Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Die Farbpalette der Dichtung (Teil 12)

Die Farbpalette der Dichtung
Eine kleine koloristische Poetik

Teil 11 siehe hier

Auch in einem späten Gedicht aus Paul Celans Nachlass («Kew Gardens», 1969) wird die Farbe Blau – angesichts einer blauen Meise – zu einem kosmischen Fluidum entfaltet:

Jetzt, wo
du dich häufst, wieder,
in meinen Händen,
abwärts im Jahr,

löst die angestammelte Meise
sich auf in lauter
Blau.

Der Text bildet eine Parenthese zwischen «häufst» und «löst», mithin zwischen der Vorstellung von Zunahme (Gewinn) und Abnahme (Verlust). Die Bewegung geht «abwärts» in der Zeit, also auf ein Ende hin, und sie verbindet ein anonymes Du mit einer «angestammelten Meise», die sich sogleich auflöst «in lauter Blau». Das lässt – so wie im zitierten Liebesgedicht aus der Frühzeit – an den Himmel und dessen «lauteres» Blau denken, das gleichzeitig alles (das All) und das Nichts bedeuten kann. Was sich da ins Allbeziehungsweise ins Nichts verliert, ist eine kleine Meise mit blauem Hals und blauen Flügeln, ein zehn Gramm schweres Vögelchen, das unversehens zur Quelle und zum Inbegriff totaler Bläue wird. Schauplatz dieses ephemeren und zugleich kosmischen Vorgangs ist der Königliche Botanische Garten in London.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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