»Die Welt«, so heißt es weiter im Text jenes Malers, den der Übersetzer dem Deutschen bis auf eine Sehmeile angenähert hat, »war nicht mehr dieselbe, sie war nicht mehr als selbstverständlich gegeben anzusehen. Die Welt würde«, meinte er, »verlernt und neu gelernt werden müssen, alles in einer anfallsartigen Zuckung.« Denn offenbar stand ihm die Welt – oder wer auch immer sie sein mochte – im Weg, und als sie schließlich unterzugehen drohte und tatsächlich sich zu verrücken begann, sagte er: »Nein, bleib da.« Die Horizontlinie war rot, mit einigen grauen Wischern. In der Ferne war es – wird es? – schon Nacht: »Jetzt sitze ich also vor einer Landschaft, nicht weil sie mich besonders rührt – ich will nicht sagen, sie sei meine Rührung nicht wert; ich bin ganz einfach über Rührung in diesem Sinn hinaus – sondern weil sie mir meinen Standort zeigt«, schrie er. »Ich finde«, setzte er dann, unbekümmert, fest hinzu, »nur noch die Zeitspannen bemerkenswert, in welchen ich nicht von Einzelheiten gequält werde. Ich weiß«, und er wiederholte: »Ich weiß, gerade eben bin ich mit Einzelheiten hausieren gegangen. Aber der Mensch«, flüsterte er nun und schrieb, was er sagen wollte, aber nicht auszusprechen wagte, mit der Fußspitze ins feuchte, fast schwarze Erdreich: »DER MENSCH ÄNDERT SICH.«
Wer dies sehen will, muß ganz Auge sein (können); ganz Körper, ganz Kind.
Und wer ganz Auge zu werden vermag, kann anders, kann anderes schon gar nicht mehr wahrnehmen. Da er sieht, wie er wird, kann er jederzeit auch wissen, wer er ist, vergessend, was er war.
aus: Felix Philipp Ingold: Haupts Werk Das Leben
Ein Koordinatenbuch vom vorläufig letzten bis zum ersten Kapitel.
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