ELKE ERB
Perspektive im Februar
Antwort auf eine Umfrage
Mir will nicht in den Kopf
ein in der Zukunft wartendes Elend,
und sei es das einer Minderheit.
Mir geht nicht aus dem Kopf
die vergiftete Natur der Umwelt
und die geschändete der menschlichen Produktivität.
Im Vordergrund meines Interesses taucht der Deutsche auf,
eine Begegnung, die mich freut;
er ist zu studieren:
Wie richtet er Schaden an,
wie gedeiht seine Güte,
schmarotzt er?
1989
aus: Elke Erb: Freude hin, Freude her. Gedichte. Lyrikedition 2000, München 2006
In einer Notiz hat Elke Erb (geb. 1938), die lyrische Exzentrikerin aus Berlin, das Schreiben als rein physiologischen Prozess dargestellt, der ohne Zutun des Autors seine eigenen Kombinatoriken hervorbringe. Die lyrischen Sprachverknüpfungen begreift sie dabei als „Inschriften unter der Haut“, die ihr eigendynamisches Possenspiel treiben: „Ich sah den Poesien zu, die sie hervorbrachten, und dachte, ich hätte das schwerlich zustande gebracht.“
Beim Blick auf die dramatischen Tage des politischen Umbruchs in der DDR hat Elke Erb 1989/90 einige politische Augenblicksnotate verfasst, eine Art protokollarische Mitschrift der Verunsicherungs-Erfahrungen in dieser Zeit. So entsteht hier eine Bewusstseins-Inventur zur deutschdeutschen Situation, wobei stark ironische Akzente ins Spiel kommen, wenn eine Typologie des „Deutschen“ erstellt wird. Die verblüffende Wirkung des Textes basiert auf den altertümelnden Fragestellungen („wie gedeiht seine Güte?“), die nicht auf politische Qualitäten zielen, sondern eher auf nationalpsychologische Konstanten.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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