Ezra Pounds Gedicht „In a Station of the Metro“

EZRA POUND

In a Station of the Metro

The apparition of these faces in the crowd;
petals on a wet, black bough.

Das Erscheinen dieser Gesichter in der Menge:
Blütenblätter auf einem nassen, schwarzen Ast.

(Übersetzung: Eva Hesse)

1913

aus: Ezra Pound: Lesebuch. Hrsg. v. Eva Hesse. Arche Verlag, Zürich 1986

 

Konnotation

Einer der größten Literaturrevolutionäre des 20. Jahrhunderts, der amerikanische Dichter Ezra Pound (1885–1972), hatte 1912 in einem seiner zahlreichen Manifeste die Ära des „Imagismus“ ausgerufen. Das „image“ begriff er als Verdichtung eines intellektuellen und emotionalen Komplexes. Inspiriert durch die japanische Gedichtform des Haiku, entwickelte er dann das „Ein-Image-Gedicht“ als eine Form der Überlagerung, „eine Vorstellung, die über eine andere geschichtet ist“. Das berühmteste Beispiel für dieses „Ein-Image-Gedicht“ ist „In a station of the Metro“ aus dem Jahr 1913.
Es geht hier weniger um eine Überlagerung zweier Vorstellungen, als vielmehr um eine metaphorisch-sinnliche Illustration eines Bildes durch ein anderes. Entscheidend ist hier die „apparition“, das sinnliche Erscheinen eines Wirklichkeitsphänomens, in diesem Fall der verwechselbaren Gesichter in einer Metro. Daraus entsteht erst das Naturbild der Blütenblätter, das die großstädtische Szene transzendiert.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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