte, in den zwei Nummern seiner Zeitschrift, die auch Plan hieß, den Surrealismus in Österreich einzuführen. Man kann sich schwer vorstellen, wie Paul und ich in der großen Leere, die uns umgab, über André Breton und sein surrealistisches Manifest, über Louis Aragon, Paul Éluard und René Char miteinander sprachen. Wovon wir gelebt haben, weiß ich nicht, aber wir waren da und wollten Zeugnis ablegen über die Zeit der Verachtung und der Gnadenlosigkeit. Wir hatten eine kaputte Vergangenheit hinter und eine fragwürdige Zukunft vor uns. Aber wir konnten lachen und absurde, surrealistische Spiele erfinden. Und die „Internationale“, „Avanti Popolo“ und andere revolutionäre Lieder singen, die schon längst ihren Sinn verloren hatten.
[…]
Obwohl mit Basils Hilfe mein erstes Bändchen Erzählungen, Unterwegs, 1947 erschienen war und ich eine Stelle beim französischen Informationsdienst gefunden hatte, der eine Art Kulturbulletin herausgab, trug ich mich mit dem Gedanken, durch die Vermittlung der Flüchtlingsorganisation IRQ nach Amerika auszuwandern. Auch Paul hielt in Wien nichts zurück, das seinen intellektuellen Glanz völlig eingebüßt zu haben schien. Otto Basil organisierte für ihn eine Lesung in der Agathon-Galerie. Der lange, schmale Saal im Souterrain, den man über eine Treppe erreichen konnte, war voll, aber was zählten schon die paar Dutzend Menschen in einer Millionenstadt, die offenbar andere Sorgen hatte, als sich für einen aus irgendwelchen dunklen Bezirken geflüchteten Dichter zu interessieren, der den Tod als einen Meister aus Deutschland bezeichnete?
Basil wollte auch einen Gedichtband von Paul drucken, doch der Verlag Erwin Müller, bei dem die Zeitschrift Plan sowie eine Buchreihe erschienen, machte Pleite, so dass sich Paul nach einem anderen Verlag umsehen musste. Die Verlagsbuchhandlung A. Sexl erklärte sich bereit, Pauls Gedichte unter dem bezeichnenden Titel Der Sand aus den Urnen herauszugeben, unter der Bedingung, dass der Autor einen Druckkostenbeitrag auf den Tisch lege, was Paul mit Hilfe seiner Freunde, zu denen der surrealistische Maler Edgar Jené gehörte, auch tat. Jené lieferte auch Illustrationen dazu. Das Bändchen erschien, auf schlechtem Papier, voller Druckfehler und mit elenden Wiedergaben von Jenés Zeichnungen. Ich weiß nicht, ob Paul da noch in Wien war, ich weiß nur, dass er sich über diese Missgeburt sehr ärgerte und vom Verleger verlangte, die ganze Auflage einzustampfen. So hatte Paul Celan, den bald viele Kritiker für einen der größten Dichter unserer Epoche hielten, nichts vorzuweisen, als er in Paris ankam.
Selbst wenn dieser erste Gedichtband von ihm schöner und korrekter gedruckt gewesen wäre, hätte ihm das in Frankreich wenig genützt, weil er beharrlich darauf bestand, in deutscher Sprache zu schreiben, die zu dieser Zeit in seinem neuen Domizil nicht besonders geschätzt wurde.
Paul war in Wien ein Fremder und blieb auch in Frankreich ein Fremder. Ich besuchte ihn dort im Frühjahr 1949. Ich hatte nur ein Blatt Papier als eine Art Ausweis für staatenlose Gesellen, auf dem man mir ein Visum für Frankreich ausstellte. Um jedoch die Demarkationslinie zwischen dem von den Russen besetzten Niederösterreich und dem amerikanisch besetzten Oberösterreich zu passieren, brauchte ich einen Identitätsausweis, den nur österreichische Staatsbürger bekamen. Ich konnte also nicht so ohne weiteres den Zug nach Paris besteigen. Da halfen mir meine französischen Arbeitgeber und gaben mir einen echten Identitätsausweis mit meinem Photo und meinen Geburtsdaten, aber mit einem falschen Namen. Ich hieß für die Kontrollorgane an der Demarkationslinie Matthias Dietz, von Beruf Sportjournalist. Auch mein Geburtsort wurde aus Budapest in Wien verwandelt, damit ich ja nicht auffalle. Wie war nur Paul durch die vielen Kontrollen zwischen Bukarest und Paris durchgeschlüpft? Ich habe ihn nie danach gefragt, weil wir beide annahmen, dass zu dieser Zeit jeder irgendwelche Tricks anwenden musste, um weiterkommen zu können. Ich war jedenfalls froh, ihn wiederzusehen, damit wir unsere endlosen Gespräche über einen gleichgültigen Gott und eine aus den Fugen geratene Welt fortsetzen konnten. Paris war zu dieser Zeit die unumstrittene geistige Metropole Europas. Dort entstand der Existentialismus, die einzige nennenswerte philosophische, intellektuelle und literarische Bewegung nach dem Zweiten Weltkrieg. Frankreichs geistige Elite war nach dem großen Gemetzel auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und nach der Verantwortung des Menschen in den Zeiten der Freiheit und der Unfreiheit. Das wirkte erfrischend auf uns, die wir gerade der Scheinfreiheit Wiens entkommen waren. […]
Da ich mich verpflichtet hatte, für meine französischen Arbeitgeber eine Reihe von Berichten über das Kulturleben in Paris zu schreiben, besuchte ich eifrig die Theater, Ausstellungen, Cabarets und anderen Veranstaltungen und stieß dabei auf ein Ereignis, das nicht nur mich, sondern auch Paul faszinierte und zugleich belustigte, weil es stark an ein surrealistisches Spiel erinnerte.
Ein ausgemusterter amerikanischer GI namens Garry Davis zerriss seinen amerikanischen Pass, schlug ein Zelt vor dem Sitz der Vereinten Nationen vor dem Palais Chaillot am Fuße des Eiffelturms auf und verlangte von den Abgeordneten dieser Weltorganisation, ihm einen Pass als Weltbürger auszustellen, da er sich als solcher fühle. Er wurde wegen öffentlicher Ruhestörung verhaftet, auf die Intervention der namhaften französischen Intellektuellen hin, die für ihn vehement Partei ergriffen, jedoch wieder freigelassen. Es wurde ein Komitee gegründet, um den Weltbürger Nr. I zu schützen und die Idee des Weltbürgertums zu verbreiten.
Ich schrieb eine Art Grußadresse oder eher Solidaritätserklärung in französischer Sprache, Paul gab seinen Senf dazu, und wir gingen gemeinsam in das Büro des Komitees, um sie dort abzugeben. Überraschenderweise wurden wir dort als ein staatenloser Rumäne und ein staatenloser Serbe, die sich der Weltbürgerbewegung anschließen wollten, freudig empfangen und feierlich herumgereicht. Selbst Albert Camus, einer der prominentesten Wortführer des Komitees, reichte uns, die unvermeidliche Gauloise im Mundwinkel, die Hand. Ich interviewte Garry Davis, der einem baumlangen, wortkargen Cowboy aus einem amerikanischen Film ähnelte – das Reden besorgten seine intellektuellen Beschützer –, und veröffentlichte einen langen Artikel unter dem Titel „Davis gegen Goliath“ in der Wiener Zeitung Welt am Montag.
Bald verlief die Weltbürgerbewegung, wie so viele andere gute Vorsätze, im Sand, und Paul und ich blieben weiterhin „Displaced Persons“. Obwohl wir in der Folge die französische beziehungsweise die österreichische Staatsbürgerschaft erwarben, waren wir samt unserem altösterreichischen Erbe noch immer Fremde in einer Welt, die von der einstigen, von den Bürgern jüdischer Herkunft geprägten Universalität des Vielvölkerstaats sehr weit entfernt war.
Um Paul in die österreichische Literatur zu integrieren – wo sonst gehörte er hin? –, veröffentlichten Reinhard Federmann und ich 1951 seine Gedichte in der von Hans Weigel herausgegebenen, aber von uns redigierten ersten Nummer des Jahrbuchs Stimmen der Gegenwart, das von der sogenannten kulturellen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde.
Enttäuscht über die Gleichgültigkeit der Österreicher, war ich schon ein Jahr zuvor nach Deutschland gefahren, mit einem Brief von Franz Theodor Csokor an Erich Kästner, der außergewöhnlich hilfsbereit war und mir nicht nur unaufgefordert Geld lieh, sondern mich auch mit Hans Werner Richter zusammenbrachte. Richter lud mich zur Tagung der Gruppe 47 ein, die im Juni 1951 in Bad Dürkheim stattfand und an der zum ersten Mal auch Ilse Aichinger und Heinrich Böll vor den versammelten Kollegen lasen. Hans Werner Richter war ein echter Pfadfinder der Literatur, der sich immer wieder auf die Suche nach noch nicht entdeckten Talenten begab, um ihnen eine Lesung bei einer der Tagungen der Gruppe 47, die zunehmend das Interesse der Medien erweckten, als Sprungbrett anzubieten. Es war eine Art Börse, an der man statt Wertpapiere Autorinnen und Autoren feilbot. Ich hatte nach meiner Lesung in Bad Dürkheim sofort einen Verleger für meinen noch nicht fertigen Roman Tote auf Urlaub gefunden. So lud ich Hans Werner nach Wien ein, um ihn mit jungen österreichischen Autoren bekannt zu machen, und er kam.
Hier freundete er sich mit Ingeborg Bachmann an, die sich wiederum, zusammen mit mir, dafür einsetzte, dass Richter Paul Celan, den sie schon in Wien kennengelernt und später in Paris besucht hatte, zur nächsten Tagung einlud, die im Frühjahr 1952 in Niendorf an der Ostsee stattfinden sollte.
Vor einiger Zeit besuchte mich ein junger deutscher Germanist in Wien, um mich über die Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan auszufragen. Er wollte vor allem von mir wissen, ob die beiden miteinander ins Bett gegangen seien. Obwohl alle Welt wisse, dass die beiden eine Liebesbeziehung hatten, könne ich nicht beschwören, dass sie je einen Liebesakt vollzogen hätten, antwortete ich ihm. Viel wichtiger sei es jedoch, dass Ingeborg Bachmanns Gedichte nach ihrer Bekanntschaft mit Celan ganz anders und viel besser geworden seien als ihre bisherigen dichterischen Versuche. Das sei darauf zurückzuführen, dass Celan sich der Mühe unterzog, seinen Kollegen anhand ihrer Texte praktische Ratschläge zu geben, wie man sie besser machen könnte. Das hatte ich selbst erfahren, obwohl Celan keine Prosa schrieb.
Ob sich Ingeborg Bachmann bei Hans Werner Richter aus Liebe zu Paul für ihn einsetzte oder ob sie es tat, um sich bei ihm für die erwiesene Hilfe zu revanchieren, sei dahingestellt. Ich kann mich noch genau erinnern, wie Inge und ich Hans Werner Richter Celans Adresse diktiert hatten und er sie auf der Schanktheke des Café Raimund auf einen Zettel schrieb und ihn lässig in die Tasche steckte, die schon voller Zettel war. Ich hatte Angst, er würde den Zettel verlieren, aber er verlor ihn nicht. Sp verließ Paul für kurze Zeit sein Exil und kam nach Niendorf.
Sein erstes Auftreten in Deutschland war peinlich, weil einige Zuhörer seine Vortragsweise zu altmodisch, ja zu pathetisch fanden. Das kam daher, weil die meisten von ihnen, wenn nicht alle, die Wurzeln von Pauls Gedichten in der französischen und der russischen Poesie einfach nicht kannten. Einer von ihnen verstieg sich sogar dazu, Paul mit einem Rabbi zu vergleichen. Einige Zeugen wollten sogar den Vergleich mit Goebbels gehört haben. Hans Werner Richter entschuldigte sich bei Paul wegen des Vergleichs mit einem Rabbi, Goebbels ging dabei irgendwie unter.
Trotz aller Missverständnisse spürten die meisten Anwesenden, dass es sich bei Paul um eine außergewöhnliche Art von Dichtung handelte. Willi A. Koch, der Cheflektor der Deutschen Verlags-Anstalt, der gerade meinen Roman Tote auf Urlaub herausgebracht hatte, riss Paul geradezu das Manuskript aus der Hand und bot ihm einen Vertrag an. Bald erschienen zwei schmale, in schwarzes Leinen gebundene Gedichtbände Pauls, Mohn und Gedächtnis und Von Schwelle zu Schwelle, in der alteingesessenen Stuttgarter Deutschen Verlags-Anstalt. Bei aller Anerkennung und bei den vielen renommierten Preisen, die ihm dort verliehen wurden, blieb Paul in Deutschland ein Fremder. Das erwies sich besonders, als Claire Goll, die Witwe des verstorbenen expressionistischen Dichters Yvan Goll, Paul Celan beschuldigte, ihren Mann plagiiert zu haben. Das war ein gefundenes Pressen für manche „Literaturkritiker“, die über Ähnlichkeit oder gar Gleichheit einiger Metaphern, die beide Dichter in verschiedenen Zusammenhängen verwendet hatten, in den Feuilletonspalten mit tödlichem Bierernst zu sinnieren begannen. Natürlich gab es noch viel mehr Kritiker und Kollegen, die für Paul Partei ergriffen, weil sie ihn für einen viel größeren Dichter hielten als Yvan Goll. Paul war tief gekränkt. Diese künstliche hervorgerufene „Affäre“ hatte in ihm eine alte Wunde aufgerissen, die partout nicht heilen wollte. Um unserem Freund in Not beizustehen, organisierten Reinhard Federmann und ich eine Solidaritätserklärung, die von einigen Wiener Kollegen mit unterschrieben wurde. Paul kam, ich glaube, das war im Sommer 1959, zusammen mit seiner schönen Frau und seinem kleinen Sohn nach Wien, um hier unter Freunden Atem zu schöpfen, 1960 sah ich ihn das letzte Mal. Aber wir telefonierten miteinander, bis er schließlich aufhörte, sich zu melden oder auf meine Anrufe zu reagieren.
Einige Jahre nach seinem freiwilligen Tod ging ich in eine große Wiener Buchhandlung, um seine Gedichte für einen ausländischen Besucher zu kaufen. Die junge Buchhändlerin kannte Celans Namen nicht und fand auch kein Exemplar seiner Gedichte im Lager: Der aus der Bukowina, also aus einem größeren, in ein Niemandsland verwandelten Österreich vertriebene Dichter Paul Celan war in dem kleinen, geistig auf seine provinziellen Grenzen zusammengeschrumpften Staat noch immer nicht zu Hause und blieb so, wie zuvor, ein Fremder.

Milo Dor, in ,Displaced‘ Paul Celan in Wien 1947–1948, hg. v. Peter Goßens und Marcus G. Patka im Auftrag des Jüdischen Museum Wien, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 2001

Aus „Orte “

Royaumont, die alte Zisterzienserabtei mit ihrer mächtigen Kirchenruine, dem flammenden Herbstpark, und wie wir da ankamen bei Nacht. Unter den hohen Gewölben stehen wir bei flackernden Kerzen und werden eingeteilt, Madame und Madame und Madame, Monsieur und Monsieur und Monsieur, Dreierzimmer also, und, wie sich herausstellt, riesige, mit zwei Betten nebeneinander und einem in der Ecke, das hat, als wir hinaufkommen, die junge Dame vom Herder-Verlag schon belegt. Elisabeth Langgässer und ich also Seite an Seite, und ich fürchte mich vor Frau Langgässers kühlen, durchdringenden Blicken und hole die spanische Wand, zerre sie zwischen unsere Betten, unhöflich genug. Doch schon in der ersten Nacht sprechen wir, dann in allen folgenden ohne Trennwand, Handwerksgespräche über die Kurzgeschichte, eine von uns beiden im Augenblick bevorzugte Form. Ich staune über Elisabeth Langgässers bewusstes Arbeiten, ihre überlegene Anwendung von Kunstmitteln, ihren klaren, analytischen Verstand. Etwas muss darin sein, sagt sie, in jeder Kurzgeschichte, ein Paukenschlag, ein lautloser, wenn Sie wollen, aber einer, nach dem nichts mehr sein kann, wie es vorher war. Wir sprechen in der Nacht, sitzen tagsüber bei den Vorträgen, ein Priester mit Baskenmütze hat uns bei Kehl über die Grenze gebracht, es ist das Jahr 1948, Einzelvisen werden nicht erteilt. An einem Vormittag, schon gegen Mittag, bahnt sich ein Diener den Weg durch die Reihen und bleibt vor mir stehen, der junge Mann, der mich draußen sprechen will, ist Paul Celan, ein schmächtiger Jüngling aus Czernowitz, ein Emigrant. Wir gehen zusammen durch den rotgoldenen Park und setzen uns auf eine Bank, und Celan liest mir mit eintöniger, noch völlig ungeübter Stimme seine „Todesfuge“ vor.

Marie Luise Kaschnitz, in Marie Luise Kaschnitz: Gesammelte Werke, hg. v. Christian Büttrich und Norbert Miller, Bd. 3: Die authentische Prosa II, Frankfurt a.M., Insel, 1982

 

Hans Mayer: Erinnerung an Paul Celan, Merkur, Heft 272, Dezember 1970

 

GEPRESSTER CELAN

i
DIE LICHTRÄNDER haben sie
aus dem Rahmen gedrängt
von vornherein und malen
drastische Schatten.

ii
DAS NACHHOLGEWISSEN
der später Geborenen
die nicht getroffen wurden?
Gewissenswäsche Betreffender
mittels Aufblähungen
schwarzer Ballons.

iii
INSEMINARISIERT
Sie haben ihn aus der Luft getragen
in ihre Lehre.      Dort
rätseln sie über seinen Atem.

iv
Wer gräbt, wird nicht tiefer.

v
Asche und Namen – Bild
eines Rauchs, das ihnen
die Nase rümpft.

vi
WER spricht es mir, das schwere, lichte
Gelächter Schmerz von Wort zu Wort?
Wo er in seine Lücken flüchtet,
schweigt es herüber, ausgerichtet
wie eine Stimme über Bord.
Die Brücken fallen über den raschen
Wassern rückwärts ins Gestein
der letzten Nacht.      Wir stehn und haschen,
standhaft im Ungemach nach Flaschen-
Post und naschen dran und dunkeln ein.

Franz Wurm

 

Fakten und Vermutungen zum Herausgeber

 

 

Paul Celan: Dichter ist, wer menschlich spricht. Ein Film von Ulrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt mit Eric Celan und Bertrand Badiou.

 

Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.

 

 

Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.

 

„wir wissen ja nicht, was gilt“ – Paul Celan zum 100. Geburtstag

 

Ein Abend zu Paul Celan am 18.5.2020 im Literaturhaus Berlin mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Es moderiert Eveline Goodman-Thau.

 

Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.

 

Erreichbar, nah und unverloren. Reisen zu Paul Celan. Teil 1. Gespräch mit Helmut Böttiger.

 

Todesfuge – Biographie eines Gedichts. Alexander Suckel im Gespräch mit Thomas Sparr am 17.4.2020 im Literaturhaus Halle.

 

„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.

 

Paul Celan in Europa – Videogespräch am 22.9.2020 im Rahmen der trilateralen Forschungskonferenzen 2020–2023 in der Villa Vigoni.

 

Paul Celan übersetzen – Gabriel Horatiu Decuble im Gespräch mit Ton Naaijkens und Alexandru Bulucz, Moderation Ernest Wichner am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle im Rahmen der Tagung „Was setzt über, wenn Gedichte übersetzt werden“.

 

Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.

 

„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll

 

Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.

Zwischen „Grabschändern“ und „Linksnibelungen“. Wolfgang Emmerich im Gespräch mit Michael Braun über Paul Celans Verhältnis zu Deutschland und seinen deutschen Kritikern.

Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.

 

 

Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969

Zum 50. Todestag des Autors:

Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020

Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020

Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020

Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020

Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020

Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020

Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020

Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020

Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020

Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020

Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020

Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020

Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020

Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020

Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020

Evelyne Polt-Heinzl: Paul Celan Ein Migrant in Wien
Die Furche, 8.4.2020

 

 

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020

Klaus Demus: „Eine sehr große Freundschaft“
literaturoutdoors.com, 22.11.2020

Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020

Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020

Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020

Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020

Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020

Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020

Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020

Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020

Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020

Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020

Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020

Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020

Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020

Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020

Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020

Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020

Nikolaus Halmer im Gespräch mit Barbara Wiedemann: Paul Celan: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“
Die Furche, 11.11.2020

Harald Seubert: Lieder jenseits der Menschen und kodierte Zeit: Paul Celan (1920–1970). Zum Gedenken
youtube.com, 15.6.2020

Celebrating Paul Celan: An Evening with Pierre Joris and Paul Auster
youtube.com, 21.11.2020

Stadtführung „Auf den Spuren von Paul Celan“
youtube.com, 10.9.2020

Paul-Celan-Literaturtage 2020. Videopräsentation vom Paul Celan Literaturzentrum Czernowitz

Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern

 

 

West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020

Eröffnung

 

Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“

 

„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan

 

Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel

 

Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts

 

„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan

 

Betreten. Zum Anfang von Engführung

 

Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung

 

„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch

 

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Georg-Büchner-Preis 1 & 2
Porträtgalerie: Keystone-SDA
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Nachrufe auf Paul Celan: Neue Literatur ✝︎ NZN



Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.

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