GERHARD FALKNER
zerstreute strophe
leicht wie luft, das weckte mich dann, von den fremden
aaaaader morgen hatte sich wunderbar in gewalt, gelöst
wie die schiffe, freilich wer war ich, beschattete bäume
aaaaaich sah nicht lange hin, oder tod, herabgekommen
nur die zunge, ich es nicht länger, glücklich verwirrt
1989
aus: Gerhard Falkner: X-te Person Einzahl. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1996
Der Dichter Gerhard Falkner (geb. 1951) hat es seit seinen ersten Auftritten auf der Bühne der Poesie immer wieder verstanden, durch subtile Konfrontation von hohem Ton und Alltags-Sound, von strenger Form und formzertrümmernder Geste die Sprache des Gedichts herauszulösen aus überkommenen Mustern. So ist auch seine lyrische Strophe nicht gebunden an strenge metrische Homogenität – ihre Grazie kann auch aus einer auflesenden Bewegung erwachsen, aus der „Zerstreuung“, nicht aus der symmetrisch organisierten Versrede.
Die Leichtigkeit und Flüchtigkeit des poetischen Augenblicks, in dem sich unterschiedlichste Impulse und Bewusstseinsreize kreuzen und überlagern, wird hier in diesem frühen Falkner-Gedicht in eine sinnliche Schwebe gebracht. Die idyllischen Momente des Textes („leicht wie luft“, „beschattete bäume“) werden kontrastiert mit markant aufblitzenden Zeichen der „Gewalt“ und des Todes. Aus diesen auch formal widerstreitenden Sprachbewegungen entsteht der am Ende evozierte Zustand „glücklicher Verwirrtheit“.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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