Karoline von Günderrodes Gedicht „Hochrot“

KAROLINE VON GÜNDERRODE

Hochrot

Du innig Rot,
Bis an den Tod
Soll meine Lieb Dir gleichen,
Soll nimmer bleichen,
Bis an den Tod,
Du glühend Rot,
Soll sie Dir gleichen.

um 1800

 

Konnotation

Der verlässlichste Begleiter der romantischen Dichterin Karoline von Günderrode (1780–1806) war der Tod. Ihr Vater starb früh, und als sie das 23. Lebensjahr erreicht hatte, lagen auch drei ihrer vier Schwestern bereits unter der Erde. Und auch die zwei Männer, in die sie sich tragisch verliebte – der Rechtsgelehrte Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) und der Altertumsforscher Friedrich Creuzer (1771–1858) – waren ebenso mehr oder minder vom Tod gezeichnete Wesen. Aus diesem Grund erscheint der (von der Literaturwissenschaft kolportierte) Verdacht nicht abwegig, die Günderrode habe nur den Tod als einzig wahren Liebhaber gesucht.
Als die Günderrode ihre erste große Liebe Friedrich von Savigny kennenlernte, schrieb sie eine Miniatur, die ihre Zentralthemen – Liebe und Tod – auf prägnante Weise bündelte. Das glühende Rot, seit je ein Farbsymbol für die Liebe, wird unmittelbar „an den Tod“ gebunden. Die Angleichung der Liebe an das „Hochrot“ hat in der Perspektive dieses Gedichts zwangsläufig tödliche Folgen.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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