KURT AEBLI
Ohne Grund
Wir sind nicht da.
Wir sind uns selber
aus dem Weg gegangen.
Wir kombinieren, kollabieren, konferieren.
Wir sind Wiesen: wissentlich
und ohne Grund.
1990er Jahre
aus: Zwischen den Zeilen. Heft 4, 1994
Der Schweizer Dichter Kurt Aebli (geb. 1955) liebt die lapidaren, bis zum tonlosen Fatalismus ausgenüchterten Verse, die alle nur denkbaren Fundamente eines selbstbewussten „Subjekts“ aushebeln. Er kennt das „Ich“ nur im Modus seiner Abwesenheit, Deplatziertheit oder aber seiner „Grundlosigkeit“. Alle Verbindungen, die dieses in seinen Eigenschaften skelettierte „Subjekt“ zur weit aufbauen will, sind vergebens. Selbst die Verben mit dem Präfix „kon“ können im Gedicht keine konstruktivistische Brücke zur Welt mehr schlagen.
Ob nun ein „Ich“ oder ein „Wir“ in seinen Gedichten auftaucht – stets neigt die jeweils handelnde Instanz zur Selbstverkleinerung. Aeblis Gedichte kartografieren in ihrem unerschütterlichen Stoizismus den „Dienstweg zum Nichts“ – so eine seiner poetischen Formeln –, ohne irgendeine Abweichung ins Lebbare, eine sinnliche oder metaphysische Gewissheit in Aussicht zu stellen.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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