EDITORIAL CONTENT
Die Redner warnen hölzern: Axt im Walde.
Mit heißen Eisen brennen sie dich blind.
Bist eitel. News von gestern, schon auf Halde.
Wirst wie der Dreck vergessen, der sie sind.
Kein Kommentar hilft Sehen.
Es gibt nichts zu verstehen.
Die Blogger spinnen zittrig Flimmerzeilen
Ephemeriden ohne Sternzeitzahl
Bei keinem Hyperlink darfst du verweilen.
Soziale Netze, plötzlich asozial.
Kein Kommentar weiß weiter
Als Tatsachenbestreiter.
Die Schrift erscheint im Hauptmenü gespiegelt
Entlang der Achse Desinformation.
Die Hand, die deinen Haftbefehl versiegelt
Peitsche tote Blitzvollstrecker zur Aktion.
Kein Kommentar paßt besser
Zur Nacht der langen Messser.
Als PDF kommt Rauschgift aus dem Drucker.
Ein Wissenschaftler malt die Grafik aus.
Zwei Demagogen kauen braunen Zucker.
Aus dieser Grafik kommst du nicht mehr raus.
Kein Kommentar darf wagen
Dies zu sagen.
einer Vielzahl unterschiedlichster Romane und Essays wurde Dietmar Dath u.a. als „Gedanken- und Textgenerator“ bezeichnet, der die Möglichkeiten des Sprechens erforsche. So auch in seinem ersten Gedichtband, dessen Themen ebenso vielfältig sind: Es geht um Pferdediebe, Sehnsucht, Tiefseefische, den Teufel und auch um die Liebe.
Connewitzer Verlagsbuchhandlung Peter Hinke, Ankündigung
– Dietmar Dath schreibt jetzt Gedichte! In Gott ruft zurück findet sich uneindeutige, gegenwartssatte Lyrik. Ob das gut geht? –
Obwohl Dietmar Dath ein extrem produktiver Autor von Romanen und Artikeln ist, ist das in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung erschienene Buch Gott ruft zurück sein erster Gedichtband. Dietmar Dath und der Heavy Metal, die Science-Fiction, der Marxismus der Gegenwart, die ästhetische Verteidigung drastischer Kunst: ja! Aber Dath und die Lyrik? Ungewöhnlich.
Der inklusive Inhaltsverzeichnis und einem Nachgedicht des Berliner Pop-Musikers Jens Friebe nur 55 Seiten kurze Band teilt einem nicht direkt mit, dass Dath von nun an auch als anspruchsvoller Lyriker ernst genommen werden möchte. Die Gedichte beschwören nicht einen neuen hohen Ton oder eine verschlüsselte poetische Unverständlichkeit. In der Beschreibung des Verlags heißt es, Dietmar Daths neue Gedichte seien vielfältig, es „geht um Pferdediebe, Sehnsucht, Tiefseefische, den Teufel und auch um die Liebe“. Es ist auch nach mehrmaligem Lesen schwierig, diese Gedichte als eine Buchpublikation zusammenfassend inhaltlich und stilistisch zu beschreiben.
Die Gemeinsamkeit dieser 37 kurzen Texte besteht zunächst darin, dass sie Gedichte genannt werden können, zwei Texte sogar Sonett heißen, wie „Verstaatlichungssonett“ und „Wahlsonett“, es in ihnen Reime und Rhythmen gibt und sie im Inhaltsverzeichnis, mit Ausnahme eines Gedichtes von Anfang bis Ende des Buches alphabetisch geordnet wirken. Von B wie „Beccadelli“, D wie „Die Herkunft der Dinge“, E wie „Ebertschule“ bis Z wie „Ziegenstrick“, „Zusammengetrenntschreibung“ und „Zwangsfreiheit“. Es gibt jedoch kein durchgängig eindeutiges Thema wie Liebes- oder Arbeitslyrik. Fast jeder Text weist thematisch in eine andere Richtung.
Diese Uneindeutigkeit muss man dem Buch jedoch nicht als einen Mangel anlasten. Manche Gedichte tragen Titel wie „Gerhard Stadelmaier“, was der Name eines Theaterredakteurs bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist und „Henning Ritter“, ebenfalls Redakteur der FAZ. Man könnte vorsichtig sagen, diese zwei Gedichte handeln von bestimmten mächtigen Typen im deutschsprachigen Feuilleton.
In manchen anderen Gedichten gibt es eine Sprache der Intimität, ich und du, wir. Daths Gedichte spielen gezielt mit diesem Gedicht-typischen Potential der ungewöhnlichen Leseransprache, wie es sie auch in vielen Popsongs gibt. Gleichzeitig intim, aber an alle gerichtet. So heißt es am Anfang in „Leichtwerdenkönnen“:
Du hast mir erlaubt, dich kennenzulernen.
Ich fand deinen kahlen Schädel so schön.
Lach nur, Tierchen, mach nur.
Du hast dich beschwert, dein Gespür sei verschwunden.
Ich fand heraus: Sie hatten dir die Haut verbrannt.
Sing nur, Liedchen, kling nur.
In seiner eigenen Balance aus Beiläufigkeit und Abstraktion, ohne weitere Erklärung und Erläuterung, erinnert Dietmar Daths Gott ruft zurück in seinen gelungensten Momenten methodisch an die wie fotografische Snap-Shots produzierten Gedichte Rolf Dieter Brinkmanns, wie sie etwa in dem Rowohlt-Reader Standphotos. Gedichte 1962–1970 zu lesen sind. Wie Dietmar Daths Gedichte beiläufig geschrieben wirken, dadurch zugänglich sind und Gegenwart erzeugen. Im Hier und Jetzt sind sie als sprachliche Gedichte gleichzeitig künstlich abstrakt und unverständlich.
Gott ruft zurück ist kein gereimtes lyrisches Sahnehäubchen auf Daths schriftstellerischem Schaffen. Es bricht mit kommunikativen Erwartungen, stellt sie klug in Frage. Darin nutzt der Text auf überraschende Weise das Potential von Gedichten – seltsame kommunikative Situationen produzieren können – das man ihnen eventuell im Jahr 2011 nicht mehr selbstverständlich zugetraut hätte.
Christopher Strunz, Die Zeit, 6.10.2011
Stefan Höppner: Von Gott und der Welt schreiben
literaturkritik.de, November 2011
Jan Kuhlbrodt: Wagnisse, auf gewisse Weise cool
fixpoetry.com, 31.1.2012
Dietmar Dath: Wie man nichts sagt, wenn man ,Information‘ sagt.
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