JESSE THOOR
Ist es so auf Erden?
Bin in die Welt gegangen.
Habe mancherlei angefangen.
Aber die Leute lachten.
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Auf dem Felde gegraben.
Einen Wagen gezogen.
Einen Zaun gerade gestellt.
Tür und Fenster gestrichen.
Warme Kleider genäht.
Hölzerne Truhe gezimmert.
Feine Stoffe gewoben.
Goldenes Ringlein geschmiedet.
Was soll nun werden?
Werde nach Hause wandern,
und barfuß ankommen.
1949–1952
aus: Jesse Thoor: Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2005
Der poetische Vagabund Jesse Thoor (1905–1952), der mit bürgerlichem Namen Peter Karl Höfler hieß, hat sehr viele Lebenskonzepte ausprobiert: als Tischler, Goldschmied, Porträtist und Dichter. Auf der Flucht vor der Gestapo irrlichterte er durch halb Europa und versuchte seine Dichterfreunde, bei denen er unangemeldet aufkreuzte, von der Nichtswürdigkeit des bürgerlichen Daseins zu überzeugen. Eine Heimat fand der Gehetzte nie.
Im Gegensatz zu der Prognose, die das zwischen 1949 und 1952 entstandene Gedicht stellt, kam Jesse Thoor nie in einem Zuhause an. Von den Nazis gejagt, floh Thoor aus der Tschechoslowakei, wo er eine Porträtbüste des tschechischen Staatspräsidenten Eduard Benes anfertigte, nach London. Dort wurde er nach einer Denunziation durch die KP interniert. Seine Gedichte aus den Londoner Jahren sind verzweifelte Lästergebete, die von der Verlorenheit des ewigen Exilantendaseins erzählen.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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