IM RINGEN
MIT DEM
SCHWEIGEN
Bamdad bin ich
am Ende
aaaaaaamüde
eines Kampfes, der, gegen mich allein gerichtet,
erschöpfender ist als jeder andere
aaaaaaaaaaaaaa(bevor du noch das Roß besteigst,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaabist du gewiß,
aaaaaaaaaaaaaadaß eines Geiers mächtiger Schatten
aaaaaaaaaaaaaamit geöffneten Schwingen
aaaaaaaaaaaaaadas Feld überquert hat,
Schicksal
aaaaaaaadeine
blutüberströmte Zauberpuppe
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaabegraben hat,
und dir bleibt
aaaaaaaaaaakein Entkommen
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaus Scheitern und Tod)
Bamdad bin ich
ein Bürger von mäßiger Statur und Intelligenz.
Ein Ring verbindet meine Herkunft
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaamit den Landstreichern Kabuls.
Mein Rufname ist arabisch
aaaaaaaaaaaaaaamein Stammesname türkisch
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaamein Pseudonym persich.
Mein Stammesname
schämt sich der Geschichte
und meinen Rufnamen
liebe ich nicht
aaaaaaaaaaaa(nur wenn du mir ein Lied schenkst
aaaaaaaaaaaaaist dieser Name
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaader Welt schönstes Wort
aaaaaaaaaaaaaund jene Stimme
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaader traurigste Flehgesang).
In der schweren Nacht eines endlosen Schneefalls
habe ich diese Herberge erreicht
greisenhaft müde
aaaaaaaaaaaaaaavon Anbeginn.
In einem gramerfüllten Haus wurde ich erwartet,
an der Wasserschenke zum Spiegel,
nahe dem Derwisch-Kloster.
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa(Vielleicht aus diesem Grund
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahat mir der Schatten Satans
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaimmerzu
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaufgelauert).
…
Ahmad Schamlu
− „LiteraPur 2“ – eine akrobatische Entdeckungsreise. −
Im Kreis: Die Teilchen Die Töne Ein Wort Sein Wesen – so ist die zweite Ausgabe der Literaturzeitschrift LiteraPur untertitelt. Das engagierte Projekt zu Vervielfältigung sprachlicher Vielschichtigkeit, zur Kräftigung des Parketts für Sprachakrobatik und verbale Inventionen wird inzwischen von Jürgen Abel allein herausgegeben.
„LiteraPur 2“ ist schon äußerlich offener und heller im Grundton als sein Vorgänger. Das gilt ebenso für die Auswahl der Texte. Geriet doch der erste Versuch zu einem spärlich ausgeleuchteten, mannigfaltig in sich gekrümmten Raum, den zu betreten man kaum wagte und der so hermetisch war – versperrt –, daß man das modernistisch-avantgardistische Gefühl nicht los wurde, die Texte wollten sich dem Leser verweigern. Harte Verschalungen, hinter denen sich keine Beziehungen zu diesseitigen Lebenserfahrungen ausmachen ließen. Magnetisch-herausfordernde Text-Geheimnisse, die die Spannbreite gesellschaftlicher Entfremdung durch eine größtmögliche Ferne zum Leser aufrechterhalten und deutlich machten. Und auch eine Front zu literarischem Gesinnungskitsch, brummkreiselnden Introspektionen und innerer Psycho-Akustik.
Die zweite Ausgabe versiegelt sich nicht so stark; sie besitzt Durchlässigkeit und ermöglicht beim Lesen eine Eintauchtiefe. Texte bilden Trichter aus, die in den Textkörper einführen.
Der Maler Andreas Schwarz gestaltete das Material der 28 Autoren auch diesmal mit textspezifischen Typographien und Layouts und gibt so dem Projekt eine außergewöhnliche Spannung. Zudem steuert er das gelungene Manifest „Beleuchtungen“ bei.
Die Blöcke, die das Text-Material thematisch portionieren, heißen „Im Ozean ausgegossener Hinweise“, „Zwischen tosenden Resonanzräumen des Du“, „Ein Ausfall mit Landschaft“. Jeder Autor stellt seinem Text eine sogenannte „Vitrine“ voran, die dann mit Zitaten oder Referenzen gefüllt wird. Bei deren Durchsicht rücken Schreib-Intentionen deutlich ins Fadenkreuz und bilden zudem ein Koordinatensystem literaturgeschichtlicher Herkunft. Die schwere Last des „Poetischen Wörterbuchs“ fiel diesmal auf das Wörtchen DANN. Barbara Strohschein stellte ein Wenn-Dann-Manifest auf, Ginka Steinwachs arbeitete einen 22-seitigen Katalog aus („Singe, O Muse, den Zorn“), Gundi Feyrer überzeugt mit einer weiteren Probe ihres Stils, der „Bedeutungspausen“ für Worte und Leser erzeugt.
Der Beginn der Steinwachs’schen Sprachröhre allerdings läßt feine Sporen ausrieseln, die den Rand ihres Textprojekts kaum erahnen lassen, die einzelnen Segmente berühren einander nicht. Vage wird der Raum angedeutet, bleibt aber unsichtbar. Painting by numbers ohne Zahlen und Linien. Ginka Steinwachs spricht einen Code, der mir unbekannt ist.
Andi Arbeit-Hahn präsentiert seine aus Buchtiteln zusammengetragene Collage „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer“, die im letzten Jahr mit einem Stipendium belohnt wurde und sorgt optisch für Luft.
Zentrum und Auflösung besitzen die lesenswerten Gedichte Farhad Showghis („Leiser Code“, „Rotor“ und „Lidstriche“), der auch eine Probe der in Deutschland nicht verlegten Gedichte des Iraners und Schah-Oppositionellen Ahmad Schamlu für diese Ausgabe ins Deutsche übertrug.
Im amüsanten Forum-Beitrag „Trüffel aus dem Paradiesgarten der Sprache“, verfaßt vom frischgekürten Hamburger Stipendiaten Tobias Gohlis und dem Jury-Mitglied Martin Hielscher, wird der Leser mit dem Werk und Leben des Syphilitikers Amiel Havari bekanntgemacht. Bodo Hell klopft in „hellhörig“ seine Umgebung auf Klang-Phänomene ab. Eine ungeschraubte und schöne 360-Grad-Collage. Bert Papenfuß-Gorek „profanisiert einige verzückte Worte“ und führt in anregende Wortfelder. Es gibt also etwas zu entdecken.
Weitere Autoren: Brigitte Kronauer, Oskar Pastior, Yoko Tawada, Friederike Mayröcker, Paul Wühr, Karl Riha und andere; sowie der Komponist Manfred Stahnke, der eine „Partch Harp“ für Harfe und Synthesizer notiert hat.
Alfred Lorenzen, Hamburger Rundschau, 13.12.1990
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