Friedrich Nietzsches Gedicht „Ecce homo“

FRIEDRICH NIETZSCHE

Ecce homo

Ja! Ich weiss, woher ich stamme!
Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr’ ich mich.
Licht wird Alles, was ich fasse,
Kohle Alles, was ich lasse:
Flamme bin ich sicherlich.

1882

 

Konnotation

Seiner 1882 publizierten Schrift Die fröhliche Wissenschaft hat der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844–1900) ein „Vorspiel in deutschen Reimen“ vorangestellt, das insgesamt 64 kurze Gedichte umfasst. Das bekannteste Stück davon nimmt den Titel von Nietzsches letzter Schrift, des autobiografischen Fragments Ecce homo, vorweg. „Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit.“ Nietzsches Selbstdarstellung in seiner autobiografischen Prosa Ecce homo spielt metaphorisch mit jener Topik des verzehrenden Feuers, die auch im Gedicht aufgerufen wird. „Ecce homo – siehe da, ein Mensch“: Das ursprünglich an Jesus Christus gerichtete Wort des römischen Statthalters Pontius Pilatus wird hier zum lyrischen Zeugnis eines starken Selbstbewusstseins. Es kann hier nicht nur als Credo eines Denkers, sondern auch als das eines leidenschaftlich Liebenden gelesen werden.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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